Walter Ludin

«Terrorismus» oder ziviler Widerstand

Was ist vom «palästinensischen Terrorismus» zu halten? Wie kann der «Zyklus der Gewalt auf beiden Seiten überwunden werden? Dazu Abschnitt aus dem Dokument «die Stunde der Wahrheit», verfasst von Palästinenserinnen und Palästinenser, vorgestellt während der Vollversammlung des Weltkirchenrates in Dortmund.

«Der Widerstand gegen das Übel der Besetzung ist eingebettet in die christliche Liebe, die das Böse ablehnt und wiedergutmacht. Sie widersteht dem Bösen in allen seinen Formen mit Methoden, die dem Grundsatz der Liebe entsprechen, und setzt alle Kräfte in Bewegung, um Frieden zu stiften. Wir können auch durch zivilen Ungehorsam Widerstand leisten. Wir sollen nicht Widerstand leisten, indem wir Tod bringen, sondern vielmehr, indem wir das Leben schützen.

Mit unserer Liebe werden wir das Unrecht überwinden und das Fundament für eine neue Gesellschaft für uns und für unsere Gegner legen. Unsere und ihre Zukunft gehören zusammen. Entweder wird der Zyklus der Gewalt beide Seiten vernichten oder der Friede wird beiden Seiten zugutekommen.
Wir appellieren an Israel, von seinem Unrecht gegen uns abzulassen, die Realität der Besetzung nicht länger unter dem Vorwand zu verfälschen, es sei ein Kampf gegen den «Terrorismus». Die Wurzeln des «Terrorismus» liegen in dem menschlichen Unrecht, das uns angetan wird, und in dem Übel der Besetzung. Beide muss aufhören, wenn die ehrliche Absicht besteht, den «Terrorismus» zu beseitigen.»

Teile des Dokuments «Die Stunde der Wahrheit finden sich bereits in meinem Blog vom 6. März und 5. April.

Und hier eine Fundsache zum Thema:
«Rezept, einen Terroristen zu schaffen»
Im Buch «fast eine Weltgeschichte» von Eduardo Galeano (2008) wird die Palästinenserin Susan Abdallah zitiert mit ihrem «Rezept, einen Terroristen zu schaffen»:
«Nimm ihm Wasser und Land weg.

  • Umgebe sein Haus mit Kriegswaffen.
  • Greife ihn mit allen Mitteln und zu jeder Zeit an, vor allem nachts.
  • Reisse sein Haus ab, zerstöre seine Ernte, bringe seine Angehörigen um, vor allem die Kinder, und verstümmle sie.

Glückwunsch: Sie haben eine Armee von Selbstmordattentätern geschaffen.»

30. Juli 2023 | 19:25
von Walter Ludin
Lesezeit: ca. 1 Min.
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7 Gedanken zu „«Terrorismus» oder ziviler Widerstand

  • stadler karl sagt:

    Alle Welt weiss, dass der Staat Israel derzeit eine riesige und vielleicht auch eine gefährliche innenpolitische Krise durchlebt. Die halbwegs verhärtete Polarisierung und Spaltung der verschiedenen Lager in der Bevölkerung, die sich während der letzten Jahre bildete und zu sich stetig folgenden Auflösungen der Knesset und Neuwahlen führte, scheint derzeit das Fass zum Überlaufen zu bringen, indem tragende institutionelle Regelungen, die staatliche Gewaltenteilung betreffend, durch die jetzige Rechtsaussenregierung ausgehöhlt werden.
    Aber wo dieser Riss, auch jetzt in der Krise, in keiner Weise bestehen würde, trotz verfehlter und auch innenpolitisch teilweise auf starke Ablehnung stossender Siedlungspolitik des Staates Israel, das ist hinsichtlich die Beurteilung einer verzerrten, ein objektives Bild von Geschichte und derzeitiger Lage schlicht ausblendenden Darstellung, wie sie in dem hier zitierten Dokument zum Ausdruck kommt. Es handelt sich einmal mehr um ein übles, von christlicher Liebe schwafelndes Pamphlet, das dem Weltkirchenrat – wahrscheinlich mit Erfolg – schmackhaft zu machen versucht wird und das die Wurzel des israelisch-palästinensischen Konfliktes allein in der Besatzung des Westjordanlandes verortet haben will. Die Wurzel allen Übels liegt, wie könnte es anders sein, einmal mehr allein beim Staat Israel. Nichts von den stetigen Bemühungen der Hamas in Gaza, weiterer Terrororganisationen im Westjordanland, der Hisbollah im Libanon und weiterer Kräfte im islamischen Nahen Osten, die mit Hilfe des Mullah-Regimes im Iran zielorientiert und unverhohlen an der Ausradierung des Staates Israel arbeiten; nichts davon, dass, kaum wurde die Besatzung des Gazastreifens unter Ariel Sharon vor bald zwanzig Jahren einseitig und gegen innenpolitischen Widerstand beendet und dortige jüdische Siedlungen durch den Staat Israel zerstört, Israel in regelmässigen Abständen mit Raketenhagel aus dem Gaza eingedeckt wurde und wird; nichts davon, dass in Schulbüchern, die durch die palästinensischen Behörden herausgegeben werden, Kinder und Jugendliche mit Hass und Vernichtung gegen Israel indoktriniert und implizit zu späteren terroristischen Aktionen animiert werden etc. Es geht keineswegs darum, den Staat Israel als fehlerlos und unschuldig darzustellen. Aber Pamphlete solcher Art, die sich überdies mit dem Titel “Die Stunde der Wahrheit” schmücken, sind nichts mehr als billige Hetzschriften.

    • Florian Genath sagt:

      Es ist gewagt dem Pamphlet solche üble Absichten zu unterstellen, da es sich ja explizit von der von Ihnen beklagten Radikalisierung und dem Terrorismus distanziert. Indem Sie so etwas schreiben:

      “ein übles, von christlicher Liebe schwafelndes Pamphlet”,

      ziehen Sie das Doppelgebot der Liebe durch den Schmutz und offenbaren eine nicht gerade christliche Haltung.
      Sie verneinen durch Ihr Kommentar, dass es im Westjordanland und in Gaza Bewohner palästinensischer Nationalität gibt, die sich vom Terrorismus distanzieren und den friedlichen Weg des passiven Widerstands und zivilen Ungehorsams aus Liebe beschreiten, und sich die Versöhnung herbeisehnen.

      • stadler karl sagt:

        Ich stelle nicht den Anspruch, von einer christlichen Grundhaltung getragen zu werden. Da pflichte ich Ihnen bei. Aber ich stelle mich vehement gegen Ihre Behauptung, dass ich verneinen würde, dass es im Westjordanland oder in Gaza nicht auch palästinensische Menschen gebe, die sich ehrlich um Frieden bemühen und sich danach sehnen. Bloss befinden sich diese Menschen halbwegs in Geiselhaft der dortigen Macht-Eliten, genauso, wie es in Israel mancherorts Hoffnungsträger für ein friedliches Zusammenleben auch schwer haben.
        Wer aber in einem an den Weltkirchenrat gerichteten Dokument namens “Die Stunde der Wahrheit” einseitig und verzerrt den Staat Israel dazu aufruft, “von seinem Unrecht gegen uns abzulassen”, als ob das Unrecht a priori ausschliesslich und schwergewichtig auf Seiten des Judenstaates angesiedelt wäre und die Wurzel des Terrorismus allein in der Besatzung begründet wäre, wer einen Blogbeitrag verwirrend unter den Titel ” ‘Terrorismus’ oder ziviler Widerstand” setzt und die Wirklichkeit manipulierend umzudeuten versucht, wie dies auch in andern Medien leider passiert, wo terroristische Gewalttäter als “Widerstandskämpfer” bezeichnet werden, Anti-Terror-Operationen Israels als “gezielte Angriffe gegen Kinder” beschrieben oder Meldungen verbreitet werden von der Art “Israel bombardiert Ziele im Gazastreifen” ohne auch nur zu erwähnen, dass sich dieser Staat wieder einmal gegen Raketenterror aus Gaza wehren muss, wer die praktisch wöchentlichen terroristischen Angriffe auf völlig zufällige israelische Zivilisten mehr oder weniger ausblendet – ein Umstand, der ja auch auf diesem Forum praktisch kein Thema bildet – , kann nicht den Anspruch auf einen fruchtbaren Friedenswillen erheben.
        Während rechtsextreme national-religiöse terroristische jüdische Israeli in der Regel für ihre terroristischen Aktionen von der Justiz nach Möglichkeit zur Verantwortung gezogen werden, werden palästinensische Terroristen von der andern Seite gefeiert, in den Martyrium-Status erhoben und Kinder und Jugendliche in Schulen mittels fragwürdigen Lehrmitteln zu Hass und Gewalt gegen den jüdischen Staat angestiftet. Und in weiten Kreisen wird, im Verbund mit weiteren Todfeinden Israels, dem jüdischen Staat schlichtweg die Legitimation seiner Existenz nach wie vor abgesprochen.
        Im Übrigen ist es augenfällig, wie ausgerechnet auch teilweise christliche Kreise bei all den Widrigkeiten, die auf diesem Planet herrschen, sich in steter Regelmässigkeit immer so fokussiert und mit verengendem Blick mit Fehlhandlungen des jüdischen Staates befassen. Es sind lauter mediale Mosaiksteinchen, die unter ansprechenden Titeln wie “Menschenrechte” oder “christlicher Liebe” den Judenstaat als Hauptschuldigen hinstellen sollen. Selbst von Friedensbemühungen getragene oppositionelle Schriftsteller wie der verstorbene Amos Oz oder etwa David Grossman würden solch einseitiges Gebaren nicht gutheissen.

  • Pia Tschupp sagt:

    Beginnen wir, vorwärtszudenken, statt rückwärtszugrübeln. Die Vergangenheit lässt sich niemals ungeschehen machen. Geben wir der Zukunft eine Chance, damit Frieden nicht länger verhandelt werden muss, sondern eine Selbstverständlichkeit werden kann.

  • Es erreicht mich folgender Kommentar.Habe heute in einer Predigt zum Ersten Mal von „Entfeindungsliebe“ gehört (P. Lapide kenne ich allerdings schon lange). Damit nimmt man dem Fein den Wind aus den Segeln. Bin seit bald 10 Jahren in einen Erbstreit (samt Anwälten) mit meinem jüngeren Bruder verwickelt. Es dreht sich um eine wunderschöne Liegenschsft im Tessin. Sie wäre teilbar, aber wie? Es kommt zu keiner Einigung. Soll ich, wo ich hier wohne und mit viel Liebe u. Kosten ein verwahrlostes Grundstück wieder hergestellt hab, nun meinem Bruder, der bloss 2 – 3 x pro Jahr hierher kommt, das ganze (gegen Entgeld) überlassen? Wäre das „Entfeindungsliebe“? Bin ich dann „dr Gschiter“? Ihre Meinung interessiert mich. Danke!
    Meine Kurzantwort: Erbschaftsstreitigkeiten können Familien für immer spalten. Wenn es Weg gibt, sie zu beenden (auch mit eigenen Nachteilen!) kann dies den Familienfrieden retten.

  • Ich empfehle die folgende Abendveranstaltung
    Widerstandsfähigkeit in Palästina stärken

    Am 8.September 2023 bietet sich im Barfüesser Luzern die einmalige Gelegenheit, von zwei jungen, engagierten Palästinenserinnen direkt zu hören, wie sich ihre Unterstützungsarbeit für die Menschen in Palästina auswirkt.

    Auf Einladung der Kampagne Olivenöl aus Palästina berichten Diana und Hamza über die Bedeutung des fairen Handels für die Bauern vor Ort im zunehmend schwierigeren Umfeld des israelisch-palästinensischen Konfliktes.
    Sie arbeiten bei PARC/al-Reef (Palestinian Agricultural Relief Committees), dem palästinensischen Handelspartner der Kampagne. Diese Organisation unterstützt die Landwirtschaft in Palästina in vielfältiger Weise.

    Seit mehr als 20 Jahren leistet die Kampagne Olivenöl aus Palästina durch den Verkauf von Olivenöl und Zatar einen Beitrag zur Existenzsicherung palästinensischer Kleinbauern. Die Gewinne aus dem Verkauf fliessen zurück in humanitäre Projekte im Gazastreifen und der West Bank.

    Freitag, 8.September 2023 19:30 Uhr
    Pfarreizentrum Barfüesser
    Cafeteria
    Winkelriedstrasse 5
    6003 Luzern

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