Heinz Angehrn

Der Killer-Vorwurf «Pädophilie»

Ich will das jetzt hier einmal dokumentieren, sonst wird Unrecht zu Recht, wird Beleidigung zum Fakt, wird alte Diskriminierung zur neuen.

(Vorbemerkung zunächst: Ich habe mich zur causa Pfeifroth/Sabo hier schon klar geäussert. Was der Kollege damals als Priester und im Gefolge eines Beichtgesprächs getan hat, ist in mehrfacher Hinsicht indiskutabel und wäre wohl m.E. auch Grund zur Entlassung aus dem Dienst gewesen. Doch mit Pädophilie hatte das nichts, aber gar nichts, zu tun: Der junge Herr hatte sich im Gespräch geoutet und zudem dem Priester gesagt, dass er ihn attraktiv finde. Und in solche Paradies-Äpfel haben leider schon manche Kollegen, Hetero wie Homo, gebissen, das ist übel aber Fakt.)

Doch nun zu Herrn Niklaus Herzog und seinem Medium swiss.cath.ch. Schon vor einiger Zeit und dann kürzlich wieder, als er dort in ausführlicher Länge einen Text der deutschen Arbeitsgemeinschaft Homosexualität und Kirche (HuK) dokumentierte, in der diese (sic!) ausführte, dass sie sich kritisch mit einer unreflektierten Nähe zu pädophil fühlenden Mitgliedern in den 70er/80er Jahren auseinandersetzen wolle, schaffte er es nicht, den wissenschaftlich-psychologisch schon längst erkannten Unterschied zwischen der schweren Persönlichkeitsstörung Pädophilie und dem Thema Homosexualität zur Prämisse zu machen.

Und warum ist diese Prämisse in konservativen Kreisen so unbeliebt? Weil es eben kein besseres Killing-Argument zum Thema Homosexualität gibt als dieses, welches unterstellt, dass alle schwulen Männer im Grunde ihres Wesens pervers und abartig sind. Keine Reflexion darüber, dass unzählige Hetero-Familienväter, unzählige Hetero-Sport- und Schwimmlehrer, unzählige Hetero-Kinderbetreuer pädophile Überbegriffe begingen, keine Reflexion, dass der prozentuelle Anteil bei Heteros und Homos etwa gleich ist. Nein: Man will und kann so die unbequeme Minderheit prügeln, die es sich noch frech erlaubt hatte, den abwertenden Terminus «schwul» zur stolzen Selbstdeklaration zu machen (wie es auch der Schreibende tut).

Es ist eigentlich wie bei den Themen Antisemitismus und Sinti/Roma/Fahrende. Eine kleine nicht ins Schema passende gesellschaftliche Minderheit stört die gesellschaftlichen Normalabläufe, stellt Selbstverständliches (der christliche Glaube, die Sesshaftigkeit, das Hetero-Familien-Idyll) in Frage und wird darum als bedrohlich empfunden, ausgegrenzt und verfolgt (die NS-Zeit lässt grüssen).
Denn: Es könnte ja bei einem selber auch nichts alles so klipp und klar sein, das öde bürgerliche Dasein etwa (vgl. Udo Jürgens, «Ich war noch nie…»). Es könnte ja auch sein, dass Freddie Mercury eben wirklich faszinierend war, auch das Männer-Leben in den Brokebacks, ein Gegenentwurf. Und das verunsichert, kann Angst machen. Und dann werden gerne Sodom und Gomorrha (biblisch wie sprichwörtlich) beschworen, dann werden Boys in conversion camps geschickt und an den Rand des Suizids getrieben, dann wird gespottet und abgewertet. (Wir wissen: Die ärgsten Homophoben sind fast immer selber betroffen…)

Ich habe Herrn Herzog (gekürzte Fassung, die keine Persönlichkeitsrechte tangiert) geschrieben:

«Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass Sie mit Ihren (nun zwei Mal) pointiert-scharfen Randbemerkungen zum von uns verhandelten Thema verunsicherte und ängstliche Betroffene noch mehr in ihr Schneckenhaus vertreiben können? X verfügt auch über diese Persönlichkeitsstruktur, der Mitbruder, der mir gestern alarmiert anläutete (darum allein las ich Ihren Text), ebenso. Sie könnten ja auch einmal über die Frage schreiben, warum es in den letzten Jahren vermehrt zu Suiziden von Priestern gekommen ist. Nur schon die Erwähnung des Begriffs «Pädophilie» in solchen Kontexten ist pures Gift.»

Er hat nie geantwortet. Tut er das jetzt hier?

Bildquellen

  • : pixabay.com
14. Februar 2024 | 06:00
von Heinz Angehrn
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!

10 Gedanken zu „Der Killer-Vorwurf “Pädophilie”

  • Hansjoerg sagt:

    Herr N. Herzog liebt es generell, auf seiner Webseite mit dem Finger auf Andere zu zeigen, die nicht mit seiner konservativen Haltung übereinstimmen.

    Ein bekanntes Ziel ist Raphael Rauch, ex. Redaktor bei kath.ch und nun bei Sonntag Blick angestellt. Ihn beschreibt Herr Herzog gerne mit den Attributen teutonisch, aus dem grossen Kanton eingewandert und immer sehr zynisch als Wirtschaftsredaktor. Hier wird wohl Neid eine grosse Rolle spielen, Herr Rauch erreicht rund 330 000 Lesende, Herr Herzog schätzungsweise so ein paar hundert.

    Nebst einigen Anderen wird auch Hugo Stamm immer wieder angeschossen, weil er von Zeit zu Zeit festhält, wer in der kath. Kirche alles ausgegrenzt wird.

    Oft und gerne schreibt N. Herzog gegen alle katholischen Menschen, die sich in einer “irregulären Situation” befinden. Diese getraut er sich aber nicht namentlich zu nennen, weil es wohl die Hälfte aller Katholikinnen und Katholiken in der Schweiz betrifft.
    Nämlich:
    – alle jungen Leute, die im Konkubinat zusammen leben
    – alle älteren Menschen, die Ihren Lebensabend infolge Todesfall mit einem neuen Partner verbringen
    – alle Geschiedenen, die eine neue Liebe gefunden haben
    – und natürlich alle homosexuellen und lesbischen Menschen, und insbesondere Paare die das Leben gemeinsam verbringen

    Ich bin aber zuversichtlich, dass die Zeit und die biologischen Uhren mithelfen, dass sich die kath. Kirche dem Leben der heutigen Menschen anpassen muss, und Herr Herzog für immer noch weniger Lesende texten kann.

  • stadler karl sagt:

    Ich schaue auch manchmal in swiss-cath.ch hinein, habe jedoch vorliegend den Zusammenhang nicht. Kenne den Beitrag des swiss-cath-Redaktors, den Sie erwähnen, nicht. Natürlich haben Sie Recht: Homosexualität mit Pädophilie zu vermischen oder dieser Präferenz per se gar pädophile Neigungen anzudichten, ist absolut unhaltbar und zeugt nicht im Ansatz von sachgerechter, wissenschaftlicher Beschäftigung mit diesem Thema, auch wenn es selbstverständlich Homosexuelle ebenso wie Heterosexuelle geben mag, die pädophile Neigungen aufweisen.
    Für mich persönlich ist es ein altes, belastendes Erbe seitens des Christentums, welches dieses wahrscheinlich damals in der Entstehungszeit aus dem Judentum übernommen hat, und zwar derart, dass Homosexualität durch all die Jahrhunderte, ja Jahrtausende stigmatisiert wurde. Das griechisch-hellenistische Heidentum war diesbezüglich zumindest offener, wenn auch vielleicht nicht gerade im heutigen Sinn. Aber akzeptierte gleichgeschlechtliche Beziehungen gab es dort längst nicht nur in subordinierten Verhältnissen, wie ausgerechnet manche Verteidiger des Christentums propagieren. Anderseits ist es auch gewiss nicht so, dass es im frühen Christentum keine Einwände gegen Homosexualität unter Partnern auf Augenhöhe gegeben hätte, wie einem heutige manche Bibelexegeten unterjubeln wollen. Das sind Immunisierungsstrategien der billigen Sorte, um die diesbezügliche Kritik am Frühchristentum als Rückschritt gegenüber dem teilweisen Denken im umgebenden Heidentum mundtot zu machen. Auch die Lesart der einschlägigen Stellen im Levitikus, wie sie von manchen heutigen christlichen Interpreten vorgetragen wird, wird längst nicht von allen jüdischen Tora-Wissenschaftern geteilt. Ich glaube nicht, dass dies der richtige Weg ist, einer Problemlösung näher zu kommen.
    Die Theologenschaft will ja bekanntlich nichts davon wissen und lacht einen höchstens aus. Aber die Kirche sollte sich viel weniger mit Sexualmoral und Sex, wie überhaupt mit Ethik, befassen. Stattdessen mit äusserst schwierigen Fragen der Bewältigung menschlicher Kontingenz. Was Fragen der Sexualmoral betrifft, wissen die allermeisten Gläubigen nicht schlechter Bescheid als die Prälaten im Vatikan und das sanctum officium. Und solange am kirchlichen Anspruch festgehalten wird, über Kenntnisse von “objektiven normativen Wahrheiten” zu verfügen, wird sich die Kirche immer dogmatischen Dilemmata aussetzen, die sich auch nicht mit einem kontextualen Verständnis der Zeichen der Zeit aus der Welt schaffen lassen.

  • Homosexuelle Handlungen sind eine Sünde. So einfach ist es. Ein Weg in die Hölle! Hört doch endlich auf euch der „heutigen Zeit“ anzupassen.
    Je liberaler ihr werdet, desto weniger Schweizer bleiben katholisch.
    Wäre Interessant zu sehen, was der Mensch vor hundert Jahren über die heutige Zeit denken würde.

    • stadler karl sagt:

      Der Begriff “Sünde” “peccatum” oder “amartia”, bezieht sich immer auf ein ganz bestimmtes Normensystem. Bloss, Normensyteme sind zumeist über weite Strecken kulturell-historisch bedingt ausgestaltet und mit grossen Zufälligkeiten behaftet. Und vor allem: Sie sind wandelbar, genauso, wie eine jede Sprache einer ständigen Wandlung unterworfen ist. Nichtsdestotrotz können Normensysteme mit sehr strengen, ja brutalen Sanktionen bewehrt sein. Normensysteme sind jedoch nicht naturgegeben wie die Kirche, bezogen auf ihr je eigenes System, lehrt. Wie weit die Natur per se Normen moralischer Art kennt, ist stark umstritten, wird in der Philosophie über weite Strecken in Frage gestellt, ja verneint. Ob ein Normensystem richtig oder falsch ausgestaltet ist, ist eigentlich keine Frage der Wahrheit, sondern die Antwort beruht letztlich auf sozialen Konventionen. Solche Konventionen können zwar deskriptiv-empirisch umgrenzt und festgestellt werden. Sie können, aufgrund empirischer Unterschungen, richtig oder falsch beschrieben werden. Ihr Geltungsgrund wurzelt jedoch in einer positivistischen Festsetzung. Das bedeutet aber nicht, dass einer Konvention als solcher ein logischer Wahrheitswert zukommt, dass ein Normensystem “wahr” oder “falsch” ist. Vor diesem Hintergrund sind homosexuelle Handlungen nur in Bezug auf zufällige Normensysteme/Konventionen richtig oder falsch. Aber es gibt keine Kulturen, wo homosexuelle Präferenzen nicht auch vorkommen würden, genauso wie heterosexuelle, obwohl sie jeweils verschieden bewertet werden. Insofern hat jedoch die jeweilige sexuelle Präferenz wahrscheinlich vielmehr mit induktiven Naturgesetzlichkeiten denn mit einem Naturrecht zu tun. Wer jedoch “objektive, normative Wahrheiten” lehrt wie die Kirche, kann in grosse Schwierigkeiten geraten, wenn die Akzeptanz sozialer Konventionen, die lange Zeit sich durchzusetzen vermochten, schwindet und andere normative positivistische Festsetzungen in bestimmten Kulturen Überhand gewinnen.

    • Hansjoerg sagt:

      In der kath. Kirche sind noch viele Handlungen eine Sünde (Sex vor der Ehe, Verhütung vor, während und nach der Ehe, Masturbation ab Geburt bis zum Tod und vieles mehr) Zum Glück ist das den meisten Menschen aber egal und sie leben ganz gut mit oder ohne Sünde.

    • Hansjoerg sagt:

      Zum Thema Sünde:
      Habe heute in der Coopzeitung eine lustige Empfehlung gesehen, die zeigt, wie weit die von der kath. Kirche vorgegebenen Regeln im Katechismus und das reale Leben der Menschen auseinander klaffen:

      – Der Katechismus verbietet Masturbation, zudem ist es eine schwere Sünde und muss gebeichtet und dann wohl auch bereut werden.

      – Die Coop Zeitung Nr. 8 vom 20. Nov. mit einer Auflage von rund 2,5 Mio. Exemplaren bewirbt einen Womanizer zur Masturbation und informiert gleichzeitig, dass Masturbation sehr gesund sei,

      Wem soll da der kleine Mann, resp. die kleine Frau noch glauben😊

  • Agere Mbuku sagt:

    Was ich an Leuten wie Herrn Anghern nicht begreife…

    es wird niemand gezwungen der katholischen Kirche anzugehören.
    Und die katholische Kirche (weltweit gesehen) hält nach wie vor an sehr konservativen, für manche eher veralteten, Moralvorstellungen fest.
    Trotzdem erhärtet sich der Eindruck, der hiesige Schreiberling und viele im kath.ch Team, möchten die Kirche verändern, und die Moralvorstellungen dahingehend anpassen, dass Sie Ihr persönliches Leben und/oder Ihre persönlichen Lebensansichten, nicht der Kiche anpassen, sondern dass sich die Kirche Ihnen anpasst und Ihnen sogar noch die Bestätigung gibt, dass das was Sie tun, in Ordnung ist.

    Nun das darf man gerne versuchen. Jedoch sollte man dabei nicht vergessen, dass die Kirche nicht nur aus vermeintlich modernen Menschen aus der Schweiz, Westeuropa und den USA bestehen. Und man sollte ebenfalls nie vergessen, dass man, wenn man eventuell zu spüren glaubt(Gewissen) dass man insgeheim falsch liegt mit der persönlichen Art zu leben oder sein Leben zu gestalten, es nichts bringt, wenn man sich viele “Bestätiger” sucht, welche sagen dass man alles richtig macht. Diesen persönlichen Konflikt, das auf die Innere-Stimme-hören oder das Unterdrücken der Inneren-Stimme muss jeder für sich selbst abhandeln.

    In diesem Sinne, wünsche Ich allen dass Sie auf Ihr Inneres hören, und eventuell nächstes mal zweimal überlegen, bevor Sie sich einen JA-Sager suchen.

    Viele Grüsse aus Schwammendingen
    Agere Mbuku

    • Heinz Angehrn sagt:

      Könnten Sie wenigstens meinen Namen richtig schreiben … Und dann noch inhaltlich:
      a) Ja, es gäbe die Alternative, aus dieser Institution auszutreten. Ich bin aber schon früh im Studium zur Überzeugung gelangt, dass dies schade wäre, denn hinter der Institution steht etwas viel Grösseres, die Botschaft vom Reich Gottes, dass in/mit Jesus (nicht in der Kirche) angebrochen ist. Und wer geht, verrät vor allem eines: den Ursprung unseres Glaubens.
      b) Ihr argumentativer Umgang mit Minderheiten ist so was von kolonialistisch, dass er des Empires würdig wäre. Komisch, nicht wahr?

  • Es ist in der Fach-Literatur (historisch wie psychologisch) hinlänglich dokumentiert, wie zeitbedingt die moralische Bewertung menschlicher Sexualität in der Entwicklung des menschlichen Bewusstseins ausgefallen ist. Und es gibt eine Anzahl von Moraltheologen, die dem gegenwärtigen Leben der Menschen gerechter werden als die traditionell eher abwertende und restriktive Haltung des römisch-kath. Lehramtes. Die verbiesterte Fixation darauf schafft entgegen christlicher Ideale Feindbilder und lässt erahnen, welche Unsicherheit ursächlich dahinter steht. Homophobie war und ist immer eine Maske, welche eigene Probleme verbirgt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst diese HTML-Tags und -Attribute verwenden:

<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.