Der Weg ins Jenseits führt über den Tod,jüdischer Friedhof Miltenberg. © Walter Ludin
Walter Ludin

Wie sieht das Ewige Leben aus?

Wir haben es schon Hunderte von Malen gebetet. Und es steht fast jeden Sonntag auf dem liturgischen Plan: das Glaubensbekenntnis, in dem es am Schluss heisst: «Ich glaube an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben.» Genau dies ist das Thema des heutigen Sonntags. (Die Predigt wurde am vorletzten Sonntag in Luzern gehalten, ist aber immer noch aktuell!)  Es wäre interessant, was ihr euch darunter vorstellt. Ich werde nun erzählen, was mir dabei durch den Kopf geht.

Zuerst ein Wort des grossen reformierten Schweizer Theologen Karl Barth, das eher witzig ist. Er wurde gefragt: «Werde ich in der Ewigkeit alle meine Lieben wiedersehn? Die Antwort: «Ja, die Lieben, aber auch alle andern.» Nun, wir dürfen hoffen, dass wir den Menschen, die uns Mühe machten, versöhnt gegenübertreten können.

Ein zweites: Das ewige Leben wird so anders sein als das Leben hier auf Erden. Wir können es uns nicht vorstellen; besonders, weil für uns ein Zustand ohne Zeit und ohne Ort undenkbar ist.

Trotzdem: Immer haben Menschen sich bemüht, sich eine konkrete Vorstellung vom Leben nach dem Tod zu machen. Wer mal Bücher von Karl May gelesen hat, erinnert sich bestimmt noch: Die Indianer stellen sich das Jenseits als ewige Jagdgründe vor.

Und auch Jesus hat in Bildern gesprochen, wenn er vom ewigen Leben erzählte. Er brauchte die Vorstellung von einem Gastmahl mit auserlesenen Speisen und vorzüglichen Weinen. Das gleiche war schon im Alten Testament zu lesen. –

Wie auch immer das jenseitige Leben aussieht, wir gelangen nur durch den Tod dorthin. Sogar der ehemalige Bischof Hansjörg Vogel hat auf Allerseelen hin gestanden, er habe Angst vor dem Sterben. Für viele aber ist der Tod eine Erlösung von unsäglichen, fast unerträglichen Leiden. Sie sind darum dankbar, wenn sie spüren, dass das Leben mit all seinen dunklen Seiten zu Ende geht und ihnen – wie es in einem bekannten Gebet heisst, das ewige Licht leuchtet.

Ich denke: Wenn wir ein bestimmtes Alter erreichen, sind wir froh, wenn das irdische Leben nicht endlos so weitergeht. Unser Körper verbraucht sich, unsere geistigen Kräfte nehmen ab. Unvorstellbar, wenn dies kein Ende hätte.

Sie kennen sicher Erzählungen und Filme über die Vampire, die auch Untote genannt werden.  In seiner Rolle als Vampir hat dies Klaus Kinski im Film Nosferatu äusserst eindrücklich formuliert: «Es gibt viel Schlimmeres als der Tod. Schlimmer ist nicht-sterben können. Jahr für Jahr, Jahrhundert für Jahrhundert, jeden Tag dieselben Nichtigkeiten.»

Es geht Ihnen wohl wie mir: Die Vorstellung eines irdischen Lebens ohne Ende lässt mich erschaudern.

Die Aussicht, Jahrhundertelang zu leben, hat auch einen gesellschaftlichen Aspekt. Dies wird in einem Gedankenspiel ebenfalls eindrücklich dargestellt. Man stelle sich vor, Goethe würde 240jährig heute noch leben. Er würde jedes Jahr zwei-drei Theaterstücke schreiben. Jede Bühne im deutschen Sprachraum würde sie aufführen. Da gäbe es nur wenig Platz für jüngere Autoren. Friedrich Dürrenmatt beispielsweise hätte erst im Alter von 70 Jahren sein erstes Stück aufführen können.

Dieses erfundene Beispiel zeigt deutlich: Es ist sinnvoll ist, wenn die Älteren den Jüngern Platz machen. Für manche Betagte mag es schmerzhaft sein, von der Bühne des aktiven Lebens Abschied zu nehmen. Für die Gesellschaft jedoch ist es ein grosser Vorteil, der Fortschritte erst recht ermöglicht.

Zum Schluss: Wir sind von der Vision eines ewigen Lebens zur Einsicht gekommen, dass der Tod zwar eine nicht angenehme Vorstellung ist, aber zum Leben gehört. Für alles wollen wir dankbar sein: für das irdische Leben, für einen friedlichen Übergang ins Jenseits und für das ewiges Leben bei Gott.

Der Weg ins Jenseits führt über den Tod,jüdischer Friedhof Miltenberg. © Walter Ludin
16. November 2022 | 07:22
von Walter Ludin
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!

Ein Gedanke zu „Wie sieht das Ewige Leben aus?

  • Guten Abend Herr Ludin
    Aufregende Topic, der Tod. Was Barth und Vogel meinen, ist bei aller Tiefe immer noch subjektiv. Ich halte mich an die Vorstellung, dass der Mensch geistig ist, und sein Körper ein Irrtum, so wie eine ausgebrannte Raketenstufe. Der Geist lebt dann ohne Raum und Zeit, unvergänglich, aber immer noch veränderbar. Individuen gibt es dann keine mehr, aber Wahrscheinlichkeiten. Und wenn mein Anteil am Geistespool wieder neu zu Materie werden sollte, habe ich wohl kein Sechser im Lotto, aber vielleicht eine erneute Chance dazu.
    Ich finde das Leben schwierig, aber schön. Und sterben werde ich auch können wie alle andern auch; also, was soll das Spekulieren?
    Peter Kaufmann

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst diese HTML-Tags und -Attribute verwenden:

<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.