Heinz Angehrn

Die Stimme, die fehlte – Drewermann spricht Klartext

Ich hatte (vor zwei Wochen) geschrieben, dass ich mich hier nicht mehr zu den Themen Missbrauch und Reputationsverlust der Kirche äussern werde. Daran halte ich mich. Aber nun hat sich (endlich!) die Stimme erhoben, die so lange gefehlt hat und die uns den Weg durch das Chaos weisen könnte. Eugen Drewermann nimmt Stellung, deutet, ordnet zu. Dies macht er (kaum ein Zufall) im neuen Vorwort zu seinem nach 30 Jahren (1989 erschienen) neu aufgelegten epochalen Wälzer «Kleriker». (Die Daten: 2019 Verlagsgemeinschaft topos plus, Kevelaer. S.I-LIX)

Ich erlaube mir darum, nun drei Mal (in den Einträgen zum 20.03., 27.03. und 03.04.) wesentliche Abschnitte seines Vorworts zu zitieren. Damit aber der Inhalt des damaligen Werks nicht verloren geht, hier noch in Kurzform (und darum völlig unangemessen reduziert) die Hauptthese von «Kleriker» (die sich – entgegen des allgemeinen Verständnisses – immer auf Weltpriester, Ordenspriester und weibliche Mitglieder von Ordensgemeinschaften bezog):

Durch die frühkindliche Prägung vieler Menschen, die später Priester, Mönch und Nonne wurden und durch die spirituell-theologische Erziehung, die sie erhielten, wurde ihr eigentliches Ich zerstört bzw. tief in der Kindheit zurückgehalten und durch eine übergestülpte Identität ersetzt, deren Hauptwesen es ist, sich als etwas ausserhalb der Normalität Stehendes, Geheiligtes und zugleich Beamtetes der Institution zu verstehen, die darum das Recht hat, ihm die Freiheit zu eigenem Denken und Entscheiden zu nehmen.

Diese Texte sollen uns erklären, was unter der momentanen Krise an Ungeheuerlichem ruht.
Hier nun das erste Zitat:

«Dieses Buch ist vor rund 30 Jahren entstanden, um denen zu helfen, die in der katholischen Kirche an der katholischen Kirche am meisten leiden: den Klerikern. Sie repräsentieren diese Kirche in ihren Gemeinden vor den Gläubigen, und sie stehen unter der Pflicht, ihrem Bischof zu gehorchen und die Lehren Roms unwidersprochen zu vertreten. Doch diese dogmatischen und moraltheologischen Lehren sind nicht nur reformbedürftig, sie sind in wichtigen Punkten irreführend und falsch … Insbesondere die Idealbildungen der Kirche mit ihren Forderungen nach Armut, Gehorsam und sexueller Enthaltsamkeit erheben in ihrer äusserlich genommenen Form einen Zustand erzwungener Entfremdung und Entpersönlichung in den Status göttlicher Erwählung und vorbildlicher Heiligmässigkeit. Das eigentlich Gemeinte verliert gleichwohl nicht seinen Wert: Innerlich ist es von entscheidender Bedeutung, sich in der Armut und Armseligkeit der eigenen Existenz umfangen und angenommen zu fühlen, es nach und nach zu lernen, auf die sanfte Stimme Gottes im eigenen Herzen zu horchen und eine Liebe zu lernen, die in ihrer persönlichen Zärtlichkeit der Sexualität ihre ursprünglich Unschuld zurückgibt. Doch wie weit ist der Weg, der von verordneter Entpersönlichung und Ich-Verlust zu reifender Ich-Stärke und zu einem Mehr an Selbstbewusstsein führt? Nicht etwas, alles müsste geistig in der katholischen Kirche sich ändern, um wenigstens die Tür zu diesem Weg der Freiheit aufzutun» (a.a.O., S.I)

 

 

20. März 2019 | 06:00
von Heinz Angehrn
Lesezeit: ca. 2 Min.
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3 Gedanken zu „Die Stimme, die fehlte – Drewermann spricht Klartext

  • Arnold Eichmann sagt:

    Man hat in Rom so viel Angst, die Kirche könnte zusammenbrechen, wenn man den Zölibat aufgibt. Aber es ist gerade umgekehrt: die Kirche bricht auseinander, wenn man den Zölibat aufrecht erhält, denn dann dauerst der gegenwärtige Zustand an, dass die meisten Priester mit einer (geheimen) Freundin leben oder paedophil sind und so die Glaubwürdigkeit der Kirche untergraben.

  • Hans Camenzind sagt:

    Man hat in der Kirchenleitung noch nicht beachtet,wie sehr sich die Gesellschaft verändert hat. Was früher unter Erwachsenen streng vertraulich geäussert wurde kann heute schon ein 10-Jähriger wissen. Zudem waren Priester früher dank ihrer Kleidung sofort zu erkennen und waren irgendwie aus dem Verkehr gezogen. Das alles stellt die Leitung vor Fragen welche sie eigentlich beantworten und entsprechend entscheiden müsste. Ganz abgesehen von der längst überfällige Frage der Stellung der Frau in der Kirche.

  • EdMönch sagt:

    Ich finde nicht, daß sich die Gesellschaft großartig verändert hat. Sicherlich, verfügt der Mensch heute über eine ausgefeite digitale Technik, die Informationen in windeseile verbreitet usw., aber das Wesen des Menschen hat sich nicht grundlegend geändert. Natürlich ist es schön zu sehen, wenn in teilen der Welt die Frau gleichwertig, gleichberechtigt wird oder auch schon ist. Es wäre ein großer Segen, auch für die Kirche; Geweihte Priesterinnen am Altar stehen zu sehen. Aber machen sie es besser?
    Die evangelische Kirche verliert in Deutschland auch jährlich viele Mitglieder, obwohl Frauen am Altar stehen und PastorInnen heiraten dürfen!
    Es geht also im Kern trotzdem wider nur um Macht! Alles das; was Jesus nie wollte.

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