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Daniel Kosch

Unternehmenssteuerreform (USR III) – Hilft die Bibel?

Die bevorstehende Abstimmung über die Unternehmenssteuerreform (USR III) sorgt in kirchlichen Kreisen für lebhafte Diskussionen. Manche kritische Stimmen erwecken den Eindruck, es stehe dabei die Zukunft der Kirche, vor allem ihres Engagements zugunsten der Schwächeren auf dem Spiel. Befürworterinnen und Befürworter hingegen argumentieren, dass die Reform den Wirtschaftsstandort stärke, Arbeitsplätze sichere und zwar kurzfristig für Steuerrückgänge sorgen, aber langfristig bessere Voraussetzungen für die Wirtschaft und somit auch für Erträge aus Kirchensteuern schaffe.

Die effektiven Auswirkungen einer Annahme oder Ablehnung der Reform an der Urne sind schwer vorhersehbar – und leider verfügen weder die Theologie noch die Kirchen diesbezüglich über einen Wissensvorsprung oder über «geheime Offenbarungen», obwohl manche so tun, als hätten sie absolute Gewissheit. Auch Kirchenleute können nicht mehr, als Vor- und Nachteile, Chancen und Risiken abwägen, Informationen und Argumente auf ihre Glaubwürdigkeit prüfen und am Ende nach bestem Wissen und Gewissen Ja oder Nein stimmen. Ein «Jein» in Form einer vielleicht besser «ausbalancierten» Vorlage, wie sie etwa der Bundesrat vorgeschlagen hatte, steht auch jenen, die lieber differenzieren als zwischen Alternativen wählen, nicht zur Verfügung. So will es das politische System.
Drei Prinzpien
Nach der Lektüre vieler Zeitungsartikel, nach zahlreichen Diskussionen und Überlegungen bin ich für meine eigene Entscheidung und für die Beurteilung der Folgen der USR III  für die Kirchen bei drei elementaren Prinzipien angelangt, die zu formulieren mir auch die Bibel geholfen hat, obwohl sie nichts über Unternehmenssteuern sagt:
1. Gedeihlich zusammenleben
Gemessen an den Auswirkungen und an den Finanzen, die auf dem Spiel stehen, sind die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und staatspolitischen Auswirkungen der Vorlage viel wichtiger als die Folgen für die Kirchen und ihre Finanzen. Daher – und weil die Kirchen ganz grundsätzlich nicht primär für sich selbst, sondern für das Gemeinwohl eintreten sollen – steht für mich die biblische Forderung «Sucht der Stadt Bestes!» (Jer 29,7) an erster Stelle. Mein JA oder NEIN mache ich primär davon abhängig, welcher Weg meines Erachtens für das gute und gedeihliche Zusammenleben längerfristig aussichtsreicher ist.
2. Dem Auftrag treu bleiben
Natürlich hängt das soziale Engagement der Kirchen auch davon ab, welche Mittel zur Verfügung stehen. Weitergeben und für diakonische Aufgaben einsetzen können sie nur Geld, das sie erhalten. Aber welchen Stellenwert das soziale Engagement hat, dürfen die Kirchen nicht von den Erträgen aus Unternehmenssteuern abhängig machen. Massstab ihres Handelns soll auch beim Einsatz der finanziellen Mittel das Evangelium sein. Dessen Botschaft ist klar: Die Praxis des Teilens und die Sorge für Menschen, die in Not oder an den Rand geraten sind, haben höchste Priorität. In biblischer Sprache gesagt: «Sucht zuerst Gottes Reich und seine Gerechtigkeit» (Mt 6,33). Das soziale Engagement von der Höhe der Erträge aus  Unternehmenssteuern abhängig zu machen, geht schon deshalb nicht an, weil die Kirchen auch in Kantonen ohne Kirchensteuern für juristische Personen und in Ländern ganz ohne Kirchensteuern sozial stark engagiert sind.
3. Die innere Freiheit wahren
Da und dort war zu lesen, die Wirtschaft setze die Kirchen in der Frage der USR III «unter Druck». Empfindlich für finanziellen Druck ist aber nur, wer sich über das Geld definiert und sich davon abhängig macht. Wer hingegen von seiner Sache überzeugt ist, kann selbstbewusst und unabhängig entscheiden und darauf vertrauen, dass Mitglieder und Sympathisanten ihren Beitrag leisten werden. In diesem Zusammenhang ist mir der Sinn der biblischen Forderung neu aufgegangen, man solle «haben als hätte man nicht» (vgl. 1Kor 7,29-31). Für wohlhabende Kirchen in einer der reichsten Gesellschaften der Welt ist die Wahrung dieser inneren Freiheit und Unabhängigkeit eine grosse Herausforderung. Aber sie ist auch eine Chance – denn sie  bestärkt auch ihre Mitglieder darin, sich in innerer Freiheit für jene Wege zu entscheiden, die dem «Besten für die Stadt» und dem «Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit» dienen.
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16. Januar 2017 | 19:14
von Daniel Kosch
Lesezeit: ca. 2 Min.
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