Ein eher differenziertes Bild des unschönen Phänomens sexueller Missbrauch

Ich muss gestehen: Zuerst zögerte ich, dieses Buch zu lesen. Denn über sexuelle Übergriffe – vor allem in der Kirche – war in den letzten zehn Jahren bis zum Überdruss sehr vieles zu erfahren. Doch dabei wurden Hintergründe und Ursachen meistens, wenn überhaupt, nur kurz erwähnt.

Ganz anders in diesem Buch, das ich trotz allem studiert habe. In 37 Beiträgen kommen Vertreter und Vertreterinnen ganz unterschiedlicher Disziplinen zum Wort. Sachkundige von. Sozialpsychologie, Sexualethik, Kirchenrecht, Epidemiologie, Psychotherapie und Sexualpädagogik. So entsteht ein sehr differenziertes, realistisches Bild des sehr unschönen Phänomens, abseits von Verharmlosungen oder Übertreibungen.

Wertvoll sind auch die Zukunftsperspektiven. So plädiert der Mitherausgeber Stephan Leimgruber für eine Sexualaufklärung, die nicht von Sünde ausgeht, sondern die Sexualität als «gute Gabe Gottes» ansieht. Ebenso fordern verschiedenen Beiträgen abseits von Schlagworten, das «systemische Versagen» in der Kirche endlich einzugestehen und die Konsequenzen daraus zu ziehen.

Hilpert Konrad, Leimgruber Stephan, Sautermeister Jochen, Werner Gunda (Hrsg):Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen im Raum von Kirche. Analysen – Bilanzierungen – Perspektiven. Herder 2020. ISBN/GTIN978-3-451-02309-5. 448 S., ca. CHF 80.90

Walter Ludin

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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