In der Schule des Hörens lauert die Erkenntnis

In letzter Zeit begegnen mir verschiedentlich Texte und Formulierungen, die auf die Bedeutung des «Hörens» aufmerksam machen.

Angesichts der Häufung dieses Stichwortes wurde mir bewusst, dass die Aufforderung zu «hören» in einem starken Kontrast zu meinem Alltag steht, in dem das Sprechen, das Schreiben, das aktive Kommunizieren einen viel grösseren Stellenwert hat.

«Wir gehen»

Dass meine (und nicht nur meine) erste Reaktion auf Aktualitäten und neuen Ärger in der Kirche fast immer eine andere ist, ging mir auch durch den Kopf, als ich nochmals über den Austritt der sechs  prominenten feministischen Frauen nachdachte, die letzte Woche erklärt hatten: «Wir gehen» .

Zwar muss reagiert werden ...

In unserer Kommunikationsgesellschaft geht es nicht anders, als dass darauf reagiert werden muss – und zwar auch von jenen, die diese Entscheidung sehr ernst nehmen, sie bedauern und sich die Frage stellen, was sie jenen zu sagen hat, die bleiben und auch jenen, die in der Kirche Entscheidungen zu treffen haben. Es macht durchaus Sinn, dass der Schweizerische Katholische Frauenbund oder auch die Zürcher Synodalratspräsidentin rasch das Wort ergriffen haben, um ihre Betroffenheit zu formulieren.

… aber das nachdenkliche Hören bleibt wichtig

Trotzdem scheint mir gerade in diesem Fall nach den ersten Reaktionen das aufmerksame und nachdenkliche Hören nun mindestens so wichtig wie das Sprechen, Agieren und Reagieren. Und dies in einem doppelten Sinn:

Die Aktualität ist die Krankheit unserer Zeit

Bei Peter Bichsel habe ich gestern das Wort (wieder)gelesen: «Die Aktualität ist die Krankheit unserer Zeit». Sie wird auch zur «Krankheit unserer Kirche», wenn wir uns dem Gesetz der Beschleunigung und der flüchtigen Kommunikation unterwerfen und zur nächsten Aktualität übergehen, sobald die Welle der ersten Kommentare vorbei ist.

Das gilt übrigens nicht nur für schlechte Nachrichten und Krisensymptome, sondern auch für Texte und Entwicklungen, die darauf hindeuten, dass sich Neues anbahnt: Nur wer schweigend das lauschende Ohr an die Erde presst, kann hören, «wie im Tode das Leben beginnt» (Nelly Sachs).

 

Daniel Kosch

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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