Stürmisches Meer an der kretischen Nordküste ©  Walter Ludin
Walter Ludin

Vertrauen im Sturm

Während die Jünger im Sturm am Verzweifeln sind, kommt ihnen Jesus entgegen, über das Wasser wandelnd. Diese Szene gehört zu den bekanntesten des Evangeliums. Auch Menschen, die sonst nicht viel von der Bibel wissen, kennen sie.

Die Szene hat auch zu Witzen inspiriert. Ein Beispiel: Vor einigen Jahren veröffentlichte die Luzerner Zeitung eine Zeichnung: Der Knabe Jesus am Badestrand des Sees Genesareth. Um ihn vergnügen sich einige Leute im Wasser. Er aber schwebt über dem Wasser und schreit: «Mama, ich will auch ins Wasser.»

Doch werden wir ernsthaft. Im bekannten Schott-Messbuch mit den Sonntagslesungen steht der einfache, aber wichtige Satz: «Die Jünger im Boot, das sind wir.» Ja gewiss, stürmische Lebenssituationen bleiben wohl niemanden erspart.

  • Wie oft sind wir mit dem Tod lieber Menschen konfrontiert?
  • Wie oft scheitern zwischenmenschliche Beziehungen?
  • Und nicht wenige von uns mussten schon mit schlimmen medizinischen Diagnosen umgehen.

Oder ein leider sehr aktuelles Beispiel, die Corona-Pandemie. Sicher fürchten sich die einen oder andern von ihnen vor Ansteckung. Oder sie haben wirtschaftliche Existenz-Ängste.

In all den genannten Situationen gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten:

  • Wir verzweifeln
  • Oder wir vertrauen.

Und letztlich gibt uns vor allem das Vertrauen auf Gott neuen Lebensmut. Robert Zollitsch, der ehemalige Erzbischof von Freiburg im Breisgau erzählt, wie er in Serbien am Ende des Zweiten Weltkriegs ins KZ kam, als sechseinhalb-jähriger. Ihm und seinen Mitgefangenen wurde das Vertrauen in Gott geschenkt. Wörtlich sagte Zollitsch: «Je dunkler und kälter es wurde, je aussichtsloser unsere Lage schien, desto mehr und desto fester klammerten wir uns an Gott.»

Ich habe bewusst gesagt: dieses Vertrauen sei ein Geschenk. Diese Überzeugung hat auch der bereits schwer kranke Hans Küng ausgedrückt. Er ist überzeugt: «Bei aller Ungewissheit und Ungesichertheit (…) Bedrohtheit und Verfallenheit» gäbe es eine «geschenkte Geborgenheit und Beständigkeit».

Wir wissen ja: Der Surseer Küng ist ein kritische Theologe; einer, der nicht einfach fromm dahersäuselt. Seine Zuversicht ist umso glaubhafter.

Blicken wir noch kurz auf Petrus. Es brauchte Mut, wenn er auf dem stürmischen See übers Wasser zu Jesus geht. Ein solcher Mut ist nicht selbstverständlich, wie es eine Geschichte ausdrückt, die Sie wohl kennen. Ein Seiltänzer geht vor einer grossen Menschenmenge über ein Seil. Dann holt er eine Schubkarre, eine Karrette, sagen wir bei uns und fragt: «Glaubt ihr, dass ich auch mit diesem Schubkarren rüberkomme?» «Ja», schrieen alle begeistert. Aber als er weiterfragte, ob jemand sich getrauen würde, sich in die Karrette zu setzen, wagte es keiner.

Doch plötzlich meldete sich ein Knabe. «Ich setze mich in die Karre», rief er. Als die Beiden heil über das Seil gekommen waren, fragte jemand das Kind: «Hattest du keine Angst da oben?»
«Oh nein», lachte der Kleine, «der mich über das Seil schob, ist ja mein Vater!» Ich will die Geschichte nicht zerreden. Nur die Frage: Sind wir zu einem solchen Vertrauen gegenüber unserem himmlischen Vater fähig?

Stürmisches Meer an der kretischen Nordküste © Walter Ludin
8. August 2020 | 11:34
von Walter Ludin
Lesezeit: ca. 2 Min.
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Ein Gedanke zu „Vertrauen im Sturm

  • ja, ja, wenn es so einfach wäre, die geschenkte Geborgenheit und Beständigkeit in sehr, sehr bedrohlichen Situationen abrufen zu können. Ein Widerspruch hat sich bei mir immer noch nicht aufgelöst. Gott lässt das Leid zu und gibt uns angeblich anschließend die Kraft es auch zu bestehen. Demnach greift also Gott in unser Leben bewusst ein, warum lässt er aber zuerst Leid zu und erst mit Verspätung hilft er uns dann bei der Leidbewältigung? Eine Äußerung Rahners hat mir da ein Stück weitergeholfen: “Die Unbegreiflichkeit des Leides ist ein Stück der Unbegreiflichkeit Gottes”!

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