Heinz Angehrn

Schweigen hilft wohl nichts II: Homophobie

«Und ich versteck mich hier in meiner kleinen Festung,
ich fühl mich sicher und geborgen
Und keiner hat den Schlüssel ausser mir.»
(»In einem Moment», deutscher Coming-Out-Kurzfilm)

Die unzähligen Berichte über Missbrauchs-Fälle bei Klerikern subsummieren ja alles Mögliche: Institutioneller Missbrauch, spiritueller Missbrauch, sexueller Missbrauch von erwachsenen Anvertrauten, Ephebophilie, Pädophilie. Als Ursache muss im katholischen Kontext das vermutet werden, was ich hier schon schilderte.

Die Reaktion der Rechtsaussen-Fraktion auf die Krise nun ist schockierend. Eigentlich begann es, als Papst Benedikt (wohl selber ein Betroffener) die sexuelle Revolution im Gefolge der 68er-Bewegung als eigentliche Ursache für moralischen Zerfall jeder Art und damit auch für die Missbrauchs-Krise ausmachte. Das machte er wohlverstanden in der Zeit um 2010, 40-60 Jahre nach der Zeit, in der die meisten nun dokumentierten Übergriffe stattfanden. In seinem Gefolge nun fallen die Kanäle (wie unser Korrektor swiss-cath.ch) über die LBGTQ-Bewegung her und machen sie für die Krise verantwortlich. Das ist unglaublich, unanständig, unethisch und macht den Bock zum Gärtner.

Ein Beispiel gefällig? Swiss.cath. (»Mit spitzer Feder») nennt Franz Sabo kurzerhand einen Pädophilen. In diesem von kath.ch (und RR!) gründlich aufgekochten Fall ging es aber um schwule Ephebophilie. Ein junger Priester verguckte sich ethisch völlig unangemessen in einen 17jährigen mit gleicher Neigung wie er. Dies war und ist kein anderer Fall als die schon vergessenen jungen Vikare/Kapläne, die sich in Ihre Blauringleiterinnen verguckten (und die dann später heirateten, Namen sind bekannt) oder auch mein hochgeschätzter Kanti-Lehrer.

Aber nein: Wieder sind die Schwulen an allem schuld, wieder werden ihnen Attribute wie pervers bzw. pädophil angehängt. Haben wir vergessen, wie die NS-Diktatur mit dem Thema umging? Wollen wir neue Akten anlegen, welche Priester und Seelsorger in Frage kommen?

Ich habe ehrlich gesagt die Nase voll. Den Bock nicht zum Gärtner machen hiesse: Anerkennen, dass über 30 Prozent der Priester homosexuell fühlend sind. Anerkennen, dass die Institution das schon immer wusste und von ihnen profitierte (denn sie machten ja keine unerwünschten Kinder). Anerkennen, wieviel Leid hier angerichtet wurde, wie viel Verdrängung, wie viel falsche Sublimation. Ja und auch: Sich endlich entschuldigen, nicht nur bei den jungen Männern, die ihnen in die Quere kamen, sondern bei ihnen selbst.

Wir sind nicht an dieser Krise schuld. Wir sind aber ein Rädchen in ihrem grossen jahrhundertealten Zahnwerk. Und wir wollen eins:

«Ich komm raus aus meiner kleinen Festung,
will mich nicht länger nur verstecken.»
(a.s.O.)

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  • : pixabay.com
24. Oktober 2023 | 06:00
von Heinz Angehrn
Lesezeit: ca. 2 Min.
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6 Gedanken zu „Schweigen hilft wohl nichts II: Homophobie

  • Hansjoerg sagt:

    Leute wie N. Herzog sind mitschuldig, dass die Missbrauchstaten, resp. Missbrauchsverbrechen innerhalb der kath. Kirche immer so weiter gehen werden. Mit ihrer sehr konservativen und rückwärtsgerichteten Haltung bremsen sie bewusst viele der notwendigen Reformen.

    Beim Lesen der verschiedenen Texte unter “Spitzer Feder” von swiss-cath fällt zudem auf, dass ein riesiger Klumpen an Neid vorhanden sein muss. So wird der ehemalige Redaktor von kath.ch, Herr Rauch, der nun im Sonntags Blick rund 330 000 Lesende erreicht regelmässig diffamiert. Nahezu in jedem Text sind Bezeichnungen wie “vom grossen Kanton”, “eingewandert”, “teutonisch”, zu lesen, oder es wird herablassend von Wirtschaftsredaktor geschrieben.

  • stadler karl sagt:

    Ich würde Ratzinger als Förderer der Homophobie keineswegs so in den Vordergrund rücken, auch wenn er für eine eher konservative Denkungsart steht. Letztlich hat er nur Standpunkte vertreten, welche durch die Kirche bis dahin immer schon vertreten wurden, zu meiner Jugendzeit in den sechziger Jahren, aber auch bereits zu Zeiten der Frühkirche. Man lese nur den Kommentar von Origenes zum Römerbrief, also ungefähr hundertfünfzig Jahre nach dessen Abfassung. Ratzinger war halt ein Naturrechtler, genauso wie auch Bergoglio sich als Naturrechtler in seinen Verlautbarungen versteht. Dessen vollzogene Approbation des Dokuments “Ratio Fundamentalis Institutionis Sacerdotalis” im Jahre 2016 spricht Bände für das diesbezügliche kirchliche Denken auch unter dem jetzigen Pontifikat, wenn man sich Ziffer 199 vor Augen führt. Da spricht genau derselbe Geist, den die Kirche seit eh und jehm, über Jahrtausende, in die Gesellschaft ausgestrahlt hat, zum Leidwesen unzähliger Menschen. Wenn Ratzinger einmal mehr als der Bösewicht herhalten muss: Ja, es trifft zu, dass es in Deutschland im Gefolge der 68er Bewegung politische Kräfte gab, die in ihrem Parteiprogramm die faktische Abschaffung des § 176 StGB als politiches Ziel führten und dies erst anfang der neunziger Jahre aufgaben. Damit soll nicht gesagt werden, dass es innerkirchlich hautsächlich nur deswegen sexuelle Missbräuche gegeben hätte. Aber es ist ein Hinweis auf den Geist, der während einer gewissen Zeit teilweise präsent war.
    Die Theologenschaft will es bekanntlich nicht wahrhaben, lacht einen wohl nur aus. Aber statt sich um eine Reform der kirchlichen Sexualmoral zu bemühen, wäre es vielleicht angezeigter, wenn diese Institution sich dieses Sachgebietes endlich entledigen und es den Menschen ihren je eigenen autonomen Entscheidungen anheim stellen würde. Die Regelung und Sanktioinierung schadenstiftender Devianzen möge dem staatlichen Recht, insbesondere dem Strafrecht als Gegenstand überlassen werden.
    Die Kirche wäre dafür aufgerufen, vermehrt über ihren “Wahrheitsbegriff” zu reflektieren.

  • Michael Bamberger sagt:

    Schwere Vorwürfe gegen den katholischen Klerus Spaniens: Missbrauchsfälle seien jahrzehntelang geleugnet und Täter geschützt worden. Ein 777-seitiger Bericht spricht von mehr als 200.000 betroffenen Personen.” (katholisch.de, 27.10.23)

    • Hansjoerg sagt:

      In Spanien 200 000 Missbrauchstaten.
      In Frankreich 330 000 Missbrauchstaten.
      In Portugal 4800 Missbrauchstaten (Durchschnittsalter der Opfer 11 Jahre)

      In der Schweiz 1002 Missbrauchstaten.
      Liebe Leserinnen und Leser, setzen Sie die Anzahl Taten mal ins Verhältnis der Anzahl Einwohnenden der einzelnen Länder. So ist klar ersichtlich, die die Studie der Schweiz nur die Spitze des Eisberges offen legt.

  • Heinz Angehrn sagt:

    Uups … they (swiss.cath.ch) did it again (ganz frisches Originalzitat zur Churer Handreichung):

    “Danach folgen jedoch wieder Worthülsen, die wir im Zusammenhang mit dem synodalen Prozess nur zu gut kennen: «Wir leben eine Kirche, die alle Menschen willkommen heisst und wertschätzt. Alle werden, unabhängig von Geschlecht, Sexualität, Lebensform, sozialem Status, Nationalität, Kultur oder der je eigenen Einstellung zum Glauben, vorurteilsfrei geachtet.» Also werden zukünftig auch Pädophile, Vergewaltiger oder Kriegsverbrecher im Bistum Chur «vorurteilsfrei geachtet» und «wertgeschätzt»?”

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