Zwei hervorragende franziskanische Bücher © Walter Ludin
Walter Ludin

Wer war Franz von Assisi?

André Vauchez: Franziskus von Assisi. Geschichte und Erinnerung. Aschendorff 2019. ISBN/GTIN978-3-402-13244-9. 453 S., CHF 36.90

Fachleute sind sich einig: Dieses Franziskusbuch des heute 82-jährigen Spezialisten für das Mittelalter ist seit Jahrzehnten das wichtigste Werk über den Heiligen von Assisi. (S. Kurztext von Niklaus Kuster) Es wird zurecht verglichen mit der Biographie, die Raul Manselli 1984 herausgegeben hat.

Eine Besonderheit des Buchs von Vauchez:  Es ist nicht bloss eine Lebensbeschreibung des Franziskus. Der Autor legt auch Gewicht auf dessen «Nachleben». Dazu gehören die grundlegenden Änderungen im franziskanischen Orden. Oft werden – auch mithilfe von Päpsten – Herzensanliegen des Heiligen zur Seite geschoben, so etwa die radikale Armut. Vauchez bezeichnet den vielfach radikalen Wandel als «zweiten Tod» des Gründers.

Zum Nachleben gehört ebenso die unvorstellbar breite «Wirkungsgeschichte» der franziskanischen Spiritualität. Im entsprechenden recht umfangreichen Kapitel (305 – 385) beweist der Erforscher des Mittelalters, dass er sich auch in den letzten vergangenen Jahrhunderten bis in die Gegenwart hinein auskennt. Stichworte der Unterkapitel sind zum Beispiel:

  • Franziskus, die Natur und die Welt
  • Franziskus und die Kirche: das Charisma als Institution
  • Das Evangelium in der Welt: eine Veränderung der Religionsanthropolgie
  • Ein Vermittler der Kultur am Beginn einer neuen Sensibilität

Auch wer meint, das Leben des Franz von Assisi gut zu kennen, wird öfters auf neue, überraschende Aspekte aufmerksam gemacht. Allerdings entstehen bei der Lektüre einige Fragezeichen, so etwa bei der in letzter Zeit vielfach behandelten Frage, wie Franziskus zu den Kreuzzügen stand; näherhin was ihn bewog, 1219 nach Ägypten zum Sultan, dem Gegner der Kreuzfahrer, aufzubrechen.

«Franziskus von Assisi. Geschichte und Erinnerung» liest sich zwar nicht leicht wie ein Roman. Doch auch Nichtfachleute können den wissenschaftlich fundierten Ausführungen von André Vauchez ohne allzu grosse Mühe folgen.

Walter Ludin 

Niklaus Kuster über André Vauchez

Als langjähriges Mitglied im Wissenschaftlichen Rat der «Internationalen Gesellschaft Franziskanischer Studien» von Assisi kennt er die Forschungsliteratur – die deutschsprachige ausgenommen. Allerdings sind auch Altmeister nicht überall up to date: So hinkt etwa Vauchez’ Klarabild und seine Sicht von San Damianos Geschichte der Forschung der letzten drei Jahrzehnte hinterher. «Franziskus von Assisi. Geschichte und Erinnerung» verspricht dessen ungeachtet in unserem Sprachraum die neue Standardbiografie des Poverello zu werden.

Niklaus Kuster

Zwei hervorragende franziskanische Bücher © Walter Ludin
31. März 2020 | 09:27
von Walter Ludin
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