Heinz Angehrn

The open society and its enemies

Ich habe Lust auf Doppel-Neues: Und nebst dem Kommentieren der Ausgaben der «Tagespost» muss es etwas völlig Anderes und möglichst Konträres sein. Und das ist Karl R.Poppers zweiteiliges Monumentalwerk wohl. Ich gestehe zunächst ein, dass ich mich bis vor kurzem nicht damit beschäftigt habe. Das hat mal damit zu tun, dass Popper in der philosophischen Abteilung der Luzerner Uni nicht der Rede wert war (da dominierten damals in den schönen 70er Jahren Fichte und Marx – Fichte bei Dominik Schmidig und Marx beim harten Logiker Arpad Horvath), aber auch mit der schlechthin lausigen Begründung, dass man(n) parallel zum Berufsleben als Seelsorger wenig Lust hatte, sich in zusätzliche, sprich ausser-theologische, seriöse Literatur zu stürzen (in der Zeit las ich dafür ja alle 70 Bücher von Stephen King… den ich übrigens im nächsten Blog rezensieren werde…).

Nun und zu Beginn: Mit Popper steht es ähnlich wie mit Hanna Arendt. Aufgeschreckt durch die geistige Barbarei der NS-Zeit kam er zur gleichen Fragestellung, wie denn solches in der Menschheitsgeschichte überhaupt möglich sein konnte. Wie für Arendt ist auch für Popper Immanuel Kant der geistige Angelpunkt unseres Verstehens und ethischen Handelns, von ihm aus müssen Antworten gefunden werden können. Anders als Arendt, für die Adolf Eichmann mit seiner ganz konkreten Biographie und Persönlichkeit zu einer wichtigen Erklärung wurde, macht Karl Popper eine Reise weit zurück in die Philosophiegeschichte und versucht zu begreifen. Es gibt für ihn zum einen den kaum bestreitbaren Wert der modernen Demokratie mit ihrerer Respektierung der Freiheit und der Rechte des Individuums. Das nennt er «offene Gesellschaft», und die sieht er in vielfältiger Weise konkret von Links und Rechts bedroht. Er versucht darum, die «Feinde der offenen Gesellschaft» aufzuspüren, und nämlich nicht die plumpen Demagogen und Agitatoren der entsprechenden Parteien (Lega, Front National, AfD, FPÖ, SVP), sondern vielmehr die geistigen Väter solchen Denkens. Welche Philosophie macht es möglich, dass es in der Menschheitsgeschichte immer wieder zu solchen Rückschlägen, zu solchem Regress in die Barbarei, kommt? Und warum sind solche Ansätze so attraktiv? Weil der Mensch ursprünglich wie seine Vorfahren ein Hordenwesen war, das nichts so sehr liebte als klare Verhältnisse samt ihren Feindbildern, und damit auch dominante Führer und Chefs, die ihm das Denken und Entscheiden abnehmen.

Doch der Mensch hat sich weiterentwickelt. Die Unterwerfungsgesten unseres Hundes Miro passen zum Lebewesen canis lupus bzw. canis lupus familiaris, aber doch nicht zum homo (non semper!) sapiens. Popper ist nicht enttäuscht oder desillusioniert, aber er sieht die permanente Gefahr des Rückfalls in Tyrannei und Barbarei. Wenn nun nur Leute wie Orban, Salvini und Trump dahinterstecken würden, wäre es noch mittel harmlos. Aber es stecken grosse geistige Väter hinter der Versuchung zu solchem Denken. Und mit denen legt sich Popper an: Mit Platon, mit Hegel, mit Marx.

Das macht Spass! Und über den Fortgang der Forschung werde ich hier weiter berichten.

25. Mai 2019 | 06:00
von Heinz Angehrn
Lesezeit: ca. 2 Min.
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2 Gedanken zu „The open society and its enemies

  • Karl Stadler sagt:

    “Die offene Gesellschaft und ihre Feinde”, diesen zweibändigen Wälzer, zu lesen, ist zwar zeitaufreibend, aber gewiss lesenswert. Dieses Werk, dessen Sichtweise von Platon allerdings von andern Platon-Interpreten teilweise kritisiert wird, birgt gewiss ein nicht zu unterschätzendes Mass an gegenwärtiger Aktualität im Zeitalter der Globalisierung, der rasanten Digitalisiereung und der anhaltenden Migration. Gerade an Popper, übersetzt ins 21. Jahrhundert, zeigt sich doch, wie komplex sich das Unterfangen gestalten kann, aufklärerische Prinzipien in praktische Politik umzusetzen. Welche gewaltige intellektuelle Verunsicherungen da lauern. Aber Popper mit seinem kritischen Rationalismus wäre nicht Popper, wenn seine Art, sich der Welt zu nähern, einem nicht grosse Schwierigkeiten bescheren und uns abgrundtiefen Zweifeln aussetzen würde.
    Zurecht nennen Sie manche Rechtsparteien und Rechtspolitiker wie Orban, Salvini oder auch den amerikanischen Elefanten im Porzellanladen, Trump. Ich meine, Popper ein wenig zu kennen, wenn auch eher dessen theoretische Philosophie, die ich interessaner finde. Aber eines steht für mich fest: Lebte Popper heute noch, er würde vor der Politik eines Xi Jinping, Narenda Modi, Erdogan, Ali Chamenei oder Maduro nicht weniger intensiv warnen als vor den Rechtspopulisten in Europa.

  • Karl Stadler sagt:

    Diese Bemerkungen gelten Ihrem Beitrag zu Stephen King und auch schon früheren sinngemässen Blogbeiträgen über die Einwohner der USA und deren Kultur, Beiträge, welche manchmal in reichlich generalisierender Form sich ein Urteil über “Nation der Barbaren” jenseits des grossen Teichs erlauben. Ich persönlich erachte eine solche Sprechweise als völlig unangebracht – die übrigens teilweise daherkommt ganz im Stile mancher SVP-Ausdrucksweisen – und vor allem auch als ungerecht. Es ist eine Ausdrucksweise, die, was Sie wissen sollten, falls Sie die praktische Philosophie von Popper nur im Ansatz kennen, vor allem seine gesellschaftstheoretische Denkweise, von diesem Denker nie und nimmer auf diese Weise goutiert würde, auch heute nicht unter dem Regime von Trump.
    Mich erinnert das ganz an die Zeit Ende der 60er, anfangs der 70er Jahre, als viele 68er die USA in Bausch und Bogen verdammten, manche von ihnen nach Moskau, nach Peking oder gar nach Pjöngjang pilgerten, Massenschlächtern mit ihren nicht nur millionenfachen, vielmehr zig-millionenfachen Opfern, wie Maodsedong, Trotzki, Stalin und vielen andern mehr halbwegs das Wort redeten, und wenn sich einer wie der Schreibende in einer Diskussion einmal erlaubte, darauf hinzuweisen, was dort denn alles abging, man kurzerhand verbal als “bourgeoiser Reaktionär” abgekanzelt wurde und in die Ecke gestellt wurde. Das hinderte manch einen von diesen Ideologen nicht im geringsten daran, mittels Seilschaften in der Folge hierzulande politische Karriere zu machen und uns in den Niederungen der Stammtische Menschenrechte zu lehren! Nie hätte ich mitbekommen, dass diese Ideologen sich für ihre Fehltritte öffentlich entschuldigt hätten. Dafür wurden sie nicht müde, allfälligen Widersachern, die sich, ebenfalls in jungen Jahren, in den braun gefärbten Sumpf verrirrten, an solche Fehler ein Leben lang zu erinnern und den Betroffenen unter die Nase zu reiben. Zynischer geht es nicht mehr!
    Nein, wenn Sie Popper sorgfältig studieren, ich spreche nicht von dessen theoretischer Philosophie, die eigentlich viel interessanter ist, dann müssten Sie eingestehen, dass dieser Denker bestimmt nicht der Meinung wäre, dass jenseits des Teichs einfach ein Volk von Barbaren haust, trotz allen Fehlern, welche selbstverständlich die Grossmachtpolitik der USA auch beinhaltet und auch viele Blutopfer verursachte.
    Aber es ist fast schon symptomatisch: Diese Vertreter des humanistischen Europas, das seit dem ersten Weltkrieg, insbesondere aber seit 1942 über weiteste Strecken am Rockzipfel dieser “Barbaren” hängt, können nicht anders, als sich in moralischer Abgehobenheit über deren abwägige Lebensformen zu beschweren.

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