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Daniel Kosch

Was sind mir Werte wert? (#Wertedebatte 1)

In den Schweizer Medien hat seit einiger Zeit der Begriff «Wertedebatte» Konjunktur. Dass sich hinter dieser edlen Formulierung mancherorts vermutlich eine weniger edle (Anti-)Islamdebatte verbirgt, ist bedauerlich. Aber wenn eine solche Debatte schon geführt werden soll, ist es aus Sicht der Kirche(n) zentral, die Leerformeln «Wertedebatte» und «christliche Werte» inhaltlich zu füllen: Welches sind unsere Werte? Was sind uns diese Werte wert?

Unscharfer Wertbegriff

Schon sprachlich ist gar nicht so klar, was denn ein «Wert» ist.

  • Sind Werte etwas Ähnliches wie menschliche (Grund-)Haltungen, z.B. Verlässlichkeit, Solidarität, Kompromissfähigkeit, Aufrichtigkeit?
  • Sind es eher Errungenschaften, z.B. Wohlstand, Arbeitsplatzsicherheit, öffentliche Sicherheit?
  • Sind es zentrale ethische und rechtliche Kategorien wie Gerechtigkeit, Freiheit, Respekt, Gemeinsinn?
  • Geht es um Lebensqualitäten: Beheimatung, Zusammengehörigkeit, Ruhe, Gesundheit?
  • Sind Konventionen gemeint: Anstand, Ordentlichkeit, Einhaltung von Regeln im zwischenmenschlichen Verkehr?

Für eine «Wertedebatte», die nicht wissenschaftlich geführt wird, sondern an der sich Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen beteiligen, macht es keinen Sinn, einen «richtigen» Sprachgebrauch festzulegen.

  • Die einen werden sagen: Für mich ist «die direkte Demokratie» ein hoher Wert.
  • Andere werden sagen: Für mich ist «die landschaftliche Schönheit und die intakte Natur» ein zentraler Wert, den es zu erhalten gibt.
  • Dritte sind überzeugt: Der höchste Wert für uns ist «das friedliche Zusammenleben Menschen unterschiedlicher Kulturen».
  • Und noch andere denken: Der oberste Wert sind «intakte Familien».

Echte und unechte Werte – ein Unterscheidungskriterium

Um echte Werte von unechten zu unterscheiden, schlage ich folgendes Kriterium vor :

  • Von einem echten oder hohen Wert kann gesprochen werden, wenn eine Person oder eine Gemeinschaft bereit ist, für diese Wert selbst einen «Preis» zu bezahlen: Zeit einzusetzen, Geld auszugeben, auf anderes zu verzichten, daran zu arbeiten.
  • Nicht wirklich echt sind Werte, wenn nur andere dafür den «Preis» bezahlen müssen: sich unterordnen, sich anpassen, die Kehrseite des (vermeintlichen) Wertes verkraften müssen, z.B. in Form tiefer Löhne in der Arbeit für Produkte, die eben nicht «preiswert» sind, sondern nur «billig».

Wer sagt: «Das friedliche Zusammenleben und dass alle einander verstehen sind zentrale Werte », ist dann glaubwürdig, wenn er aufzeigen kann, was er selbst dafür für einen Preis zu bezahlen bereit ist: Freiwilliges Engagement, Arbeit an den eigenen Vorurteilen, Aufbau von interkultureller Kompetenz, Bereitstellung von Sprachkursen, Verzicht auf sprachliche (und natürlich auch auf physische Gewalt). Solcherart inhaltlich gefüllte «Werte» sind keine billigen Leerformeln, sondern haben einen Gehalt, entwickeln Leuchtkraft, wirken anziehend und ansteckend.

 

werte | © pixabay.com CCO
27. Oktober 2016 | 12:09
von Daniel Kosch
Lesezeit: ca. 2 Min.
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