Heinz Angehrn

«Ihr macht uns die Kirche kaputt»

Von einem guten Freund hab ich vor Weihnachten das gleichnamige knappe (160 Seiten, Herder Freiburg 2019) Büchlein des Fribourger Moraltheologen Daniel Bogner (nicht Kleriker, sondern verheiratet und Familienvater) erhalten. «doch wir lassen das nicht zu!», so untertitelt er. Seine Diagnose lässt sich auf eine simple These reduzieren: Die aktuelle Krise der katholischen Kirche liegt darin begründet, dass sie – anders als in der neutestamentlich-jesuanischen Botschaft angelegt – bis heute und dies mitten auch in der modernen Welt des demokratischen Westens ein absolutistisch-monarchisches System ist, das keine Gewaltentrennung und damit auch keine «rechtsstaatlichen Standards» (S.113) kennt. Bogner gibt den Umgang mit dem Missbrauchsskandal und den anhaltenden Ausschluss der Frau von geweihten Ämtern als Hauptindizien an.

S.109 formuliert er seine These selber so: «In der Institution (katholische – d.V.) Kirche haben sich eine Machtpraxis und ein Machtverständnis etabliert, die dazu führen, dieser Verantwortung (wie mit Fehlern und der Fehleranfälligkeit von Menschen umgegangen wird – ebenso S.109, d.V.) nicht ausreichend gerecht zu werden.»

Sein Vorschlag zur Besserung der Verhältnisse ist die schon genannte Gewaltentrennung auch in der Kirche, die insbesondere dazu führen würde, dass die Entscheide der kirchlichen «Monarchen» – der Bischöfe oder der Ortspfarrer – einklagbar und damit durch eine unabhängige Instanz überprüfbar wären.

Ich höre schon das Geheul aller rechts aussen Stehenden, die Bogner sofort vorwerfen werden, das Heilige den Hunden, sprich die gottgegebene hierarchische Verfasstheit der Kirche der modernistischen bösen Neuzeit, vorzuwerfen und alles zu verraten, was uns Halt und Sicherheit gibt. Welche Sicherheit? Ich antworte da gerne mit dem Marquis Posa bei Schiller und Verdi: «die Sicherheit und Ruhe der Friedhöfe». Welche Friedhöfe? Die, auf denen die Hoffnungen, der Enthusiasmus und das Engagement so vieler – Laien, aber auch Kleriker – begraben wurden.

Darum: Danke, Herr Bogner!
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  • : pixabay.com CCO
8. Januar 2020 | 06:00
von Heinz Angehrn
Lesezeit: ca. 1 Min.
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2 Gedanken zu „“Ihr macht uns die Kirche kaputt”

  • karlr stadler sagt:

    Angebliches Geheul hin oder her! Persönlich bekunde ich mit all diesen “Erklärungen” und “Analysen” von Kirchenkrise und Missbrauchsthematik schon auch ein wenig Mühe. Als ob die Missbrauchsthematik ein kirchenspezifisches Problem wäre. Als ob es äusserst autoritäre Strömungen in der Kirche nicht schon von Anfang gegeben hätte? Man lese nur einmal “Die Geschichte des frühen Christentums” von Manfred Clauss oder mache sich anderweitig kund in der Geschichte. Oder besser: Man recherchiere, so weit das einem nach Möglichkeit offensteht, selber Zeugnisse von Kirchenlehrern und Krichenvätern. Man wird relativ bald fündig, welche Intoleranz, zeitweise gar gewalttätige destruktive Tendenzen sich gegenüber anderen Denkungsarten bereits damals gegenüber der hergebrachten antiken grischisch-römischen Kultur breitmachten. Unglaublich die Kulturschätze, die durch das Christentum beschädigt oder zerstört wurden. Und dies jeweis zumeist im Namen der neutestamentlich-jesuanischen Botschaft! Warum sollte die Kirche sich denn nicht schon in den ersten Jahrhunderten oder auch während späteren Phasen der Kirchengeschichte in einer Krise befunden haben? Neben allen riesigen Verdiensten, die dieser Institution zweifelsohne zuzurechnen sind: Ist denn die Krise nicht der eigentliche Zustand der Kirche, durch den sie sich seit jeher ausgezeichnet hat? Gab es denn jemals eine Zeit, wo innerkirchlich weniger Konflikte herrschten als heute, eine Zeit, wo sich nicht die einen als Meinungsmacher durchsetzten (als eines von vielen Beispielen möge das Konzil von Nicäa dienen) und der Rest sich zu fügen oder ganz allgemein gesenkten Hauptes in den Kirchenbänken Platz zu nehmen hatte? War denn dieser Prediger aus Nazareth wirklich ein so bedingungslos offener Zuhörer, wie uns von klein auf beigebracht wurde, oder legte er nicht vielmehr gerade in zentralen Aussagen, trotz allen Liebes- und Hoffnungsbekundungen, gleichzeitig auch den Keim der Zwietracht und der Ausgrenzung?
    Und warum soll nur die katholische Kirche in der westlichen Welt sich in der Krise befinden? Austrittszahlen bestätigen jedenfals diese Annahme in keiner Weise. Oft will es will einem scheinen, dass nicht zuletzt zentrale Errungenschaften der menschlichen Kultur sich zumindest teilweise als massiv erodierende Prozesse gegenüber Religion und Kirche auswirken, so paradox dies klingen mag. Es macht doch den Anschein, dass das Verhältnis von “fides et ratio”, das Verhältnis von Wissenschaft und Glaube, letztlich keiner Entspannung näher gekommen ist.
    Selbst wenn die brennsten kirchenpolitischen Probleme wie Frauenordination, Zölibat, Homilie und viele andere endlich für alle Mitglieder zufriedenstellend gelöst sein oder Krisenherde wie Missbrauch endlich entschärft sein werden: Persönlich kann ich mir nicht vorstellen, dass dannzumal die Institution “Kirche” aus dem ihr je eigenen Zustand “Krise” herausgefunden haben wird.

  • Die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle, die freilich viel zu spät begann, ist in diesem Zusammenhang immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Doch was ist mit den Opfern nicht-sexuellen kirchlichen Machtmissbrauchs? Was ist mit denen, die nicht einmal die Möglichkeit haben, sich an die vereinzelten kirchlichen Ombudsstellen (die oft nur für kirchliche Angestellte da sind) zu wenden?

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