Nach jedem Sonnenuntergang gibt’s einen Aufgang © Walter Ludin, 2016
Walter Ludin

Ostern: Hoffnungen und Aufgaben

Aus bekannten Gründen kann/muss/darf ich dieses Jahr keine Osterpredigt halten. Damit in meinem Blog trotzdem Ostern stattfindet, hier drei Stimmen. Ich erlaube mir, mit einem kurzen Auszug aus einer meiner frühern Osterpredigten zu beginnen.

«Manchmal stehen wir auf

Stehen wir zur Auferstehung auf

Mitten im Alltag.                           (Marie-Louise Kaschnitz)

Ja, wie kann «Auferstehung» im Alltag aussehen? Einige Beispiele:

  • Wenn wir den Egoismus überwinden und nicht nur das tun, was uns nützt (vgl. Solidarität!).
  • Wenn wir die Resignation überwinden: «Da kann man nichts tun …»
  • Wenn wir in einer schweren Krankheit oder in einer «zerrütteten» Situation die Hoffnung nicht aufgeben («Nun wird sich alles, alles wenden …» L. Uhland). 

Die Welt nachhaltig verändern

Die reformierte Kirche von Kriens schickte auf Ostern die 36-seitige Broschüre «Ich bin bei euch bis ans Ende der Welt» von Pfarrer Peter Willi an ihre Mitglieder. Hier ein kurzer Auszug:

Die Wirklichkeit der Auferstehung hat das Potenzial, die Wirklichkeit  in dieser Welt nachhaltig zu verändern, einfach indem Menschen, denen Auferstehung etwas bedeutet, sich für das Leben einsetzen und den Mut aufbringen, Tod und Verderben, Vernichtung und Angst, Zerstörung und Verfolgung furchtlos und vertrauensvoll die Stirn zu bieten.

Ostern ist ein Frühlingsfest (ebenso wie das jüdische Passafest). Es verheisst ein Wiederaufblühen des Lebens auch in Zeiten der Verzweiflung und der Dunkelheit.

Volltext: https://www.reflu.ch/kriens/ueber-uns/News         Anklicken: Ich bin bei euch bis ans Ende der Welt.

Die Kirche als «Lazarett»

Mein E-Mailfreund Heinrich D. aus Hildesheim schickte mir einen Vortrag des Prager Theologen Tomáš Halík. Einige Sätze daraus, im Anschluss an die Forderung von Papst Franziskus, die Kirche solle ein Lazarett sein.

Wenn die Kirche ein «Lazarett» sein soll, soll sie auf jeden Fall gesundheitliche, soziale und karitative Dienste anbieten, wie sie das seit Anbeginn ihrer Geschichte tat. Die Kirche soll jedoch wie ein gutes Krankenhaus noch weitere Aufgaben erfüllen: die Diagnose (»die Zeichen der Zeit» zu erkennen), die Prävention (Gesellschaften, in denen sich die bösartigen Viren der Angst, des Hasses, des Populismus und des Nationalismus verbreiten, zu immunisieren) und die Rekonvaleszenz (durch die Vergebung die Traumata der Vergangenheit aufzulösen.

Frage von WLu zum Überlegen: Was könnten diese drei Aufgaben konkret bedeuten?

Bildquellen

  • Nach jedem Sonnenuntergang gibt’s einen Aufgang © Walter Ludin, 2016: Bildrechte beim Autor
Nach jedem Sonnenuntergang gibt’s einen Aufgang © Walter Ludin, 2016
11. April 2020 | 19:41
von Walter Ludin
Lesezeit: ca. 2 Min.
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2 Gedanken zu „Ostern: Hoffnungen und Aufgaben

  • stadler karl sagt:

    Vielleicht bin ich blind für tiefer reichende Überlegungen und solchen Gedanken schlicht nicht zugänglich, weil einem das Verständnis abgeht, das Sensorium fehlt, der Sinn für komplexere und tiefere Zusammenhänge. Diese Logik des Erlösungstodes und der Auferstehung will einfach nicht greifen. Dieses Narrativ kommt einem manchmal ein wenig vor wie die Winkelried-Sage, wo in tödlicher Gefahr und Not jemand die Übrigen vor dem Abgrund rettet, indem er sich in den Tod stürzt.
    Die Darstellung als solche, der Konflikt zwischen Jesus als sozial-kritischer Prediger und jüdischer Autorität, die sich einer teilweise völlig andern Situation gegenüber sah, die vermutlich sehr unfaire Ingangsetzung eines Strafprozesses, die Vollzugsfunktion der römischen Besatzungsmacht, ja, das alles erweist sich sehr eingänglich. Aber warum braucht es einen “Erlösungstod”? Das Narrativ einer Auferstehung? Auch im Kontext der jüdischen Opferrituale bereitet dieser Gedanken Schwierigkeiten. Gerade das zentral Christliche erscheint so schwer verständlich?
    Es ist ja nicht so, dass nicht auch damals der Gedanke von Not und Elend, von Hoffnung auf Erleichterung und die Sehnsucht nach einem glücklicheren Dasein nicht in verschiedensten Kulturen präsent gewesen wäre. Die Suche nach einem Weg, schwierige Schicksale und Situationen irgendwie zu überwinden, zu bewältigen und Hoffnung nicht aufzugeben ist doch ein Phänomen, welches wahrscheinlich zu den anthropologischen Universalien zu zählen ist, gänzlich kulturübergreifend. Vielleicht hat letztlich alles Religiöse gerade darin seine Wurzel. Es hat meiner Überzeugung nach mit Kontingenzbewältigung zu tun. Ein Gedanke, der in der philosophischen Literatur oftmals anzutreffen ist. Insofern scheint mir das jüdische Pessachfest auch viel nachvollziehbarer, ein Gedenkfest an den Auszug aus Ägypten, an die Befreiung aus einer langen Knechtschaft und über weite Strecken einem langen Leiden. Gewiss: Auch Ostern beinhaltet doch ein ähnliches Gedenken. Aber warum der “Erlösungstod”? Auch im Hellenismus war dieser Gedanke lebendig, nicht zuletzt in der Stoa, wo das Fatum, die Moira, teilweise als ein Phänomen weltumspannender Zusammenhänge verstanden wurde, wo Knechschaft auch Leidenschaft und innere, nicht vernunftgemässe Haltung bedeuten konnte. Darum vielleicht auch das kosmopolitische Moment, das die Stoa von allem Anfang, Jahrhunderte vor der Entstehung des Christentums, in sich trug. Ich glaube nicht, dass die Sehnsucht nach Erlösung, nach Befreiung, nach Erleichterung, aber auch Hoffnung, kurz, das Messianische, etwas ist, das das Judentum oder das Christentum besonders charakterisiert. Vielleicht zeichnet diese beiden Religionen aus, dass sie diese Hoffnung einfach in personlisierter Form hegen?
    Aber immerhin: Bergoglio feierte gestern die Osternacht völlig schlicht, ohne Brokat und Schleppen und sonstigem Brimborium, ohne theatralisches Beiwerk, aber begleitet von einem kleinen Chor, der die Liturgie mit wundervollen Gesängen umrahmte. Diese Feier konnte gar einen als Aussenstehenden beeindrucken und inspirieren.

  • Michael Bamberger sagt:

    Der Deutsche Philosoph Herbert Schnädelbach schrieb bezüglich Blutopfer (Erlösungstod) im Jahr 2000 in seinem Essay „Der Fluch des Christentums“ folgendes:

    “Die ursprüngliche Botschaft der ersten Christen lautete: “Er ist auferstanden.” Welchen Sinn hatte dann seine Kreuzigung? Die Auskunft des Paulus lautet: “Wie nun durch eines Sünde die Verdammnis über alle Menschen gekommen ist, also ist auch durch eines Gerechtigkeit die Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen gekommen” (Röm. 5, 18). Die Gerechtigkeit dieses einen aber ist für das Neue Testament keine andere als die des leidenden Gottesknechts nach Jesaja 53, 4 ff., der sich wie ein “Lamm” zur “Schlachtbank” führen lässt und sein Leben zum “Schuldopfer” hingibt. Das Christentum fasst die Erlösung von der Erbsünde im Sinne des alten jüdischen Sühnerituals, in dem ein Schaf zum “Sündenbock” gemacht wird, als das Sühnopfer eines unschuldig Gekreuzigten, der “unsere Sünden … hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz” (1. Petrus 3, 24). “Das Blut Jesu Christi … macht uns rein von aller Sünde” (1. Johannes 1, 7) – im Pietismus und seinen Liedern wurden daraus wahre Blutorgien. Seit dem späten Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert ist die christliche Ikonografie eine Welt von “Blut und Wunden”. Die Maler und Bildner können sich gar nicht genug tun in der grausigen Darstellung der Leiden Christi und der unzähligen Märtyrer. Warum hängt ein sterbender Gehenkter in allen Kirchen und bayerischen Schulstuben – und nicht ein Auferstandener? Warum genügt nicht ein Kreuz als das paradoxale Zeichen der Einheit von Niederlage und Sieg, von Erniedrigung und Erhöhung? Wieso müssen christliche Kinder vom ersten Schultag an vor Augen haben, was Kreuzigung physisch bedeutet? Der Grund ist: Das Christentum kann sich Glaube/Liebe/ Hoffnung nicht ohne Blut vorstellen; je blutiger, desto authentischer. Was wäre schon ein siegreicher gegenüber dem gegeißelten Jesus in der Wieskirche? Sicher wäre es überzogen, diese Bilderwelt mit heutigen Gewaltvideos zu vergleichen; die Vermutung aber, dies alles habe auch der mentalen Vorbereitung auf die Grausamkeiten im Namen Christi gedient, lässt sich nur schwer abweisen. Die antike Rechtspraxis der Folter wurde schließlich von Papst Innozenz III. im 11. Jahrhundert wieder eingeführt und erlebte durch die heilige Inquisition ihre perfide Vollendung. Was waren die Leiden der Gefolterten gegenüber den in den Kirchen dargestellten? Wo immer realistischere Cruzifixe zum optischen Alltag der Städte gehörten, konnten Geräderte vor den Toren verenden, ohne zu irritieren. Es ist nicht bekannt, dass das Christentum führend war bei der Humanisierung der Strafjustiz; die letzte europäische Schauhinrichtung veranlasste Papst Leo XII. 1825. Waren die Passionsgeschichte und die Märtyrerlegenden nicht außerdem die beste Einübung in die christliche Behandlung der Heiden und Ketzer? Immer noch sollen wir glauben, der Beitrag des Christentums zu unserer Kultur habe vor allem in der Humanisierung der heidnischen Menschen bestanden. Diese Fabel bestimmte auch über Jahrhunderte die Vorstellung christlicher Erziehung als einer Zähmung der als Sünder geborenen kleinen Wilden und musste überdies zur Rechtfertigung des Kolonialismus herhalten. In Wahrheit ist nicht bekannt, dass Kelten, Germanen oder Slaven Greuel vom Ausmaß des Massenmords Karls des Großen an den Sachsen, des Blutbads bei der Eroberung Jerusalems während der Kreuzzüge, des Strafgerichts über die Katharer oder der Untaten der südamerikanischen Eroberer begangen hätten; wenn das alles die Domestikation der “blonden Bestie” bezeugen soll, dann bezeugt es deren Misslingen. Tatsächlich stammt die Ritterlichkeit der Ritter aus der islamischen Welt und die Höflichkeit der Höflinge, das heißt des Adels und des aufsteigenden Bürgertums, aus der Wiederaneignung der Antike in der Renaissance. Hier liegen die Wurzeln des Humanismus, dem noch zu Beginn unseres Jahrhunderts alle katholischen Amtsträger im so genannten Anti-Modernismus-Eid abschwören mussten. Nicht nur den Menschenrechten ohne die Kautelen der Erbsünde, sondern auch der Menschlichkeit als Prinzip setzte das Christentum oft tödliche Widerstände entgegen; die Geschichte der Märtyrer des Humanismus ist wohl noch zu schreiben.”

    Dazu eine Anmerkung:

    Der biblische Jesus der Christen ist nicht irgendein Mensch, er ist Gott. Demnach hat Gott sein eigenes Sühneopfer mit sich selbst veranstaltet. In der Selbstversöhnung Gottes, in seinem Rechtshandel, dessen Währung Blut ist, agiert er zugleich als Gläubiger und als Vertreter der Schuldner. Und dieser Jesus lässt an der eigenen Planung seines Sühneopfers keine Zweifel, denn:

    „Zu dieser Zeit kamen einige Pharisäer zu ihm und sagten: Geh weg, verlass dieses Gebiet, denn Herodes will dich töten. Er antwortete ihnen: Geht und sagt diesem Fuchs: Ich treibe Dämonen aus und heile Kranke, heute und morgen, und am dritten Tag werde ich mein Werk vollenden. Doch heute und morgen und am folgenden Tag muss ich weiterwandern; denn ein Prophet darf nirgendwo anders als in Jerusalem umkommen.“ (Lk 13,31-33)

    „Jesus, der alles wusste, was mit ihm geschehen sollte, ging hinaus und fragte sie: Wen sucht ihr?“ (Joh 18,4)

    „Jesus antwortete: Der ist es, dem ich den Bissen Brot, den ich eintauche, geben werde. Dann tauchte er das Brot ein, nahm es und gab es Judas, dem Sohn des Simon Iskariot. Als Judas den Bissen Brot genommen hatte, fuhr der Satan in ihn. Jesus sagte zu ihm: Was du tun willst, das tu bald!“ (Joh 13,26-27)

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