Liturgie soll die Sinnen ansprechen, z.B. durch Kerzen. © Walter Ludin
Walter Ludin

Was können wir von den Fremden lernen?

Das heutige Evangelium erzählt uns eine Geschichte, die auf den ersten Blick einfach scheint, aber für unsern christlichen Glauben wichtig ist. Jesus begegnet einer fremden Frau, einer Ausländerin. Sie ist ausserdem Heidin. Als die Frau Jesus bittet, ihre Tochter zu heilen, weist er sie schroff ab, wie es sonst keineswegs seine Art ist.
So weigert sich Jesus, ihr zu helfen. Denn er sei nur zu seinem, zum jüdischen Volk gesandt. Die Frau argumentiert geschickt dagegen, ja sie vergleicht sich und ihr Volk sogar mit kleinen Hunden, die beim Essen nicht leer ausgehen.
Da geschieht das Unerhörte: Jesus lässt sich von dieser ausländischen, heidnischen Frau umstimmen. Ein Freund von mir, der deutsche Priester und Schriftsteller WILMHELM BRUNERS, wurde von dieser Szene zu einem Buch inspiriert mit dem Titel: Wie Jesus glauben lernte. Ja, Sie haben richtig gehört: Es heisst nicht, so wie wir es erwarten würden und gewohnt sind, wie er glauben lehrte, sondern wie er glauben lernte.
Als ich den Buchtitel zum ersten Mal las, dachte ich, was Willi denn eingefallen sei. Denn Jesus ist ja Gottes Sohn und damit allwissend. Doch: Er ist auch ein richtiger Mensch. Und zum Mensch-Sein gehört auch das Lernen. Wenn wir die Menschlichkeit Jesu ernst nehmen – und das müssen wir! – dann haben wir auch damit zu rechnen, dass Jesus von seinen Mitmenschen lernen konnte. Und in unserem Fall sogar von einer Fremden und erst noch einer Heidin.
Ich könnte Ihnen jetzt eine theologische Abhandlung zumuten über die Göttlichkeit und Menschlichkeit Jesu. Davon verschone ich sie. Dafür wollen wir miteinander kurz überlegen, wie und was wir von Fremden lernen können, wie Jesus es tat. Einige konkrete Beispiele:

  • Afrikaner, Asiaten und Lateinamerikaner erinnern uns daran, wie wichtig die Gemeinschaft ist. In vielen dieser Kulturen steht die Gemeinschaft und nicht das Individuum im Vordergrund. Es gibt sogar Völker wie die Maasai Afrikas, die das Wort ICH nicht kennen und nur von WIR sprechen. Sicher, so weit müssen wir nicht gehen. Aber etwas mehr Gemeinschaftssinn, mehr Verantwortungsgefühl für die andern und das Ganze würde uns gut tun.

Weiter können wir von Menschen aus dem Süden einiges in Sachen Gastfreundschaft lernen. «Mein Haus ist dein Haus» heisst dabei ein Motto.

  • Kommen wir zum religiösen Bereich, zuerst zur Ökumene. Ein bekanntes Phänomen: Von den Protestanten haben wir gelernt und können es immer mehr noch lernen, die Bibel ernst zu nehmen.

Und umgekehrt: Die Evangelischen können von uns Katholiken lernen, die Sinne vermehrt in die Liturgie einzubeziehen, angefangen von den Kerzen. Sie erkennen immer mehr, wie Rituale wichtig sind. Als ich mit einer reformierten Kollegin gemeinsam eine Beerdigung hielt, sagte sie mir: «Ich beneide dich um die Rituale, die du am Grab einsetzen kannst.»

  • Und noch ein kurzer Blick auf den interreligiösen Dialog. Von den Buddhisten und Hindus können wir lernen, wie heilsam die Meditation sein kann. Und die Juden zeigen uns, dass unser gemeinsamer Gott sich nicht nur fürs Jenseits interessiert, sondern auch für das Diesseits, konkret etwa für soziale Gerechtigkeit. (Wir haben es in der 1. Lesung gehört.)
  • Und noch etwas fast Banales: Von den Fremden können wir uns kulinarisch bereichern lassen. Stichwort Italiener: Ohne sie würden wir wohl weder Pizza noch Gelati kennen.

Kommen wir zum Schluss: Von Fremden lernen: Es gäbe noch viele andere Beispiele. Sie haben ja so viel Phantasie, dass Ihnen noch einiges dazu einfällt.

Bildquellen

  • IMG_1186_: © Walter Ludin
Liturgie soll die Sinnen ansprechen, z.B. durch Kerzen. © Walter Ludin
28. August 2023 | 08:25
von Walter Ludin
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!

Ein Gedanke zu „Was können wir von den Fremden lernen?

  • Hansjoerg sagt:

    Da sind die religiösen Führer der kath. Kirche wohl auf halben Weg stehen geblieben. Wenn sie von WIR reden, sind immer nur die Männer und Machthaber, die ihre Macht behalten wollen, gemeint.
    Frauen sind innerhalb der kath. Kirche nach wie vor nicht gleichberechtigt und nicht gleichwertig und gehören somit nicht zum WIR.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst diese HTML-Tags und -Attribute verwenden:

<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.