Engadin
Daniel Kosch

Mystik und Management

Seit mir diese Formulierung während der Sommerferien auf einer Bergwanderung im Engadin zugefallen ist, geht sie mir immer wieder durch den Kopf. Sie ist zur Formel geworden für das, was mir wichtig ist und was ich anstrebe. Und sie benennt, was ich in der Institution «Katholische Kirche in der Schweiz» vermisse und was mir zentral scheint für ihre Zukunftsfähigkeit.

Mystik

Von «Mystik» spreche ich, weil ich überzeugt bin, dass der Glaube eines Menschen in der heutigen Welt nur dann überlebensfähig ist, wenn er tief in seinem Inneren verwurzelt ist. Es geht dabei um das immer wieder neue Einüben einer «ungeteilten Aufmerksamkeit für Gott» (Simone Weil), die sich keineswegs nur im Gebet, sondern auch in der ungeteilten Aufmerksamkeit für den Mitmenschen (sein Ebenbild) oder für das Hier und Jetzt (seine Schöpfung) zeigt – ganz im Sinne des ignatianischen «Gott in allen Dingen erfahren». Ich wünschte mir, es wäre spürbarer in unserer Kirche, dass sie von Menschen geleitet und mitgestaltet wird, deren die ungeteilte Aufmerksamkeit für den Gott Jesu alles durchdringt.

Management

Unter «Management» verstehe ich den bewussten, reflektierten und zielgerichteten Einsatz der zur Verfügung stehenden Ressourcen und Kompetenzen zur Schaffung förderlicher Voraussetzungen, damit Entscheidungen getroffen und lebensdienliche Entwicklungen möglich werden. Solches, als reflexive und gemeinschaftliche Gestaltungspraxis verstandenes Management (Johannes Rüge-Stürm) ist für die Kirche heute deshalb so wichtig, weil unsere Zeit sehr viele Optionen und mögliche Handlungsfelder eröffnet. Die Entscheidung, wofür die Kirche bzw. die einzelne Pfarrei oder Institution ihre Kräfte einsetzt, ist also nicht mehr vorgegeben. Und sie sollte nicht länger dem Zufall, dem «Es war immer so», oder der Beliebigkeit überlassen werden, sondern muss sorgfältig entschieden und laufend überdacht und angepasst werden.

Das unscheinbare «und»

Je länger ich über die Formel «Mystik und Management» nachdenke, desto wichtiger wird mir daran das unscheinbare «und»: Die Verbindung, das Hin-und-Her: Management, nicht nur kirchliches, braucht Aufmerksamkeit und innere Klarheit. Und ohne Management, ohne bewusstes und reflektiertes Gestalten der Arbeit verlieren sich die Chancen auf ungeteilte Aufmerksamkeit – sei es für Gott, für die Menschen oder für eine Sache – in der Zersplitterung und Unübersichtlichkeit.

Neu ist dieser Gedanke übrigens nicht: «Mystik und Management» kann durchaus als moderne Übersetzung des benediktinschen «ora et labora» (bete und arbeite) gelten.

Engadin | © Kosch, Daniel
19. August 2016 | 09:10
von Daniel Kosch
Lesezeit: ca. 1 Min.
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