Karin Reinmüller

Vergeudete Talente – zum Frauentag

Heute ist internationaler Frauentag, deshalb kein Artikel zu einem Text, der diesen Sonntag vorgesehen wäre, sondern ein Verschnitt meiner heutigen Predigt – zum Gleichnis von den anvertrauten Talenten (Matthäus-Evangelium, Kap. 25, Verse 14-30) :

Das letzte Mal, als ich mit jemandem über die Priesterweihe für Frauen diskutiert habe, der davon überhaupt nichts hält, hat mir mein Gesprächspartner gesagt «Wenn die Gründe rein soziologisch wären, dann müsste man die Weihe sofort einführen». Er meint natürlich, dass die Gründe nicht soziologisch sind, dass es also nicht an den gesellschaftlichen Verhältnissen liegt, die Frauen immer noch benachteiligen, dass sie nicht geweiht werden können. Ich würde es anders sagen: Wenn die Gründe rein soziologisch wären, dann könnte ich damit leben. Ich war in meinem ersten Studium manchmal die einzige Studentin unter 40 Männern, ich habe in Männerberufen gearbeitet, ich kenne die Situation und muss nicht erwarten, dass die katholische Kirche sich anders verhält als grosse Teile der Gesellschaft. Die wesentliche Frage ist in meinem Verständnis eine andere, nämlich: Wo finden wir den Willen Gottes? Das ist die Perspektive, aus der ich heute auf dieses Thema schauen möchte.

Vornedraus: Es gibt eine offizielle kirchliche Position zu diesem Thema, die kennen Sie wahrscheinlich, es gibt auch Begründungen dazu. Ich möchte Sie dazu einladen, sich damit auseinanderzusetzen, es gibt viel zu lesen zu diesem Thema. Um die einzelnen Argumente zu analysieren fehlt mir die Zeit, deshalb nur zu einem Punkt:

Es wird gesagt, dass in der Eucharistie, der Abendmahls-Feier nur ein Mann als Priester wirken kann, weil der an der Stelle von Jesus Christus steht, der nun einmal ein Mann war. Also: Gott ist Mann geworden und nicht Frau, deshalb kann nur ein Mann seine Stelle in der Eucharistie einnehmen. Allerdings – was hätte Gott in diesem Fall tun sollen, wenn er will, dass alle Menschen, egal mit welchem Geschlecht, PriesterInnen sein können? So wie Jesus Mensch geworden ist kann er nur einmal Mensch werden – und ein Mensch hat ein Geschlecht. Wenn Gott Frau geworden wäre, dann könnten nach dieser Argumentation nur Frauen Priesterinnen sein. Das heisst, Gott hat keine Chance, das Priestertum für alle Geschlechter zu öffnen, weil er mit seiner Menschwerdung gezwungen ist, sich für ein Geschlecht zu entscheiden. Ich glaube nicht, dass Gottes Handlungsfreiheit so eingeschränkt ist.

Jetzt aber zum Evangelium: Das Gleichnis kennen Sie wahrscheinlich schon und haben vermutlich gemerkt, dass da nur Männer drin vorkommen, wir Frauen müssen uns dazudenken, sind wir ja gewohnt. Es geht um Talente, was in diesem Fall erst einmal eine Stange Silber ist, etwa 30 kg wiegt ein Talent. Aber schon den ZuhörerInnen Jesu dürfte klar gewesen sein, dass das Thema hinter der Geschichte der Umgang mit Gottesgeschenken ist, mit Begabungen, Talenten im heutigen Sinn.

Dass der dritte Diener von ihrem Herrn gesagt bekommt, er hätte das ihm Anvertraute auf die Bank bringen sollen, damit es wenigstens Zinsen bringt, klingt für uns Heutige natürlich nach längst vergangenen Zeiten. Das Interessante ist: Er kennt seinen Herrn, er weiss, wie er handelt und was er will – und tut das Gegenteil davon. Aus Angst vergräbt er sein Talent.

Ich frage mich: Wie viele Frauen werden heute dazu gezwungen, ihre Talente zu vergraben, weil diejenigen, die es in der Hand hätten, sie zu nutzen, Angst haben?

Ich bin überzeugt davon, dass Menschen in der Lage sind, vielleicht mit Begleitung und Unterstützung, aber jedenfalls in der Lage, zu erkennen, was der Wille Gottes für sie ist, was ihre Berufung ist. Das ist spirituelles Kerngeschäft, herausfinden, was meine Begabungen, meine Talente sind, die mir Gott geschenkt hat – und was meine Aufgabe, auf Basis dieser Talente, ist.

Es gibt in den Bistümern Menschen, die dafür zuständig und ausgebildet sind, mit suchenden Menschen zusammen ihre Berufung zu entdecken. Aber wenn eine Frau heute auf die zuständigen Personen eines Bistums zukommt, weil sie den Eindruck hat, sie könnte eine Berufung zur Priesterin haben, dann wird sie sofort abgelehnt. Die ganzen Methoden und Übungen, die es zur Berufungsklärung gibt, werden einfach nicht angewandt. Dabei gibt es genug Menschen, die um Priesterberufungen beten. Und dann kommen sie, die Frauen, von denen ich einige kenne, die nach ihrem besten Wissen und Gewissen von Gott als Priesterinnen gemeint sind – und werden sofort wieder weggeschickt.

Welch eine Vergeudung von Talenten. Da wird vergraben, was das Zeug hält, aus Angst davor, einem strengen Gott zu missfallen, der strikte Regeln aufstellt. Dabei will dieser Gott etwas ganz anderes: Er will das Risiko. Der Herr lobt den Diener, der mit den ihm anvertrauten Talenten am damaligen Äquivalent der Börse spekuliert hat. Er hätte auch alles verlieren können. Für diesen Mut, der riskiert, vielleicht auch einmal etwas völlig falsch zu machen, wird er belohnt. Die scheinbar sichere Methode, das Vergraben, führt hinaus in die Finsternis.

Da liegt das wirkliche Risiko, wenn wir uns weiterhin weigern, mit Frauen zusammen nachzudenken und zu unterscheiden, ob sie eine Berufung zur Priesterin haben.

Die Frage ist nicht, ob wir das Recht dazu haben, Frauen mit Begabung und Berufung zu Priesterinnen zu weihen. Ich vermute, wir haben die Pflicht dazu – weil wir sonst den Willen Gottes verfehlen.

Bild: kath.ch
8. März 2020 | 14:44
von Karin Reinmüller
Lesezeit: ca. 3 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!

Ein Gedanke zu „Vergeudete Talente – zum Frauentag

  • stadler karl sagt:

    Diseses Gleichnis aus Matthäus 25, 14-30, das Sie heute anführen, könnte doch auch mehrdeutig gelesen werden. Wer seine ihm anvertrauten Mittel mündelsicher anlegen oder und verwahren will, wird “bestraft”, besonders zu Zeiten von Negativzinsen. Wer hingegen spekuliert, sich gewagtem Investment Banking anvertraut, kann durchaus, trotz allen ökonomischen Verwerfungen, die daraus auch für Dritte reslutieren können, u.U. als erfolgreich gepriesen werden. “Ernten, wo man nicht gesät hat”, oder “wer hat, dem wird gegeben, und er wird in Überfluss leben”, heisst es dazu bei Matthäus.
    Überträgt man die Bedeutung der Silbertalente hingegen metaphorisch in die Bedeutung der heutigen Verwendungsweise, ist Ihnen völlig zuzustimmen. Da liegen gewiss sehr viele Talente von Frauen brach, zumindest soweit es den öffentlichen Aufgabenbereich, die res publica, betrifft.
    Warum das Priestertum oder priesterliche Funktionen nur von männlichen Trägern ausgeübt werden können sollten, ist, eigentlich auch aus einem eher konservativen Religionsverständnis heraus, für einen Laien nur schwer einzusehen. Vielleicht ist solches Amtsverständnis des Priestertums wiederum nur auf eine zufällige historische Gegebenheit zurückzuführen. Das alttestamentliche jüdische Amtsverständnis von Priestertum war wohl besonders patriarchalisch ausgeprägt, wie auch der eine Gott ausschliesslich in mänlicher Ausgestaltung den Menschen gegenüber trat. Immerhin kannten die sumerischen, aber auch babylonische Kulte Priesterinnen. Und solche waren auch bei den alten Griechen nicht völlig unbekannt. Und ebenso kannte das Römertum bis hin zur Königszeit den Vesta-Kult, wo die Vestalinnen priesterliche Funktionen ausübten. Versteht man die Hauptfunktion einer Religion als Hilfestellung für die Bewältigung der Kontingenz menschlichen Daseins, dann ist ein geschlechtsspezifisches Amtsverständnis für priesterliche Funktionen nur schwer nachvollziehbar.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst diese HTML-Tags und -Attribute verwenden:

<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.