St. Peter
Daniel Kosch

Papsttreue für Erwachsene

«Frustrierter Papst» überschrieb eine Sonntagszeitung ihren Bericht über die Weihnachtsansprache von Papst Franziskus und über die ins Stocken geratenen Reformen der Kurie – auch, aber nicht nur im Bereich der Vatikanfinanzen. Natürlich lieferte Franziskus mit dem einleitenden Bonmot «In Rom Reformen durchzuführen heisst gleichsam die Sphinx von Ägypten mit einer Zahnbürste zu putzen» einen Steilpass für diesen Titel. Auch seine Kritik an der «verwerflichen Mentalität von Verschwörungen oder kleinen Zirkeln», die ein «Krebsgeschwür» darstellen und zum Verlust «die Freude des Evangeliums» führen, war unmissverständlich. Ebenso seine Haltung gegenüber Personen, die sich «von Ambitionen und Eitelkeiten korrumpieren lassen und sich selbst, wenn sie dann sanft entfernt werden, fälschlicherweise zu Märtyrern des Systems erklären, des ‘nicht informierten Papstes’, der ‘alten Garde’ … anstatt ihr ‘Mea culpa’ zu sprechen».

Offene Thematisierung laufender Auseinandersetzungen

Als einer, der nach wie vor darauf hofft, dass es Papst Franziskus gelingt, seine Reformen so im Gefüge der Kirche und der Kurie zu verankern, dass sie seine Amtszeit überdauern, habe ich bei diesen Sätzen aufgehorcht. Offen wie keiner der letzten Päpste, thematisiert Franziskus die laufenden Auseinandersetzungen und die Härte des Konflikts. Und es gibt nicht nur in Rom, sondern auch anderswo Anzeichen dafür, dass es um die Papsttreue nicht zum besten bestellt ist. Da kritisieren die Bischöfe von Kasachstan die Aussagen des Papstes zu den wiederverheirateten Geschiedenen ganz offen, obwohl formell festgehalten wurde, dass es sich um «authentisches Lehramt» der Kirche handelt. Und ein apostolischer Nuntius, diplomatischer Vertreter des Heiligen Stuhls in einem weniger fernen Land verbreitet mit grösster Selbstverständlichkeit die Twitternachricht, diese Bischöfe seien «sicher nicht allein mit dieser Sorge». Natürlich kann man fragen, ob es «psychologisch klug» ist, ausgerechnet die Weihnachtsansprache für die eigenen Mitarbeitenden zu nutzen, um ein so schwieriges Thema anzusprechen. Aber wäre ihnen und der Kirche mehr gedient, mit einer Rede, die die Probleme mit einer dicken Schicht pseudoweihnachtlicher Harmonie überdeckt?

Kindlicher Gehorsam – pubertäre Rebellion – erwachsenes Zuhören und Abwägen

Zugleich habe ich mich gefragt, was denn «Papsttreue» angesichts dieser Auseinandersetzung heissen könnte. Meine vorläufige Antwort lautet: Erstens, aufmerksam wahrnehmen und aufnehmen, was der Papst sagt – und wichtige Texte vollständig lesen. Zweitens, bei Äusserungen, die sich nicht mit meiner Auffassung decken, genauer lesen und länger nach ihrer Absicht fragen, als bei jenen, die mir entsprechen. Drittens, weder in «kindlichem Gehorsam» alles gut finden wollen, noch in «pubertärem Ungehorsam» rebellieren, sondern «erwachsen» zuhören, abwägen, eine faire Diskussion auf Augenhöhe führen. Viertens, nicht nur jene «Reformelemente» begrüssen, die mir passen, sondern auch jene, die mich und die Kirche hierzulande herausfordern – namentlich seine Kritik an einer selbstbezüglichen Kirche, seine prophetische Warnungen zur Ökologie und zur Weltwirtschaft und seine Plädoyers für eine gerechtere und solidarischere Welt.

Ein Glaube, der uns nicht in Krisen führt, ist in Krise

Ein erstes Ergebnis dieser Überlegungen zur Papsttreue ist, dass ich die ganze Ansprache an die Kurie gelesen habe – und feststellen konnte, dass sie insgesamt wesentlich sachlicher und konstruktiver ist, als die medial verbreiteten Auszüge. Und ein zweites Ergebnis ist, dass ich mir ein Wort aus der Schlusspassage notiert habe, das auf gute Art zu denken gibt:

Weihnachten erinnert uns daran,dass
ein Glaube, der uns nicht in eine Krise führt,
ein Glaube in Krise ist;
ein Glaube, der uns nicht wachsen lässt,
ist ein Glaube, der wachsen muss;
ein Glaube, der nicht Fragen aufwirft,
ist ein Glaube, über den wir uns Fragen stellen müssen;
ein Glaube, der uns nicht belebt,
ist ein Glaube, der belebt werden muss;
ein Glaube, der uns nicht erschüttert,
ist ein Glaube, der erschüttert werden muss.

St. Peter | © Daniel.Kosch
5. Januar 2018 | 10:19
von Daniel Kosch
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Ein Gedanke zu „Papsttreue für Erwachsene

  • Karl Stadler sagt:

    Sie haben, auch für einen Aussenstehenden, ein aktuelles Thema gewählt. Aber es will einem manchmal scheinen, dass zum Thema “Papsttreue für Erwachsene” weniger das Fussvolk, als vielmehr Teile der Theologenzunft, in ihr vor allem manche Meinungsmacher, sich einmal in Exerzitien begeben dürften. Als Laie und Nicht-Theologe dünkt es mich, dass auf der Agora der theologischen Meinungen nicht selten gewisse Aspekte ausgeblendet oder Anschauungen von Gegnern in sträflich verzerrter Form wiedergegeben werden.
    Versucht man als Nicht-Theologe die offziellen Dokumente, welche im Vatikan publiziert werden, zu studieren, ist man geneigt, anzunehmen, dass die Päpste der letzten Jahrzehnte in theologischen Kernfragen kaum wesentlich voneinander abweichen. Ich meine nicht, dass “Evangelii Gaudium” oder “Amoris laetitia”, aber auch “Lumen fidei” wirklich wesentlich von “Fides et ratio” oder “Caritas in veritate” abweichen. Vieles von dem, was Bergoglio, wenn auch vielleicht in publizistisch in zugänglicherer Form, äusserte, wurde im Grunde von seinen Vorgängern doch genauso deutlich immer wieder gesagt. Aber manche wollen das einfach nicht wahrhaben, schweigen es schlichtweg tot oder versuchen den Eindruck zu erwecken, Franziskus sei der erste Papst, der Themen wie Ökologie, Verzerrungen in der Verteilung von Ressourcen oder Fragen wie “Solidarität” für den kirchlichen Sendungsauftrag thematisiere.
    Das trifft jedoch kaum zu. Gerade auch einer wie der als konservativ verschrieene Gerhard Müller hat sich doch auch recht intensiv zu Themene wie der weltweiten Solidarität oder zu Verwerfungen, hervorgerufen durch eine wirtschaftliche Verzerrung des Ressourcenzugangs, geäussert, sogar in Buchform.
    Oder den Vorgängern Ratzinger oder Wojtyla werden zugeknöpfte Ansichten zur Sexualmoral, beispielsweise betreffend die Frage der Homosexulaität, vorgehalten. Dann lese man einmal das Dokument “Das Geschenk der Berufung zum Priestertum”, Ziffer 199, ausgearbeitet von der Kongration für den Klerus, approbiert und zur Publikation angeordnet von Franziskus am 8. Dezember 2016. Ich bin mir nicht so sicher, ob Ratzinger eine solche verletzende Ansicht in solcher Formulierung zur Publikation freigegeben hätte.
    Im November letzten Jahres behauptete ein Dozent für theologische Ethik der Uni Luzern in einem Gastkommentar in der NZZ, Vitus Huonder habe in seinem berühmt-berüchtigten Fuldaer Vortrag sinngemäss die Todesstrafe für Homosexuelle gefordert. Empirisch leicht nachprüfbar: Das ist doch völliger Unsinn. Es wissen es eigentlich alle, dass der Churer Bischof, trotz seiner erzkonservativen und ausgeprägt legalistischen Haltung keinem Homosexuellen auch nur ein Haar krümmen würde. Er verwendete in seiner Glaubensinterpretation lediglich Zitate aus Levitikus, die auch die Schweizerische Bischofskonferenz zur Frage der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare heute noch auf ihrer Website verwendet. Wenn auch die Bischofskonferenz mit etwas eleganteren hermeneutischen Interpretationen die Frage angeht: In der Conclusio jedoch weicht die SBK im Grunde in keiner Weise vom Churer Bischof ab.
    Natürlich werden derartige Ereignisse von den Medien nicht selten schadenfroh ausgeschlachtet. Auszubaden haben wahrscheinlich ein solches ungedeihliches Klima all die Seelsorgerinnen und Seelsolger, die an der Front ihre tägliche Knochenarbeit verrichten und viele Menschen halt dennoch bei ihrer Kontingenzbewältigung zu begleiten haben.
    Dass Bergoglio, wie anlässlich des Weihnachtsempfangs, Teile der Prälaten-Nomenklartura aus ihrem Schlummer der Seligen rüttelt und auch klar kundtut, dass Glaube nicht ausschliesslich mit einer starren, legalistischen Hatung deckungsgleich zu sein braucht, dagegen haben wahrscheinlich die meisten nichts einzuwänden. Es soll den Prälaten nicht besser ergehen als Immanuel Kant, der von Hume aus dem dogmatischen Schlummer geholt wurde.
    Dennoch wäre hüben wie drüben eine etwas ausgewogenere, dann und wann gegenüber den Gegnern fairere Streitkultur der Sache gewiss dienlicher.

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