Heinz Angehrn

Mariologisches

Der Rüffel, der kath.ch von der SBK anlässlich ihrer letzten Sitzung erteilt worden war und an dem sich die Rechtsaussen-Fraktion ergötzte bzw. über den der Katholische Presseverein sich enervierte, nahm im Kern Bezug auf Berichte von kath.ch zur Situation im Bistum LGF und zur Themenreihe zu den mariologischen Dogmen. Nun das erstere ist in unserem föderalen Land schon ein heikel Ding; dass die Medienseite der deutschsprachigen Mehrheit sich über quasi Missstände im grössten (fast ausschliesslich – der Sense-Bezirk macht das nicht besser) französischsprachigen Bistum mehrfach auslässt, ist politisch einfach ungeschickt. Für mich entsteht auch der unangenehme Eindruck, man/frau wolle suggerieren, dass es jenseits des Rösti-Grabens mehr Missstände und mehr Missbrauch gibt als bei uns. Warten wir alle doch besser den 12.September ab.

Der andere Kritikpunkt ist (ausnahmsweise!) ein dogmatischer und brachte die Bischöfe seitens ihrer frommen Fraktion in arge Verlegenheit. Annalena Müller war die «Täterin» mit ihrem «Crash-Kurs zu den Marien-Dogmen», erschienen in vier Passagen zu den Themen Gottesmutterschaft, Jungfrauengeburt, Unbefleckte Empfängnis und Aufnahme in den Himmel. Wenn ich seriös recherchiert habe, ist Frau Müller Historikerin und Journalistin, nicht Theologin. Naja, das war nicht geschickt von Euch, liebe Kollegen/innen, sie auf diese Reizthemen anzusetzen. Und nur schon die Idee vom «Crash-Kurs» hätte Euch aufhorchen lassen sollen.

Man(n) erlaube dem altgedienten Theologen Stellung zu beziehen und eine Auslegeordnung vorzunehmen:

1. Mariologie als Spezifikum katholischen Denkens
2. Die Differenz zwischen dem ersten und dem zweiten Jahrtausend
3. Die späteren Dogmen als reine conclusiones
4. Das wahre Skandalon

ad 1) Jede Religion und auch jede Konfession hat ihre Spezifika, die jenseits der alle Gruppe verbindenden Aussagen zur Gottesfrage bzw. zur Christologie (der Substanz) ihr ein eigenes Gesicht und Gepräge, quasi ein akzidentielles Wesen, geben, an dem sie immer und überall erkennbar ist, auf das sie auch stolz ist und sein darf. Dazu gehört im Katholizismus nebst der Heiligenverehrung und der hierarchischen Ordnung insbesondere die Mariologie (theoretisch) bzw. Marienfrömmigkeit (praktisch). Kein Katholizismus ohne Marienbilder, Mariengrotten und Rosenkränze. Vorsicht also, auf diesem Territorium unnötig Geschirr zu zerschlagen.

ad 2) Mit dem geistigen Rasenmäher fuhr Frau Müller über das gewichtige Faktum hinweg, dass die Lehre von der Gottesgebärerin und das Reden von der Jungfrauengeburt sehr frühe, alle christlichen Kirchen (Orthodoxie, Reformation, Anglikanismus, Freikirchen) verbindende Grundlagen unserer Religion sind, keine Akzidenzien, sondern harte Substanz. Die Dogmatisierungen in Nicäa und Ephesos sind verbindlich, nicht zur Disposition.

ad 3) Ganz anders sind die späten Dogmen der Neuzeit, dasjenige der Unbefleckten Empfängnis Mariens und dasjenige der Aufnahme in den Himmel, zu werten. Sie sind rein katholische Spezifika, Conclusiones im Katholizismus aus jahrhundertelangem Nachdenken über den Befund, den Schrift und Tradition geschaffen haben; man kann sie dogmatisierte Volksfrömmigkeit nennen. Mit ihnen hat unsere Kirche den verbindenden Boden mit den übrigen christlichen Kirchen (bei der unbefleckten Empfängnis den mit der reformierten Kirche, bei der Himmelfahrt mit allen ausser der Orthodoxie) verlassen. Trotzdem sind sie (im Sinne meines verehrten Lehrers Alois Müller) als mögliches und logisches Fortdenken zu sehen.

ad 4) Das eigentlich Stossende ist einzig, dass Pius IX. und Pius XII. bei ihren Dogmatisierungen bereits am Rande dessen, was man heute synodale Beteiligung nennt, agierten.

Bildquellen

  • : pixabay.com
3. Juli 2023 | 06:00
von Heinz Angehrn
Lesezeit: ca. 2 Min.
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3 Gedanken zu „Mariologisches

  • Stephan Schmid-Keiser sagt:

    Marienbilder und Kirchenbilder fordern heraus

    Die Bilder, welche sich die Menschen über die Jahrhunderte von Maria machten, prägten sich ein wie kostbare Medaillen. Maria wurde dann zum Beispiel die ganze «Menschheit» oder die ganze «Kirche» zugeordnet. Dass dies nicht ohne Belang für die Ökumene sein kann, belegt eine Erinnerung des evangelisch-reformierten Theologen Lukas Vischer (1926-2008), der nach seinem Besuch in der Kirche von Guernavaca (Mexico) 1971 seine Eindrücke notierte. Als hervorragender Christ habe der dortige Bischof schon vor dem Konzil manche Reformen eingeführt. Bei der Neugestaltung der Kirche seien die barocken Verzierungen, die die einfachen Linien der Architektur verdeckten, beseitigt worden.

    «Über dem Altar hängt jetzt freischwebend ein grosses Kruzifix, jedem sofort sichtbar, der in die Kirche eintritt. Vorne an der linken Vorderwand ist eine kleine Figur der Maria so angebracht, dass sie den Blick auf Christus richtet, den Rücken aber der Gemeinde zuwendet. Sie ragt kaum über die Gemeinde hinaus. Sie repräsentiert als die erste all jene, in deren Gemeinschaft die Gemeinde betet.»

    Dies ist eine konzise Beschreibung der Rolle, welche Maria im Geschehen einnimmt, das in den Gottesdiensten der christlichen Kirchen bis heute zum Ausdruck kommt. Spornt dies nicht zum Mitspielen an? Zudem sei daran erinnert, dass sowohl Lukas Vischer wie Alois Müller (1924-1991) das humanistische Gymnasium in Basel besuchten. Beide engagierten sich in der Ökumene. Alois Müller veröffentlichte dann 1980 im Grünewaldverlag sein weiterführendes Buch zur Mariologie unter dem Titel Glaubensrede über die Mutter Jesu. Versuch eine Mariologie in heutiger Perspektive. Ebenso weiterführend ist die Stellungnahme von Maria Eckholt als Dogmatikprofessorin in Osnabrück, welche 2018 das neue Fest «Maria, Mutter der Kirche» als theologische Weiterentwicklung der Frauenfrage in der römisch-katholischen Kirche kommentierte. https://www.kath.ch/newsd/neues-marienfest-ist-ein-statement-ueber-die-wuerde-der-frau/

    Dr. theol. Stephan Schmid-Keiser (ebenfalls ehemaliger Schüler von Alois Müller)
    Stutzrain 30, 6005 St. Niklausen LU

  • Frau Müller anzukreiden, dass sie nicht als Theologin die Mariendogmen beleuchtet hat, greift meines Erachtesn zu kurz: Sie hat deren Genese historisch korrekt eingefangen. Auch als feministische Theologin hätte ich es nict besser gekonnt! Diese Glaubenssätze sind ja eh alle männlichen Hirnen entsprungen und haben mit der Lebensrelität heutiger Gläubiger rein gar nichts zu tun.

    Ich widerspreche dem Autor, wenn er die Frauenfrage in der röm.-kah. Kirche als der der Anerkennung gleichgeschlchtlicher Liebe nachgestellt betrachtet.

  • Heinz Angehrn sagt:

    Zwar ist dieser Text schon neun Monate alt, und Frau Müller hat inzwischen ja die Stelle gewechselt/musste die Stelle wechseln. Wohl darum jetzt Ihre Intervention, Frau Gisler. Beachten Sie, dass ich nur kritisierte, dass man(n) diese Reihe einer Nichttheologin anvertraut hat. Bei einem Nichttheologen hätte ich gleich reagiert. “Geistige Rasenmäher” werden von Männern und Frauen benutzt. Und es geht um das Kerngeschäft der Theologie: Die Zuordnung und Wertung von Dogmatisierungen ist nicht nur innerkatholisch, sondern auch ökumenisch ein heikel Ding und muss auf jeder Ebene (erkenntnistheoretisch, biblisch, historisch, dogmatisch) seriös erfolgen.
    Das zum ersten Teil Ihres Beitrags. Ihren kurzen zweiten Satz mit dem Widerspruch kann ich so nicht stehen lassen. Beachten Sie meinen nächsten Blog-Beitrag (“Die Diskriminierung geht immer noch weiter”).

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