Das Schicksal der Kirche wird nicht nur durch Päpste bestimmt. © Walter Ludin
Walter Ludin

Ist die Kirche tot?

Vielen von Ihnen geht es sicher so wie mir: Ich mag das Jammern über die Kirche kaum mehr hören. Und doch: Wir dürfen nicht so tun, als ob es die Krise der Kirche nicht gäbe; oder besser gesagt: die Krise der Kirchen. Denn nicht nur die katholische, auch die evangelisch-reformierte leidet, zum Beispiel unter massiven Austritten.

Das alles ist nicht bloss das Problem von Kirchenfunktionären. Es geht uns alle an; jedenfalls alle, die nicht ausgetreten sind.

Zwei Bilder sollen dies zeigen. Das erste: Ein Pfarrer predigte über den Tod der Kirche. Er stellte sogar einen Sarg auf und lud die Gemeinde ein, einen Blick hineinzuwerfen. Und sie schauten – in einen Spiegel! Der Pfarrer drückte damit aus: Die Kirche seid ihr. Und: Wenn ihr den Glauben lebt, ist sie nicht tot.

Ein ähnliches Beispiel: Ist die Kirche tot? So fragten sich einige Leute. Ein Weiser nahm einen Vogel in die Hand und stellte die Gegenfrage: «Ist dieser Vogel tot?» Es war eine Fangfrage. Denn die Antwort war: «Wenn ich ihn fliegen lasse, lebt oder bleibt er am Leben. Aber, wenn ich die Hand zudrücke, stirbt er.»

Den Sinn der Geschichte erklärte der Weise mit den Worten: «Ob tot oder lebendig, liegt in unserer Hand.» Ja, die Zukunft der Kirche ist nicht ein unabänderliches Schicksal. Sie hängt auch nicht bloss vom Willen der Obern ob, in Rom, Chur oder Solothurn. Sie hängt auch vom Verhalten der Gläubigen an der sogenannten Basis ab. Sät man dort Resignation, wächst Verzagtheit und Zukunftslosigkeit. Sät man aber Hoffnung, kann Neues entstehen.

Und: Spätestens seit dem Konzil wächst die Einsicht: Glaube ist keineswegs bloss etwas Individuelles, Privates. Die nicht mehr ganz Jungen unter uns erinnern sich: Die traditionellen Volksmissionen standen unter dem Motto: «Rette deine Seele!» Inzwischen werden Glaubenden eingeladen, nicht nur ihr eigenes «Seelengärtlein» zu pflegen. Der Sinn des kirchlichen Lebens ist der Aufbau von Gemeinschaft. Und ebenso: Die Kirche hat die Aufgabe, Sauerteig in der Gemeinschaft zu sein.

Es gab eine Zeit und sie ist noch nicht so lange her, da meinte die Kirche, sie müsse das ganze Leben bestimmen: sozusagen Brot für die ganze Gesellschaft zu backen. Nun aber ist sie bescheidener, indem sie nach dem Wunsch Jesu als Sauerteig wirkt und zum Gelingen des Gebackenen beiträgt.

   Die lateinamerikanische Theologie der Befreiung hat mit Blick auf die Kirche den Begriff des «buen vivir» geprägt. Das Ziel ist ein gutes, geglücktes, befreites Leben für alle. Und dazu kann jede Pfarrei, können alle Gläubigen beitragen. So wird das Dorf, die Stadt bereichert. Und die Kirche lebt.

In diesem Zusammenhang die provokative Frage: «Würde sich an unserem Ort etwas ändern, wenn es keine Pfarrei gäbe? Würden die Menschen etwas vermissen?»

(Wort zum Sonntag bei Radio Central)

Das Schicksal der Kirche wird nicht nur durch Päpste bestimmt. © Walter Ludin
26. Mai 2023 | 10:20
von Walter Ludin
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!

3 Gedanken zu „Ist die Kirche tot?

  • Hansjörg sagt:

    Es ist einfach unglaublich schwierig, für eine Kirche einzustehen, die nicht alle Menschen gleichberechtigt und gleichwertig behandelt. Innerhalb der kath. Kirche sind Frauen quasi Menschen zweiter Klasse.
    Es ist zudem nicht nachvollziehbar, dass geschiedene Menschen, die eine neue Liebe gefunden haben, im Regelwerk der kath. Kirche als permanente Ehebrecher verurteilt werden. Mit normalem Menschenverstand ist nicht nachvollziehbar, weshalb bei heute rund 8 Mia. Menschen auf der Erde die aktive Verhütung verteufelt wird.

  • Michael Bamberger sagt:

    Mausetot ist die Kirche noch nicht, aber in unseren Breitengraden gewiss in einem erbämlichen Zustand, und das nicht bloss wegen dem horrenden hausgemachten Skandal des Missbrauchs und dessen Vertuschung.

    Ein Indiz der fortschreitenden kirchlichen Agonie: All dies hat sich über die Jahre, trotz teils heftigem kirchlichen Widerstand, in freien Gesellschaften durchgesezt:

    -MENSCHENRECHTE
    -MEINUNGSFREIHEIT
    -RELIGIONSFREIHEIT
    -PRESSEFREIHEIT
    -RECHTSSTAAT
    -FRAUENEMANZIPATION
    -FRISTENLÖSUNG
    -VERHÜTUNGSMITTEL
    – EHE / PARTNERSCHAFT FÜR ALLE
    -AUFHEBUNG DER SKLAVEREI
    -FOLTERVERBOT
    -ABSCHAFFUNG DER TODESSTRAFE
    -FREIHEIT DER KUNST
    -ABSCHAFFUNG DER PRÜGELSTRAFE
    -TIERRECHTE
    -ETC., ETC.

  • Michael Bamberger sagt:

    Dass eine derart verwerfliche Ideologie, wie z.B. die Jesuanischen Höllendrohungen, das Überleben der Kirche in einer aufgeklärten Gesellschaft nicht fördert, sollte eigentlich jedem einleuchten:

    • „Fürchtet euch vor dem, der nicht nur töten kann, sondern die Macht hat, euch auch noch in die Hölle zu werfen.“ (Lk 12,5)

    • „…und werden sie in den Ofen werfen, in dem das Feuer brennt. Dort werden sie heulen und mit den Zähnen knirschen.“ (Mt 13,42)

    • „Dann wird er sich auch an die auf der linken Seite wenden und zu ihnen sagen: Weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist!“ (Mt 25,41)

    • „Macht nur das Mass eurer Väter voll! Ihr Nattern, ihr Schlangenbrut! Wie wollt ihr dem Strafgericht der Hölle entrinnen?“ (Mt 23,31)

    • „Es ist besser für dich, verstümmelt in das Leben zu gelangen, als mit zwei Händen in die Hölle zu kommen, in das nie erlöschende Feuer.“ (Mk 9,43)

    • „Ihr habt den Teufel zum Vater und ihr wollt das tun, wonach es euren Vater verlangt. Er war ein Mörder von Anfang an“ (Joh 8,44)

    • Etc, etc,..

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst diese HTML-Tags und -Attribute verwenden:

<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.