Heinz Angehrn

Bloss ein Stammtischspruch?

Zur eidgenössischen Abstimmung

Ich sehe ja ein, dass in einem freien liberalen Land die Meinungsäusserungsfreiheit hoch gewichtet werden muss. Ich sehe ebenso ein – zumal ich ja weiterhin trotz aller Skepsis katholischer Theologe geblieben bin – dass dazu auch die Freiheit gehört, auf Grundlage religiöser und ethischer Überzeugungen Minderheitenpositionen vertreten zu dürfen. Ich selbst habe mich hier und andernorts etwa immer wieder gegen die Fristenlösung und die mit ihr verbundene Auffassung, dass nur die betroffenen Frauen über das Überleben ungeborener Kinder entscheiden dürfen, geäussert.

Aber die Anti-Rassismus-Strafnorm spricht nicht im geringsten davon, dass die seriöse freie Meinungsäusserung zu Themen, die gesellschaftliche Minderheiten betreffen, eingeschränkt werden soll. Es geht vielmehr um die unethischen Exzesse, die leider in solchen Diskussionen vorkommen können, die aber kein Kantianer je in Betracht ziehen würde, nämlich um:
– das Aufrufen zu Hass oder Diskriminierung
– das Verbreiten von Ideologien, die systematisch herabsetzen oder verleumden
– das öffentliche Herabsetzen und Diskriminieren

(Anwendung, wie ich in Artikeln aus den USA lese: Wenn aus einer religiös begründeten Ablehnung der Abtreibung heraus zu Gewalt gegen betroffene Frauen und ihre Ärztinnen aufgerufen wird.)

Die klassische SVP-Argumentation, dass mit der Strafnorm die freie Rede am Stammtisch gefährdet sei, scheint mir vor diesem Hintergrund lächerlich. Oder? Dürfen wir nicht davon ausgehen, dass an Schweizer Stammtischen nicht zu Hass und Diskriminierung aufgerufen wird und dass dort keine systematisch herabsetzende Ideologien verbreitet werden?

Noch schlimmer, dass auch religiöse (evangelikale und katholikale) Kreise sich in ihrer Meinungsfreiheit beeinträchtigt fühlen. Aber liebe Christen/innen: Als Jünger/innen Jesu werdet ihr doch gegenüber anders denkenden und lebenden Menschen nie zu Hass, Diskriminierung und Verleumdung bereit sein? Oder?

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19. Januar 2020 | 17:00
von Heinz Angehrn
Lesezeit: ca. 1 Min.
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Ein Gedanke zu „Bloss ein Stammtischspruch?

  • stadler karl sagt:

    Ich stimme Ihnen völlig zu, dass es bei Annahme dieser Vorlage nicht um die freie Rede am Stammtisch geht, solange diese nicht ideologisch aufgeladen zu Hass oder Gewalt ermuntert oder Schwule gezielt in ihrem Menschsein öffentlich herabmindert. Doch gewisse Grenzen muss auch ein Stammtisch, der etwas auf sich hält, respektieren. Anderseits, und das darf trotz aller politischer Korrektness gesagt werden, müssen die Homosexuellen wahrscheinlich keineswegs nur Stammtischgespräche fürchten. Ist den Medienberichten, beispielsweise der NZZ, zu glauben, dann haben in diesem Zusammenhang herabsetzendes Verhalten oder gar Gewalt gegenüber Homosexuellen im öffentlichen Raum nicht zuletzt auch mit dem Thema Migration zu tun.
    Und es ist noch nicht solange her, da hatte Bischof Huonder vor einigen Jahren mit einer Rede Deutschland anlässlich einer Zusammenkunft einer offenbar eher konservativen Gesellschaft auch hierzulande einen eigentlichen Shitstorm ausgelöst, weil er sich erlaubte, aus seiner persönlichen Sicht des Glaubens homosexuelle Lebensformen abzulehnen und diese seine persönliche Sichtweise mit einem Bibelzitat aus dem Levitikus zu untermauern suchte. Selbst wenn zuzustimmen ist, dass er dabei eine etwas unglückliche Formulierung wählte, ist nicht nachvollziehbar, dass in der Folge postwendend gegen ihn eine Strafanzege erstattet wurde. Wissen doch alle, dass Huonder den Schwulen so wenig ein Haar krümmen würde als die Leute von Pink Cross. Mit solche Lebensformen ablehnenden Glaubensauffassungen muss natürlich auch die LGBT-Bewegung wohl oder übel Vorlieb nehmen, solange dadurch keine Menschen in irgendeiner Form öffentlich diskriminiert oder in ihrem Dasein herabgewürdigt werden.
    Zitieren muss übrigens immer erlaubt sein, solange es auf korrekte Weise getan wird. Da gibt es nach meiner persönlichen Auffassusng absolut keinen verhandelbaren Spielraum. Aber bald einmal ist auch solches nicht mehr selbstverständlich. Wie heikel ganz allgemein solche und ähnliche Themen sind, zeigte sich gerade letzte Woche in Deutschland an der Johann Wolfgang Goethe-Universtität in Frankfurt. Da organsierte eine Gruppe von Frauenrechtlerinnen eine Veranstaltung zum Thema “Kopftuch”. Prompt wurde die Veranstaltung gestört, teilweise gar verhindert und eine Gruppe von Aktivisten schreckte nicht davor zurück, Prügelattacken zu starten mit der Begründung, es handle sich um eine rassisistische Hetzveranstaltung.
    Soweit kommt es halt, wenn die Menschen beanspruchen, allein die Deutungshoheit über die Früchte der Aufklärung zu besitzen. Das Muster gleicht sehr stark denjenigen von Glaubenskämpfen und religiösen Konflikten.

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