Heinz Angehrn

Schockstarre?

So muss ich das Schweigen meiner Mitbloggenden deuten. Was sind wir denn: hilflos-überfordert, verärgert, verstummt, bockig? Das ist doch unser unwürdig. Umgekehrt bewirft uns ja das Medium, für das wir hier bloggen, im Halbtages-Rhythmus mit immer neuen Infos und Stellungnahmen. Soweit wir erkennen können, war es (das Medium) aber auch selber an dieser, «DomkapitelLeaks» benannten, Aktion beteiligt.
Ob dieser Schockstarre-Situation muss ich mich nochmals äussern, ich kann nicht anders. Ich hoffe auf Reaktionen, Ideen, Vorschläge.

Der Schreibende befindet sich ja in einer der beiden ihm verbliebenen Kirchen-Tätigkeiten, dem Vorsitz der Redaktionskommission der Schweizerischen Kirchenzeitung, in einer eher heiklen Situation. Bei der Neuausrichtung des Auftritts der SKZ, wie sie nun vor bald drei Jahren begonnen hatte, war es ein Zeichen eines kleinen Neubeginns, auch eine gewisse Hoffnung, dass auch die Vertreter des Bistums Chur sowohl bei der inhaltlichen wie der personellen Neuausrichtung mitarbeiteten und ihre Präferenzen mit einfliessen liessen. Schon damals wurde das vom kritischen Flügel misstrauisch beäugt, ich selber fing Schelte ein. Ich habe mich – das werden die Mitglieder der Herausgeberkommission hoffentlich unisono (…) bestätigen – sehr darum bemüht, dies in der Tagesarbeit ständig zu bedenken und umzusetzen. Ich war und bin weiterhin der Meinung, dass knapp ein Drittel des Deutschschweizer Klerus (der Priester also, nicht der Diakone und nicht der Pastoralassistenten/innen) zum «neo-konservativen» Flügel zu zählen ist, eine Ausrichtung, die eine stärkere Treue zum römischen Lehramt einfordert und dem dualen System – weil «dysfunktional» (ein Bonmot des abtretenden Herrn aus South Dakota) – ablehnend gegenübersteht. Auch diese Menschen mit ins Boot zu holen, das war eines der Ziele von nun drei Jahren seriöser theologischer und journalistischer Arbeit.

Doch nun dieser Eklat, diese gegenseitigen Vorwürfe, insbesondere aber – da kann ich nicht neutral bleiben – dieser offensichtliche Versuch, jeglichen Kompromiss, eine Art Aussöhnung zu hintertreiben und so den Zustand und damit das Ansehen der Deutschschweizer Kirche bewusst zu kompromittieren! Ich sage Euch/Ihnen (mit dem «Ihnen» sind die Mitglieder der SBK gemeint): Das Geschirr ist zerschlagen, den Schaden kittet Ihr nicht mehr. Mit der «Sache Jesu», sprich mit dem Reich Gottes und seinem Wachsen unter uns, hat das gar nichts mehr zu tun. Vielmehr zeigt die «sündige Kirche» ihr verbeultes und angeschlagenes Gesicht. Ein Trost nur, dass Papst Franziskus auffordert, immer wieder auch an solche defizitäre Ränder hinaus zu gehen. Auch mir hilft zurzeit nur dieser Ruf: Santo padre, hilf uns aus dem Schlamassel.

28. November 2020 | 06:00
von Heinz Angehrn
Lesezeit: ca. 2 Min.
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2 Gedanken zu „Schockstarre?

  • stadler karl sagt:

    Also unglücklich ist es gewiss, dass sich das Domkapitel nicht auf einen vorgeschlagenen Kandidaten einigen konnte. Immerhin hat wahrscheinlich Bergoglio sich diese Personen und weitere Namen, so gut dies überhaupt möglich ist, schildern lassen und hat sich, gewiss auch im Wissen um die Zerstrittenheit im Bistum Chur, für diese Liste entschieden. Dass bei Bergoglio ein Machtkalkül bei der Zusammenstellung der Liste eine Rolle spielte, halte ich eher für unwahrscheinlich. Mich dünkt, er wollte eher einen Beitrag zur Befriedung zu leisten, was ihm durch den unglücklichen Nichteintretensentscheid verwehrt wurde.
    Dass die Kirche sehr zerstritten ist, ist so aussergewöhnlich nicht. In der Politik ist dies halt viel einfacher: Da können die Menschen sich in verschiedene Parteien aufteilen und so ihre Interessen, aber auch weltanschaulichen Überzeugungen zum Ausdruck bringen. In der Kirche geht das nicht. Letztlich möchten alle Mitglieder dieser Konfession Anhänger des Nazareners und von dessen Anliegen bleiben, um das Leben zu bewältigen. Aber auch in unseren kulturellen Verhältnissen ist doch die Vielfalt der Kirchenmitglieder ja nicht viel weniger breit als im säkularen Bereich der Politik. Warum sollte also die Kirche ein völlig harmonisches Gebilde sein? Das wäre etwa ein Bestreben, das der Quadratur des Kreises ähneln würde. Insbesondere, wenn man sich zusätzlich vor Augen hält, dass sich die Kirche rund um den Globus erstreckt und Mitglieder aus veschiedensten Kulturkreisen sich in ihr beheimatet fühlen.
    Dieses Protokoll hätte gewiss nicht publiziert werden dürfen und es sollte auch nicht sein, dass jetzt auf kath.ch und weiteren Medien ganz gezielt dieser Konflikt am Köcheln gehalten wird. Am besten schiene mir, wenn nun abgewartet würde, was Franziskus aus dieser Situation macht. Der Befriedung wäre wahrscheinlich am ehesten förderlich, wenn er zu einer Ernennung schreiten würde. Und die hiesigen Kirchenmedien würden vorderhand am besten dieses Thema schlicht ruhen lassen und sich mit andern Themen beschäftigen.

    • Ein drittes Fenster öffnen

      Als Bischof von Rom und der Weltkirche könnte Franziskus ein drittes Fenster öffnen und helfende Hände anfordern. Wird er es tun? Die Spekulationen darüber sind müssig. In allen Regionen des Bistums Chur hofft man aber darauf. Zuflucht zu nehmen bei der Nothelferin Barbara, scheint mir eine der Möglichkeiten. Meine Gedanken und Bilder nehmen nur indirekt den bisher dokumentierten Konflikt im Bistum Chur auf. Mehr ist in dieser kirchengeschichtlichen Stunde nicht möglich. Warum nicht gleich am kurz bevorstehenden Barbara-Tag einen ersten Schritt zu einer radikalen Neubesinnung wagen?

      In kritischen Zeiten leben, lässt wenig Raum für Gottvertrauen. Was aber, wenn der Raum dafür eng wird, wie dies die Nothelferin Barbara laut der Legende erfahren musste? Barbara wurde vom eigenen Vater in einem Turm gefangen gehalten. Sie war schön und mit scharfem Verstand gesegnet. Und bewies Überzeugungskraft, als sie die Bauleute dazu brachte, im Turm ein drittes Fenster einzubauen, statt nur der zwei vom Vater angeordneten. Ihr lag an der Freiheit, sich mehr als nur zwei Dimensionen zuwenden zu können – nicht allein dem Blick auf die umliegende Landschaft, nicht allein dem Blick in eine trügerische Zukunft. Sie brauchte ihr drittes Fenster, um in ihrem Inneren nach Gott Ausschau zu halten. Das war ihr im Turm mit dem reduzierten Ausblick durch zwei Fenster nur beschränkt möglich. Froh darum, dass sie nach dem Ausharren und Wegsinken in den Erschöpfungs-Schlaf den Blick durchs dritte Fenster tun und neues Vertrauen schöpfen kann, gewinnt sie an innerer Kraft. Menschen brauchen Unterbrüche, Pausen, Aussichten auf Momente der Befreiung aus den Engpässen des Lebens.

      Im Advent der Zeit lassen wir uns Zwischenräume schenken. Und lernen trotz Einschränkungen und Begrenzungen den Blick nach vorne zu wagen. Worum es geht, lässt das Gedicht von Christian Morgenstern erahnen: Es war einmal ein Lattenzaun / mit Zwischenraum hindurchzuschaun. / Ein Architekt, der dieses sah, / stand eines Abends plötzlich da – / und nahm den Zwischenraum heraus / und baute draus ein grosses Haus. Dass solche Zwischenräume nicht zu Luftschlössern abseits von Armen und Hilflosen werden, lässt sich bereits am Architektur-Plan des Propheten Jesaja ablesen. Dieser sprach von einem grossen Haus, darin Gerechtigkeit und Frieden Eingang finden – vorgestellt weniger durch ein drittes Fenster als durch deutlich sichtbare Tore, die im Vertrauen auf Gott erst noch geöffnet sein wollen: «Öffnet die Tore, damit ein gerechtes Volk durch sie einzieht, ein Volk, das dem Herrn die Treue bewahrt. Sein Sinn ist fest; du schenkst ihm Ruhe und Frieden; denn es verlässt sich auf dich.» (Jes 26, 2 f.)

      Stephan SchmidKeiser, Stutzrain 30, CH-6005, St. Niklausen LU 30. November 2020

      Stephan Schmid-Keiser (* 1949) promovierte in Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie, war Geschäftsleiter der Missionskonferenz DRL, Zentralpräses des Schweizer Kolpingwerkes sowie Seelsorger und Gemeindeleiter im Bistums Basel. Nachberuflich übernahm er u. a. 2016/17 die Funktion als Redaktor der Schweizerischen Kirchenzeitung.

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