Heinz Angehrn

Nun aber ganz Anderes: Popper, Teil I

Meine Person hat die Seiten und Kommentare, auch hier, nun für längere Zeit beansprucht, darum möchte ich in grossen geistigen Abstand zu den dabei aufgeworfenen Themen gehen. Ebenso möchte ich mich einige Zeit von einer zu engen innerkirchlichen Nabelschau verabschieden (auch ermöglicht die neue Seite der reaktionären Fraktion von Herrn Herzog dort eine weiterführende Diskussion).
Mit Adventsbeginn darum: Es gibt Wichtigeres!

Etwa: Wie die Vermengung von rassistisch-reaktionärem Gedankengut mit allen möglichen Themenbereichen, die uns beschäftigen und weh tun (Impfung, Russland, Trump, Klimawandel, Gender etc. etc.), zeigt, tut unserer Welt und ihren geistig-intellektuellen Verantwortlichen eine gründliche Booster-Impfung mit Karl R. Popper gut. Das möchte ich über die Advents- und Weihnachtszeit hier vornehmen. Ich möchte nicht verhehlen zu erwähnen, dass ich eine rechte Portion dieser Impfung Herrn Roger Köppel widme, der mir im Deutschschweizer Kontext zurzeit einer der übelsten braungefärbten Agitatoren zu sein scheint.

Beginnen wir für Exegese und Anwendung aber zunächst bei Poppers Ausgangspunkt. Schon auf Seite 4 (verwendete Ausgabe: Uni-Taschenbücher. Francke Tübingen. 6.Auflage 1980) steht ja: «Dem Andenken des Philosophen der Freiheit und Menschlichkeit IMMANUEL KANT sei die deutsche Ausgabe gewidmet». Kant ist und bleibt bis heute und wohl auch bis übermorgen ein Fixpunkt jedes aufgeklärt-liberalen Denkens. Zwar: Weder konnte sein Denken und Werk die dunkelsten Kapitel des 19. und 20.Jahrhunderts verhindern noch scheint er der moralische Kompass vieler heutiger politischer Führer/innen zu sein, und doch: Sowohl die Frage der sozialen und ökologischen Gerechtigkeit wie die damit verbundene um das Überleben von Planet und Menschheit scheint ohne ihn kaum lösbar zu sein. Putin und Trump, Bolsonaro und Orban, Köppel und Le Pen, sie alle haben entweder nie von Immanuel Kant gehört (bei Trump gut möglich, bei Köppel kaum), oder aber sie haben ihn verdrängt.

Popper in der Einführung zur deutschen Ausgabe (S.5): «‘Moral predigen ist leicht, Moral begründen schwer’, wie Schopenhauer sagt. Die Moral, die in diesem Buch implizite gepredigt wird, ist die, die Kant begründet hat – so gut sie der Verfasser eben versteht.»
So gut wir sie im Jahr 2022 verstehen, das ist die Arbeit.

Erste Aufgabe für den Beginn des Advents darum: Kant lesen, am besten die praktische Vernunft von 1788.

26. November 2022 | 17:00
von Heinz Angehrn
Lesezeit: ca. 1 Min.
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Ein Gedanke zu „Nun aber ganz Anderes: Popper, Teil I

  • stadler karl sagt:

    “Die Vermengung von rassistisch-reaktionärem Gedankengut mit allen möglichen Themenbereichen…”? Ich empfinde immer ein wenig ein ungutes Gefühl angesichts der Verwendung derartiger Formulierungen. Anfangs der 70er Jahre wurde ich einmal anlässlich einer Studentendiskussion, als von einer Demo die Rede war, bei der Mao-Bilder mitgetragen werden sollten, als “bourgeoiser Reaktionär” niedergeschrien, weil ich die Auffassung vertrat, mit solchen Geistern sollte man sich nicht solidarisieren. Und ich meine, auch auf dem Hintergrund heutiger politischer Ereignisse und Strömungen sollte man diesbezüglich zurückhaltend sein. Persönlich will mir scheinen, dass es längst nicht immer klar ist, was jetzt als “rassistisch” oder “reaktionär” zu gelten hat.
    Gewiss, Immanuel Kant ist ein grosser Geist, dem in der Aufklärung des 18. Jahrhunderts und auch über die folgende Rezeption ein sehr grosse Gewicht zukommt. Neben Moses Mendelsohn ist er im deutschen Sprachraum wahrscheinlich der bedeutenste Aufklärungsphilosoph. Ob ihn die grossen autoritären Figuren der Weltpolitik kennen, ist schwer zu sagen. Gewisse Zweifel stellen sich da ein. Roger Köppel jedoch kennt ihn gewiss. Ich verfolge dessen politische Tätigkeit eigentlich nicht, lese auch die Weltwoche nie. Vor etlichen Jahren jedoch führte die SVP Uri einmal eine öffentliche Veranstaltung durch, wobei Christoph Blocher und Roger Köppel als Referenten eingeladen waren. Ich hatte sie noch nie live erlebt und besuchte daher den Anlass. Das politische Thema, das behandelt wurde, interessierte nicht besonders. Aber ich wusste, dass Roger Köppel bei Hermann Lübbe über David Hume gearbeitet hatte. Im anschliessenden lockeren Teil der Veranstaltung steuerte ich sofort auf Herrn Köppel zu und wir haben uns sicher gegen eine halbe Stunde in einem sehr angeregten und interessanten Gespräch über Hume und Kant und den Einfluss von Hume auf Kant unterhalten. Politik bildete in diesem Gespräch überhaupt kein Thema. Die britische Philosophie hat natürlich sehr interessante Geister vorzuweisen, bereits im 17. Jahrhundert mit Locke oder Shaftesbury, aber auch im 18. Jahrhundert mit David Hume oder Adam Smith, die ja halbwegs Zeitgenossen von Kant waren und die Roger Köppel sehr wohl kennt. Es handelt sich um Autoren, welche die angelsächsische Denkweise verkörpern, die sich von der kontinentalen Philosophie teilweise unterscheidet und die, insbesondere Hume, auch Einfluss nahmen auf die spätere amerikanische und analytische Philosophie.

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