Auch Gottesdienst ist ein Ausdruck von Gottesliebe © Walter Ludin
Walter Ludin

Predigt über 4 Arten von Liebe

Böse Zungen behaupten: Wenn einem Prediger nichts mehr einfällt, spricht er über die Liebe. Allerdings ist es fast unmöglich, darüber etwas Neues, Interessantes zu sagen.

Nun, wenn ich heute über die Liebe predige, nicht deshalb, weil mir kein anderes Thema eingefallen wäre. Sondern weil es sich vom Evangelium her aufdrängt. Dort wird Jesus von einem Schriftgelehrten gefragt, welches das wichtigste Gebot sein. Die Gottes- und Nächstenliebe, ist die klare Antwort.

Befassen wir uns kurz mit der Gottesliebe. Ob ich Gott liebe, wurde ich kürzlich gefragt. Ich war etwas perplex und sagte schliesslich: «Ja, ich hoffe es.» Der Grund für mein Zögern: Ich wage nicht zu behaupten, dass ich Gott – wie es im Gebot heisst – liebe aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele, mit dem ganzen Denken. Vielleicht geht es Ihnen ja ebenso: Eine so radikale Gottesliebe hat kaum jemand.

Und doch: Wir haben die Möglichkeit, unsere Liebe zu Gott klar und deutlich auszudrücken. Nämlich, im Gottesdienst und im persönlichen Gebet. Ein Ausdruck unserer Liebe ist es, wenn wir Gott danken für all das Schöne und Gute, das er uns Tag für Tag schenkt.

Und nun zum ebenso wichtigen Gebot, unsere Nächsten zu lieben. Was dies bedeuten könnte, zeigt Jesus im Gleichnis vom Samariter und dem Mann, der unter die Räuber gefallen ist. Dieser, das bedeutet, ein Mensch, der Hilfe braucht, ist unser Nächster.

Wir haben es im Alltag wohl nie mit solch drastischen Fällen zu tun. Doch immer wieder kommt es vor, dass in unserer Umgebung jemand Hilfe braucht; oder dass jemand wartet, dass wir ihm Zeit schenken und ein gutes Wort. Oft kommen solche Hilfesuchende zu uns, wenn wir Ruhe brauchen oder mit Anderweitigem beschäftigt sind. Wenn wir dann unsere Herzen, Ohren und Augen für ihn öffnen, erfüllen wir dieses Gebot.

Und noch etwas Erstaunliches: Das zweite Hauptgebot heisst ja im Wortlaut: «Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.» Zählen wir doch einmal: 1. Gott lieben, 2. den Nächsten und dann 3. uns selbst. Dann kommen wir auf drei Hauptgebote. Gerade das dritte wird oft vergessen. Darum hat ein Freund von mir, der Basler Theologe Xaver Pfister, darüber ein Buch geschrieben und ihm den Titel gegeben: «Der vergessene Dreiklang.» Er zeigt, dass dieser dritte Klang Voraussetzung ist für die beiden anderen Klänge.

Selbstliebe hat mit Egoismus nichts zu tun. Psychologen und andere Menschenkenner betonen es: Wer sich nicht lieben kann, kann auch andere nicht lieben. Und: Wer sich nicht annehmen kann, kann andere nicht akzeptieren. Ähnliches wurde uns im Noviziat, im Einführungsjahr ins Klosterleben, schon vor über 50 Jahren beigebracht. Nämlich: Wer nicht geniessen kann, ist ungeniessbar. Vielleicht haben Sie auch schon diese Erfahrung gemacht …

Zum Schluss noch ganz kurz zu einer vierten Art von Liebe, die Jesus an anderer Stelle des Evangeliums von uns verlangt: die Feindesliebe. Nicht wenige haben damit Mühe. Für sie ist Liebe ein Gefühl und Gefühle kann man nicht befehlen. Einen Ausweg zeigt der jüdische Gelehrte Pinchas Lapide. Er formuliert das Gebot der Feindesliebe neu als Entfeindungsliebe: «Behandle deinen Feind, deinen Gegner so, dass er nicht dein Feind, dein Gegner bleibt.»

Mein Vorschlag: Versuchen wir es doch! Es könnte sich lohnen.

Predigt Kapuzinerkloster Schwyz, 29. Oktober 23

Auch Gottesdienst ist ein Ausdruck von Gottesliebe © Walter Ludin
2. November 2023 | 10:57
von Walter Ludin
Lesezeit: ca. 2 Min.
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5 Gedanken zu „Predigt über 4 Arten von Liebe

  • Bernhard Erb sagt:

    Hei, das ist ein toller Text, Predig
    Kurz, einfach verständlich und klar. Moralinfrei.
    Das wäre kichlicherseits öfters nötig.
    Liebe Latte
    Ich hoffe Dir geht es gut.
    Herzlich Bernhard

    • Die Liebe Gottes – Leserbrief – Münchner Merkur – 3. November 2023
      In Rom wurde viel und auch ehrlich diskutiert, keine Frage. Was aber weiterhin auf der Strecke bleibt, ist der Mensch. Es ist kaum zu fassen, dass die Institution katholische Kirche seit 1000 Jahren vorgibt, nur aus zölibatär lebenden, überirdischen Männern zu bestehen. Folglich existieren nach Lehre der Kirche keine Frauen – um es deutlich zu sagen: keine Frauen an der Seite eines Priesters! Was heißt ROMTREU? Es heißt weiterhin, wie seit 1000 Jahren, Frauen und Kinder der Priester verleugnen und so an der Liebe Gottes schuldig zu werden. Gnade den Verantwortlichen!
      Ilse Sixt Oberpframmern.

      • stadler karl sagt:

        Nein nein, so streng ging es in diesen tausend Jahren längst nicht immer zu und her und Frauen und Kinder an der Seite eines Priesters wurden keineswegs immer als inexistent verleugnet, zumindest, solange als die Gläubigen sich rational vom Verstand und nicht von irgendeinem Dogma leiten liessen. Als der Erzbischof von Mailand, Carlo Borromeo, im Zuge der Gegenreformation sich zu einem pastoralen Besuch in Uri aufhielt, stellte ihm der Pfarrer von Altdorf seine stattliche Kinderschar vor. Die Urner hatten zumeist für die Seelsorge keine eigenen Priester zur Verfügung und mussten sich auswärts umsehen, damit sie die damals wenigen Pfarreien besetzen konnten. Da es offenbar für den damaligen weltlichen Klerus nicht sonderlich attaktiv war, sich um eine Pfarrei in diesem Bergtal zu bemühen, wurde sich bewerbenden Pfarrherren auf Anhieb das Urner Landrecht (Bürgerrecht). Ich meine, es gibt in diesem Zusmmenhang aus dem 17. Jahrhundert einen Beschluss der Urner Landsgemeinde, der dahingehend lautete, dass Pfarrherren, die von auswärts kamen, “das Urner Landrecht zu erteilen sei, und ebenso seinen Kindern, sofern er denn welche hat”. Damals war der kirchenrechtliche Zölibat gewiss schon längstens in Kraft.

  • Urs Hofmann schreibt mir zu einem ältern Blog über Israel/Palästina. Ich platziere seinen bedenkenswerten Kommentar hier, da ältere Blogs nicht mehr häufig angeschaut werden
    Geht es um Hauptschuld? Wer ist schlimmer? Wer hat angefangen? Ich denke nicht, dass diese Fragen weiterhelfen. Was mir auf beiden Seiten weitgehend fehlt ist das Entsetzen über den durch die eigene Seite verursachten Terror. Die grässlichen Taten der Hamas müssten ein Entsetzen auslösen in den arabischen Ländern, keine Freudenfeiern. Gleichermassen entsetzt müsste das Israelische Volk reagieren auf die Behandlung der palästinensischen Bevölkerung durch die radikalen jüdischen Siedler. Wenn Frieden werden soll, müssen beide Seiten gegen jegliches Frieden verhinderndes Verhalten in den eigenen Reihen vorgehen, beide Seiten müssen das Existenzrecht des anderen Volkes im Land unbedingt anerkennen und die Ideologien, die das Land nur einer Partei zuschreiben möchten, verbieten. From the river to the sea, Palästine and Israel will be free.

    Nun besteht ein ungleiches Kräfteverhältnis: Israel ist Palästina militärisch, organisatorisch und wirtschaftlich massiv überlegen. Palästina kann auf seine Ohnmacht nicht verzichten, Israel hingegen könnte sich von allen Impulsen, seine Macht zu missbrauchen, distanzieren. Und das wäre ein notwendiger Schritt zu einem Frieden. Wenn Israel Frieden will, kann es den ersten Schritt machen und damit beginnen, sich strikt fair zu verhalten. Das heisst nicht, dass sich Israel gegen Attentate nicht schützen darf, doch das müsste massvoll geschehen und immer mit dem Ziel, Palästina zu ermächtigen, sich selbst zu disziplinieren. Solange bis der Hass in Palästina abgeebbt ist. Es müsste Israel ernst sein, den Frieden zu wollen, Israel müsste Terroraktionen – eigene und fremde – wie Verbrechen behandeln und verfolgen ohne Kollateralschaden an Unbeteiligten hinzunehmen.

    Die jetzige Regierung ist weit weg von solchen Haltungen, vermutlich ist es auch der weit grössere Teil der israelischen Bevölkerung. Und hier zeigt sich bei mir etwas, was als Antisemitismus missverstanden werden könnte, aber das Gegenteil ist: Dieses Volk, das so grossartige Denker:innen hervorgebracht hat, welche die westliche Kultur in so vielem prägte… es enttäuscht mich. Ich traue Israel ein besseres Verhalten zu, erwarte das sogar, gerade weil das jüdische Volk so viel gelitten hat und so brutal unterdrückt und verfolgt wurde, über Jahrhunderte, in aller Welt. Ich erwarte Empathie mit den Unterdrückten, ich erwarte den unbedingten Verzicht darauf, andere in ein Ghetto zu drängen und zu schikanieren. Ich erwarte wohl zu viel… kann auch das verstehen und doch – ich bin enttäuscht, seit Jahrzehnten.

    Von Martin Buber hiess es in einer alten Doku, er sei die Seele seines Volkes gewesen, doch sein Volk wollte ihn nicht. Und an seiner Beerdigung hätten mehr Palästinenser:innen teilgenommen als Israeli:nnen. Es wäre wichtig, dass auch heute Menschen beider Völker gemeinsam trauerten über die Opfer beider Seiten. Das ist wohl für längere Zeit eine Utopie, auch wenn es vereinzelte Ausnahmen gibt. Umso wichtiger scheint es mir, dass wir Aussenstehende mit beiden Seiten leiden und das Unrecht auf beiden Seiten als solches benennen.

  • Dazu kann ich nur sagen: EIN FREUND DER MIR DEN SPIEGEL ZEIGT, DEN KLEINSTEN FLECKEN NICHT VERSCHWEIGT, MICH FREUNDLICH WARNT, MICH DEUTLICH SCHILT, WENN ICH NICHT MEINE PFLICHT ERFÜLLT, DER IST MEIN FREUND!

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