Charles Martig

Wenn der Hobbit durch das Fernsehstudio huscht

Fernsehauftritte sind eine ganz und gar seltsame Erfahrung. Bis ins letzte Detail vorbereitet sein und trotzdem ganz natürlich wirken: Das ist die grosse Herausforderung! Die Redaktion der Sternstunde Religion von SRF hat mich zu einem Gespräch ins Fernseh-Studio eingeladen. Ausgangspunkt sind Religion und Mythologie im Hollywood-Kino.

Zur Aufzeichnung der Sternstunde Religion zum Thema «Religion auf der Leinwand» melde ich mich eine Stunde vor dem Termin beim Empfang des Schweizer Fernsehens. Norbert Bischofberger steht plötzlich im Empfangsraum neben mir und begrüsst mich herzlich. Zusammen mit der Produktionsassistentin begleitet er mich in den Studiotrakt. Hier geht es zuerst in den Empfangsraum mit Getränken. Bis hierher bin ich den Ablauf von früheren Fernsehauftritten gewohnt. Doch die HD-Technik hat vieles verändert. Das beginnt bereits bei der Maske. Im High-Definition-Fernsehen sieht man jede Pore und jedes Haar. Deshalb muss sorgfältig, aber möglichst natürlich geschminkt werden. Zurück im Empfangsraum treffe ich Judith Hardegger, meine Gesprächspartnerin. Sie ist gut vorbereitet und hat das halbstündige Interview sorgfältig zurechtgelegt. Zum Glück nennt Sie mir beim warming up die Schlussfrage, damit ich mich darauf vorbereiten kann. Wir kommen auf den Film «The Hobbit» zu sprechen. Ich erzähle von der Fankultur und vom Mittelerde-Fest, das im Sommer in Leuk (VS) stattgefunden hat. Spassehalber meint Judith Hardegger, dass ich mich doch hätte verkleiden müssen für diesen TV-Auftritt.

HD-Technik ist aufwendig

Im Studio der Sternstunde begrüssen mich die Aufnahmeleiterin und die Techniker. Ich bekomme auch kurz die Produzentin Denise Chervet zu sehen, die aber den Kopf bei den technischen Abläufen hat. Mir wird erst später bewusst, wie aufwendig die neue digitale Technologie ist. Für das Gespräch über Religon im Film hat die Redaktion zwei Einspieler vorbereitet. Zusammen mit der Anmoderation und sogenannten Inserts sind es mehrere visuelle Elemente, die zum richtigen Zeitpunkt erscheinen müssen. Die Produktion wurde kürzlich vollständig umgestellt und der «Workflow» ist noch nicht Teil der Routine. Wir brauchen etwa 25 Minuten Vorbereitungszeit bis alles klappt. Ein spontanes Gespräch stellt man sich definitiv anders vor! Langsam werde ich nervös, muss aber Geduld haben, bis alle Abläufe im Hintergrund sauber geregelt sind.

Und endlich, der Hobbit!

Als Aufhänger des Gesprächs habe ich den neuen Film «The Hobbit» von Peter Jackson gewählt, weil er diese Woche in den Kinos anläuft. Dieses epische Erzählkino eignet sich sehr gut um zu zeigen, wie Religion, Mythologie und Hollywood-Kino miteinander in Verbindung stehen. Mit spitzbübischer Freude warte ich auf den Moment, in dem ich den Film als «mythologische Wurzelbehandlung» bezeichnen kann.
Judith Hardegger ist ausgezeichnet in der Moderation des Gesprächs, hört zu und wirft ab und zu eine Frage ein. Das gibt mir die Sicherheit, meine Geschichte rund um Film und Religion zu erzählen. Fast schon habe ich den Eindruck, dass wirklich ein Hobbit durch das TV-Studio huscht.

Mit «Melancholia» wird es ernst

Aber nach der erquicklichen Fantasy-Geschichte kann ich es natürlich nicht lassen und muss über ernstere Dinge sprechen: zum Beispiel über den Weltuntergang. Mit Lars von Trier kenne ich mich sehr gut aus. Und so wird das Gespräch über «Melancholia» zu einem Heimspiel. Die grösste Anstrengung besteht darin, nicht in filmtechnischen oder theologischen Jargon zu verfallen. «Immer schön die Zuschauenden im Hinterkopf behalten. Versuche in einfachem und klarem Deutsch zu den Leuten in ihrem Wohnzimmer zu sprechen …», sage ich zu mir selber während der Aufnahme. Das ist leichter gesagt als getan, vor allem wen ausgerechnet noch das Thema meiner Doktorarbeit auf den Sternstunden-Tisch kommt.
Zuletzt die ominöse Schlussfrage: Welchen Jahrhundertfilm würde ich jedem empfehlen? Eine äusserst schwierige Frage für jemanden, der 200 Filme im Jahr schaut. Kurz entschlossen nenne ich Michael Haneke und seinen Film «Amour», den ich in Cannes an der Premiere gesehen habe. Es hätte auch «Das weisse Band» sein können, oder ein «Film des Monats» den wir ausgezeichnet haben. Alles in allem ein gutes Gespräch: Meine Leidenschaft für «Film und Religion» ist im Studio und hoffentlich auch den Zuschauern angekommen, auch wenn ich diesmal nicht als Hobbit verkleidet aufgetreten bin. Link zum SF Videoportal

10. Dezember 2012 | 09:20
von Charles Martig
Lesezeit: ca. 3 Min.
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