Walter Ludin

Palästina vor 100 Jahren

1924 schrieb Felix Salten (eigentlich Siegmund Salzmann) nach seiner Reise nach Palästina einen ausführlichen Bericht. (1986 unter dem programmatischen Titel «Neue Menschen auf alter Erde» als Buch erschienen.) Mit grossem Erstaunen liest man seine Hoffnungen und Ideale, die der Autor wortgewaltig ausdrückt. Hier einige unbedingt lesenswerte Ausschnitte, die gerade auf dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen herausfordernd sind. Und be-denklich …

Politik der Versöhnlichkeit
«Die Politik des Friedens und der Versöhnlichkeit ist die einzig richtige, die von den Juden betrieben werden kann. Sie entspricht dem jüdischen Herzen, dem jüdischen Geist, entspricht den wahren menschlichen Geboten. Hier, auf dem Boden ihrer Urheimat, dürfen die Juden nicht als eroberungslustige Europäer auftreten, dürfen nicht Gewalt gegen Gewalt setzen wollen. Dürften es selbst dann nicht, wenn sie die volle Macht dazu hätten. Denn sie werden hier für immer mit den Arabern leben, mit den Arabern in Palästina, wie mit denen der grossen angrenzenden Länder. Sie legen jetzt den Samen in den Boden und in die Herzen für dieses immerwährende Zusammensein mit den Arabern. Wenn sie jetzt Hass und Vergeltung säen, werden sie niemals Liebe, oder auch nur Duldung ernten.» (S. VII)

Verbrüderung mit den Arabern
«Es wird sich die Verbrüderung mit den Arabern vollziehen, wird sich vollziehen müssen als die einzige, wirklich feste Grundlage für das Bestehen Palästinas wie für das Bestehen eines freien Arabien.» (S. 29f)

Kein öder Nationalismus
«Es bliebe bedenklich, wenn die Juden zu einem öden Nationalismus gelangen sollten, der die Barbarei und das Unglück so vieler Völker geworden ist. Nichts könnte die Juden dann davor retten, mit der hysterischen Anmassung französischer Chauvinisten, mit der dummdreisten Engstirnigkeit deutscher Rassenfanatiker in einer Reihe zu stehen.» (S. 102)

Grausame Verfolgungen
«In der Schule der Verbannungen, durch die sie gekommen sind, darin sie blutigen Hass erlitten haben, grausame Verfolgung und erbarmungslosen Druck, in dieser unvergesslich furchtbaren Schule sind die Juden zum Mitleid erzogen worden sind geläutert worden zur Duldung, zur fühlenden Anteilnahme an der Qual aller Kreatur, am Los der Verfolgten und Bedrückten. Es ist der tiefe Sinn, der jener Prüfungszeit innewohnt, dass die Juden eben durch sie zu einem freien, friedlichen Menschentum gelangten.» (S. 105)

Geist des Verstehens
«Die Juden hielten im Unglück fest an ihrem Ethos, fest an den Geboten, die ihnen im Blute wohnen. So erheben sie sich, über allen nationalistischen Grenzen, zu einem Weltgefühl, darin jede Angriffslust schweigt und darin jede Herausforderung, die nationaler Grössenwahn so gerne übt, fremd bleibt. Der Geist des Verstehens ist bei ihnen, der Wille, die Menschen zu achten, und die Bereitschaft, ihrer Versöhnung zu dienen.» (S. 105f)

Frage: Warum kam so vieles so ganz, ganz anders, als der intelligente Jude es vor 100 Jahren kommen sah?

zVg
24. Januar 2024 | 15:48
von Walter Ludin
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!

5 Gedanken zu „Palästina vor 100 Jahren

  • stadler karl sagt:

    Die isolierte Darstellung dieser Kartenausschnitte gibt den historischen Ablauf der Ereignisse während der letzten einhundert Jahre in keinster Weise authentisch wieder, verfälscht die Ereignisse schlichtweg und suggeriert einnmal mehr ein einseitiges, ja ausschliessliches Verschulden seitens der Juden und des späteren Staates Israel. Mit deratigen, die Ereignisse verfälschenden Darstellungen sollte man gar nicht erst von Frieden reden!

  • Pia Tschupp sagt:

    Nun hat Walter Ludin das Bild mit “diesen Kartenausschnitten” ersetzt. Mit einer Aufnahme aus dem Jahr 2018. Es zeigt Rashid, den Dorfvorsteher des Dorfes Yanoun in der Region Nablus, wie er vor einer Abschrankung steht und keinen Zugang mehr hat zu seinem Acker- und Weideland. Erlauben Sie mir ein paar “authentische” Informationen dazu:
    Einstmals lebten die Selbstversorger-Bauern friedlich in Yanoun und bewirtschafteten ihr Land nach alter Tradition. Als dann auf den Anhöhen rund um ihr Dorf zunehmend israelische Siedlungen gebaut wurden, war das beschauliche Leben vorbei. Nach sechs Jahren der Belästigungen, Angriffe und Bedrohungen verliessen die Bewohner das Dorf. Einige Mutige kehrten zurück. Sie wurden von israelischen und internationalen Friedensaktivist*innen unterstützt.
    Im Jahr 2003 haben die Menschen des Dorfes um internationale Friedensbeobachter*innen gebeten, und der Weltkirchenrat hat entsprechende Freiwillige entsendet. Dadurch hat sich die Situation etwas entschärft.
    Nicht alle Familien sind zurückgekehrt. Viele Häuser stehen bis heute leer.

  • stadler karl sagt:

    Das Bild wurde offenbar ersetzt, ja, wie ich gerade feststelle. Das ändert nichts an der Tatsache, dass diese isolierten Kartendarstellungen eine einseitige, verzerrte Schuldzuweisung gegenüber Israel suggerierten.
    Ich gehe jetzt nicht auf die Geschichte im Nahen Osten nach der Niederlage der osmaninschen Herrschaft im 1. Weltkrieg unter dem Protektorat Englands und Frankreichs ein. Damals, in Palästina, wo immer auch eine Minderheit von Juden lebte, als der Grossmufti von Jerusalem, Amin al Husseini in Zusammenarbeit mit den Nazis in den dreissiger Jahren die jüdische Einwanderung nach Palästina , aber auch die bereits dort wohnhaften Juden unter Schürung von Hass und Verbreitung nazistischer Propaganda bekämpfte. Es gab also keineswegs nur die Irgun unter Menchem Begin in der vierziger Jahren.
    Dass die damaligen Juden und der spätere Staat Israel den Palästinensern immer eine Zweitstaatenlösung verweigert hätten, die Palästinenser zu verdrängen suchten, wie das immer wieder kolportiert wird, tifft so einfach nicht zu. Stichwortartig nur kurz folgendes: Am 29.11.1947 beschloss die UNO die Teilung von britisch Palästina in ein kleines jüdisches und ein grösseres palästinensisches Gebiet, was von der damaligen jüdischen Führung, wenn auch in diesen Dimensionen widerwillig, akzeptiert wurde. Wenige Tage darauf rissen die Palsästinenser gegen die ansässsigen Juden einen Krieg vom Zaun, unterlagen jedoch militärisch, was aufgrund des Kräfteverhältnisses nicht unbedingt zu erwarten war. Als im Mai 1948 durch Ben Gurion die Gründung des Staates Israel ausgerufen wurde, schlugen mehrere arabische Staaten zusammen mit den Palästinensern gegen den neu errichteten Staat erneut los. Trotz der nicht erwarteten Niederlage okkupierten arabische Staaten grosse Teile von Gebieten, die den Palästinensern aufgrund des UN-Beschlusses zugedacht waren: Das damalige Transjordanien nahm sich das Westjordanland und Ost-Jeruasalem, während Ägypten sich im Gaza-Streifen festsetzte und dort blieb bis zum Sechs-Tage-Krieg, als Israel diesen eroberte.
    1978, fünf Jahre nach dem Jom Kippur-Krieg, kam das Camp-Devid-Abkommen zustande, der Friedensvertrag zwischen Ägypten und Israel. Die darin enthaltene und auch seitens Israels ausdrücklich unterstützte Stossrichtung beinhaltete gleichzeitig auch einen palästinensischen Staat. Das Abkommen sah vorerst die Autonomie des Westjordanlandes und des Gazastreifens vor. Wohl verstanden: Damals lebten kaum zweitausend Siedler im Westjordanland im Gegensatz zu den heute etwa 700’000 Siedlern. Und was war die Reaktion der Palästinenser auf dieses israelisch-ägyptische Abkommen? Sie setzen unter Arafat den Terror gegen den jüdischen Staat in massiver Weise fort.
    Es folgte 1993 das Oslo-Abkommen, mit ähnlichen Zielsetzgungen wie damals in Camp-David, zwischen Israel (massgebend waren dabei Begin und Perez beiteiligt) und der PLO unter Arafat. Und wiederum versuchten die Palästinenser ihre Ziele mehr mit brutalem Terror statt mit Diplomatie durchzusetzen.
    Es wiederholte sich Ähnliches im Jahre 2000/2001: Ministerpräsident Ehud Barak bot Arafat über 95% des Westjordanlandes mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines Palästinensersataates an. Als Reaktion erfolgte die zweite blutige Intifada (Auslöser war Sharons Besuch auf dem Tempelberg, einer ebenso heilien Stätte für die Juden) bis ungefähr 2005. Im gleichen Jahr 2005 erfolgte unter Ariel Sharon der vollständige israelische Rückzug aus dem Gazastreifen. Die baldige Antwort war ein regelmässiger verstärkter Raketenbeschuss aus Gaza durch die Hamas auf bewohntes israelisches Gebiet.
    Dennoch unternahm einmal mehr 2008 Ministerpräsident Ehud Olmert einen ähnlichen Versuch wie Ehud Barak, diesmal gegenüber Palästinenserpräsident Abbas. Die Antwort: Abbas belohnte die Hinterbliebenen von terroristischen Attentätern mit erheblichen Geldzahlungen und feiert sie bis heute als Martyrer.
    Niemand darf guten Gewissens behaupten, Israel hätte den Palästinensern keine Chancen für einen eigenen Staat geboten. Niemand kann bestreiten, dass in grossen Teilen der palästinensichen Bevölkerung und vor allem in deren Führung nie der eigentliche Wille bestand, den Staat Israel als solchen und dessen Legitimation anzuerkennen. Die stetigen Terroranschläge gegen die Zivilbevöllkerung setzte sich immerwährend fort.
    Auch wenn die folgende Siedlungspolitik Israels dennoch nicht richtig war und ist: Sehr starke Kräfte im Palästinenserlager, aber auch der Iran, die Hisbullah und weitere Kreise im islamischen Raum arbeiten mit allen Mitteln darauf hin, den Staat Israel auszuradieren. Auch darf nicht ausgeblendet werden, dass weite Kreise im Palästinenserlager am 7. Oktober 2023 auf den mörderischen Überfall durch die Hamas auf die israelsiche Zivilbevölkerung, wo es schlicht darum ging, so viele Juden als möglich zu massakrieren, mit grossem Jubel reagierten. Und alle die europäischen Staaten und dortigen politischen Kreise, die praktisch nur an die Adresse Israels die belehrfende Forderung richten, die einzie Lösung für einen Frieden sei eine Zwei-Staaten-Lösung, sollten sich erst einnmal mit der Geschichte dieses ganzen Konfliktes befassen. Denn das derzeitige Rechtsaussen-Regime ist erst seit kurzer Zeit an der Macht, übrigens auch zun Leidwesen weiter Teile der israelilschen Bevölkerung. Gemässigte und den Frieden in ehrlicher Weise anstrebende politische Kräfte Israels wurden von der Hamas und der PLO-Führung während Jahrzehnten mit stetigem blutigem Terror zurückgewiesen. Und in Europa geraten inzwischen jüdische Minderheiten in der Folge der stetigen Einwanderung aus dem muslimischen Raum immer mehr unter Druck, derart, dass nicht wenige sich mit dem Gedanken der Auswanderung tragen, dies bald achtzig Jahre nach Ende der Herrschaft des Nazismus in Europa! Man schaue nur nach Frankreich. Vor diesem Hintergrund erschienen die besagten isolierten Kartenausschnitte als blanker Zynismus.

  • Ernst Renggli sagt:

    Was Karl Stadler schreibt, stimmt nach meinen Kenntnissen genau. Man muss die Geschichte des jüdischen Problems aber noch weiter zurück verfolgen.
    Eine wichtige Wende kam mit der Idee des Österreichers Hertzel vom Judenstaat 1897 und der folgenden Gründung des Zionismus 1905 in Basel.
    Das trug auch zur Judenverfolgung und schliesslich zum Holokaust bei. Man sollte die Bücher von Leon Uris, selber ein Jude, Armagedon und Exodus lesen.
    Ich habe mich seit 1964, als ich sehr oft im mittleren Osten war, viel mit der politischen Entwicklung und der Geschichte der Region befasst und auch die 3000 Jahre alten Geschichte Israels studiert. Leider ist es eine Tragik, dass es in diesem Gebiet noch nie einen andauernden Frieden gab, und wie es heute aussieht demnächst auch nicht geben wird. Es ist auch eine Schande, dass sich die drei monotheistischen Religionen, mit den gleichen biblischen Wurzeln seit Anbeginn und Generationen bekämpfen.
    Verzeihen wäre die Lösung. Jesus hat das gepredigt und gemäss Überlieferung am Kreuz vor seinem Tod noch gesagt. Aber das Gegenteil wird von den Kontrahenten vertreten, “Rache und Auge um Auge”. Die dauernden Vergeltungsschläge zwischen Palästina und Israel sprechen ein klares Wort. Gegenseitiiges
    Aufbauen von Vertrauen wird unmöglich. Ich bin im Besitz von Dokumenten, die das klar bestätigen.
    Ich fühle mich hilf- und ratlos des Situation gegenüber und nur traurig, weil die Kriege auch Konsequenzen bei uns und weiten Teilen der Welt haben. Ich könnte viele Seiten über das Thema schreiben. Aber es bringt eh nichts, und die Erde dreht sich doch!
    Ernst J. Renggli, Mitglied Besatzung Swissair, Zerqa 1970

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst diese HTML-Tags und -Attribute verwenden:

<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.