Wie ich Ignatius die Pandemie erklären würde

Corona-Nachrichten überall. Was wäre, wenn Ignatius von Loyola (1491-1556) – Soldat, Langzeit-Pilger, Spätstudent und Ordensgründer (in dieser Reihenfolge) aus dem 16. Jahrhundert heraustreten und plötzlich neben mir stehen würde? Ich würde versuchen, ihm zu erklären, was gerade in unserer Zeit los ist:

Dass eine neue ansteckende Krankheit ausgebrochen ist, würde Ignatius bekannt vorkommen, Seuchen gab es in seinem Jahrhundert immer wieder. Entsetzen würde ihn allerdings wohl, dass in ganz Italien keine öffentlichen Gottesdienste mehr gefeiert werden können und sogar viele Kirchen geschlossen sind. Er hatte lange in Rom gelebt, aber so etwas hat er nie erlebt. Vermutlich würde er mich fragen, ob überhaupt jemand die neue Seuche überleben kann, wenn solch drastische Massnahmen ergriffen werden.

Dann würde ich ihm sagen, dass Menschen an der Krankheit sterben, aber weniger, als er jetzt annimmt, dass Ärzte und Spitäler in manchen Gegenden überlastet sind, aber dass die Pest zu seiner Zeit, die in einer betroffenen Stadt die Bevölkerung um ein Drittel dezimieren konnte, weitaus tödlicher war. Darauf würde sich Ignatius vermutlich erstaunt zeigen. Warum, so seine Frage, werden solche extremen Massnahmen ergriffen gegen eine Krankheit, die, von seiner Zeit aus gesehen, ihm relativ harmlos erscheinen muss.

Und ich würde ihm erklären, dass wir heute, vielleicht zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte, die Chance haben, eine weltweite Seuche zu stoppen, bevor sie sich unkontrolliert ausbreitet – und dass wir dafür all das tun. Das würde Ignatius sicher interessieren und vermutlich würde er sich gleich noch erläutern lassen, was ein Virus ist und was wir bis jetzt über die Erkrankung, ihre Verbreitung und wie sie sich eindämmen lässt, wissen.

Und dann würde ich die Gelegenheit nutzen und ihn fragen, was er uns an Ratschlägen geben könnte. Ignatius war immer sehr dafür, auf die Ärzte zu hören (selbst wenn die teuer waren und seine Ordensgemeinschaft arm), er würde also empfehlen, sich bei den SpezialistInnen zu informieren und ihre Ratschläge zu befolgen.

Er war allerdings auch konsequent in seiner Spiritualität und würde vermutlich darauf hinweisen, dass er in seinen Geistlichen Übungen (dem «Basiswerk» ignatianischer Exerzitien) schon zu Beginn als Übung empfiehlt, «Gesundheit nicht mehr [zu] verlangen als Krankheit … langes Leben nicht mehr als kurzes». Da wärs an mir, erstmal trocken zu schlucken. Ich denke, das würde Ignatius merken – und mir vielleicht erzählen von Phasen seines Lebens, in denen er selber überfordert war. Dass die nicht das Ende waren. Er würde kaum aufhören, bevor er mich getröstet hätte, denn das war ihm wichtig – und dann wieder in seine eigene Zeit zurückkehren.

Karin Reinmüller

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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