Chanukkia
Celia Gomez

Wie Rom Chanukka und Weihnachten feiert

Weihnachten verbringe ich mit meiner Familie. Immer. Dasselbe gilt auch für (fast) alle ItalienerInnen, die in der Schweiz leben und am 22. Dezember mit mir im Flieger nach Rom sassen, der beinahe aus allen Nähten platzte.

Heiligabend wird in meiner Familie italienisch gestaltet: Zum Abendessen gibt es Puntarelle, Pasta mit Lachs und Pandoro als Nachtisch. Am Weihnachtstag hingegen gibt es schweizer Käse-Fondue – auf ausdrücklichen Wunsch meines Bruders (dieses Jahr meinte er, das Fondue wäre sein schönstes Weihnachtsgeschenk). Nachdem das Haus stundenlang gelüftet und skeptische Fragen der Nachbar nach unserem Mittagessen beantwortet wurden, geht es in die Stadt zum «Flanieren».

In Rom soll es über 900 Kirchen geben und damit wäre Rom die Stadt mit den meisten Kirchen der Welt. Im «centro» sind am 25. Dezember einige Kirchen geöffnet, es werden Weihnachtsmessen gefeiert. Die Leute drängen sich auch noch am Eingang um den Worten des Priesters zu lauschen und um auf die Kommunion zu warten.

An der Fontana di Trevi herrscht wie an jedem Tag im Jahr grosses Gedränge. Obwohl es wegen den vielen fotografier- und selfiewütigen TouristInnen ein Ort Roms ist, den ich normalerweise meide, komme ich nicht umher, die Architektur des weltberühmten Brunnens zu bewundern.

 

Chag Urim Sameach!

Auf der Piazza Barberini steht eine riesige Channukia. Auf den ersten Blick sieht dieser Leuchter aus wie eine Menora, besitzt jedoch neun Arme (anstatt sieben). Am jüdischen Lichterfest Chanukka wird der Wiedereinweihung des Zweiten Tempel gedenkt. Nach dem Makkabäeraufstand 164 v.Chr. der JudäerInnen gegen die HellenistInnen und SeleukidInnen wurde die Herrschaft der Seleukiden über Juda beendet und der traditionelle jüdische Tempeldienst wieder eingeführt (siehe 1. Makk, Falvius Josephus, Talmud).

Die Menora, der Leuchter im Tempel, sollte niemals auslöschen. Nach einer späteren Überlieferung, wurde wegen den Kämpfen während des Aufstands kein geweihtes Öl für den Leuchter mehr hergestellt. Es war lediglich noch die Menge vorhanden, welche für nur einen Tag reichte. Durch ein Wunder hat das Öl jedoch für acht Tage gereicht, solange bis wieder neues Öl hergestellt werden konnte.

Daran wird mit der Chanukkia erinnert: Jeden Tag wird ein Licht angezündet, bis letztendlich alle acht Kerzen brennen. Das Chanukka-Fest beginnt am 25. Kislew, der dieses Jahr auf den 24. Dezember fiel. Seit 28 Jahren ist es in Rom Tradition, dass auf der Piazza Barberini eine grosse Chanukkia aufgestellt wird und auch der/die amtierende BürgermeisterIn an der Entzündung des ersten (oder spätestens des zweiten) Lichts dabei ist. Nicht zu übersehen ist die Präsenz von Polizei und Militär; um zur Chanukkia zu gelangen, muss man an Security-Guards vorbei, welche die Taschen und Jacken der Besuchenden kontrollieren.

Bei der Chanukkia herrscht jedoch schon freudige Erwartung, viele Familien sind anwesend und neben Italienisch hört man auch Englisch und Hebräisch. Eine Frau verteilt kleine Kerzen an die Anwesenden, die Musik probt mit dem Mikrofon.

 

Prominente Gäste aus der Politik

Um Punkt 18 Uhr eröffnet der Rabbiner Roms Riccardo Di Segni die Feier mit einer kurzen Rede und übergibt das Wort an die amtierende Bürgermeisterin Virginia Raggi. Sie erinnert daran, in schwierigen Zeiten wie jetzt zusammenzuhalten, da wir von Nachrichten über terroristische Anschläge in Europa überschattet werden. Als sie betont, dass in Rom ChristInnen mit den jüdischen RömerInnen schon immer friedlich zusammengelebt hätten, ist einiges Schnauben aus der Menge zu hören. Alle, welche die Geschichte Roms kennen, wissen, dass dies eine masslose Übertreibung Raggis ist. Trotzdem bekam sie höflichen Applaus. Ebenfalls anwesend war der Vize-Botschafter Israels in Italien, Dan Haezrachy. Er betonte vor allem die Freude darüber, dass der Staat Israel als Heimat aller Juden und Jüdinnen existiert.

Als der Rabbiner Di Segni mit einem Kran zur Chanukkia hochgehoben wird, beginnt die Musik zu spielen und die Menge stimmt in das Lied mit ein. Auch die kleinen Kerzen der Besuchenden werden angezündet, Kinder auf die Schultern der Eltern gehoben, damit auch sie etwas sehen. Viele Anwesende beginnen zu tanzen, einige ausgelassen, andere etwas scheu. Die Liedtexte kennen praktisch alle. Einige singen laut mit, andere summen. Eine ältere Frau lehnt an der Absperrung der Chanukkia, singt leise mit und in ihren Augen spiegeln sich Tränen.

Die Kinder werden um die Chanukkia versammelt, bekommen Süssigkeiten und tanzen mit ihren Eltern, Di Segni ist umgeben von Besuchenden, die ein Foto mit ihm machen oder ihn bitten, eine Chanukka-Botschaft in ihr Video zu sprechen. Virginia Raggi wechselt noch einige Worte mit Dan Haezrachy, plötzlich ist sie verschwunden und auch Si Segni ist nicht mehr zu sehen.

Nach einigen weiteren Chanukka-Liedern leert sich der Platz allmählich, nur die Chanukkia steht majestätisch, zwei Lichter brennen.

Chanukkia | © pixabay.com CC0
26. Dezember 2016 | 12:49
von Celia Gomez
Lesezeit: ca. 3 Min.
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