Walter Ludin

Harte Aufforderungen zur Nachfolge

Wir alle sind überrascht, wie harte Worte Jesus im heutigen Evangelium braucht; er, von dem wir sagen, er sei «sanft und demütig von Herzen».

Er ruft – recht wenig sanft – dazu auf, sein Kreuz zu tragen; oder ebenso befremdlich, die Aufforderung, seine Familie, ja sich selber gering zu achten. Sonst könnten wir nicht seine Jünger, seine Jüngerinnen sein.

Ja, dies tönt provozierend, herausfordernd, ja erschreckend. Jedoch: Immer mehr Gläubige entdecken, dass der christliche Glaube nicht immer und überall harmlos ist. Bedenken wir: Jesus wurde wegen seiner unbedingten, grossen Liebe zu den Armen und Ausgestossenen brutal umgebracht. Frage: Dürfen wir da erwarten, dass jene, die ihm nachfolgen, immer Friede, Freude und Heiterkeit erwarten dürfen?

So ist immer öfter zu hören: Der Glaube ist kein Sonntagsspaziergang. Wir haben keine Wellness-, keine Wohlfühlreligion. Sicher: Die Botschaft Jesu ist eine Frohbotschaft. Doch sie ist keine Narkose, die uns jeden Schmerz erspart.

Wir verstehen das heutige Evangelium wohl erst richtig, wenn wir uns fragen, was heisst es, in der «Nachfolge Jesu» zu leben? Was heisst es, seine Jünger, seine Jüngerinnen zu sein?

Wichtig ist, zu sehen, dass dies nicht für alle das Gleiche bedeutet. Schon zu Jesu Lebzeiten gab es eine – wie man in der Sprache der Theologie sagt – abgestufte Jüngerschaft: Es gab die zwölf Apostel, die 72 Jünger und Jüngerinnen, aber zum Beispiel jene, die von Jesus geheilt wurden, bei ihm bleiben wollten, aber nachhause geschickt wurden.

Und nach der Zeit Jesu gab es ebenso unterschiedliche Formen, ihm in der Kirche nachzufolgen. Die meisten blieben an ihrem Wohnort, andere aber verliessen alles und zogen als Wanderprediger durch die ganze Welt.

Nun, ich möchte Sie jetzt nicht mit noch mehr geschichtlichen Fakten langweilen. Werfen wir einen Blick in die Gegenwart. Auch da gibt es ganz unterschiedliche Wege der Nachfolge Jesu:

  • Wir finden da Ordensfrauen und Ordensmänner, die auf Besitz und auf die Ehe verzichten.
  • Seit einige Jahrzehnten gibt es so genannte Bewegungen, die versuchen, ihren Glauben radikal und in besonders enger Gemeinschaft zu leben.
  • Und dann gibt es die grosse Mehrheit: Männer und Frauen, die in Pfarreien versuchen, ihren Glauben überzeugend und glaubwürdig zu leben. Von ihnen erwartet Jesus keineswegs,- wie es am Schluss des heutigen Evangeliums heisst – dass sie ihre Familie verlassen und völlig auf Besitz verzichten.

Trotzdem: Auch diese Gläubigen dürfen nicht von Besitz und Reichtümern «besessen» sein. Sie sind eingeladen, ein offenes Herz für die Benachteiligten zu haben; und, wie es das Fastenopfer seit Jahrzehnten vorschlägt, zu «teilen». —-

An einer wichtigen Stelle des Evangeliums fragt Jesus seine Anhänger: Was tut ihr, was nicht auch die Heiden tun? Auch diese Frage provoziert uns. Wir alle sollten sie in einer stillen Stunde überlegen. Hier nur einige Denkanstösse:

  • Gehen wir achtsamer, verantwortungsbewusster mit der Umwelt um, weil wir wissen, dass Gott sie uns als seine Schöpfung anvertraut hat?
  • Sind wir gastfreundlich, mitmenschlich gegenüber jenen, die ihre Heimat wegen Krieg oder Hungersnöten verlassen mussten?
  • Oder nochmals zum Thema Besitz: Finden wir es richtig, dass wir unseren Reichtum dadurch aufrechterhalten, indem wir Waffen produzieren, die in Kriegsländern wie Jemen eingesetzt werden? Ich weiss, jene, die davon profitieren, sagen, sie müssten Arbeitsplätze erhalten.

Zum Schluss zum Thema «Arbeitsplätze» ein eindrückliches Beispiel, das mir vor einigen Tagen nochmals unter die Augen gekommen ist, als ich alte Zeitungsausschnitte durchsah: Ich fand einen Artikel mit der Überschrift «Diese Schweinerei mache ich nicht länger mit.» Er handelt von einem Mann namens Ralf Winkler, der zur Nazizeit in der Schweiz Maschinenschlosser war.

Man ahnt es: Der Arbeiter entdeckte, dass er bei Sulzer für Hitler arbeitete, konkret Motoren für deutsche Unterseeboote produzierte. Winkler kündigte und begann, bei einem Bauern als äusserst schlecht bezahlter Knecht zu arbeiten. Er war damit körperlich überfordert und begann wieder auf seinem Beruf zu arbeiten. Doch damit kam er wieder in Teufels Küche. Bei Escher Wyss musste er mithelfen, Kühlzellen für Rommels Afrika-Feldzug herzustellen.

Und kündigte nochmals. Er fand später einen Betrieb, der landwirtschaftliche Maschinen herstellte – für Schweizer Bauern. Und er kam zur Einsicht, «sich weniger von Furcht und Sorgen leiten zu lassen, sondern unbekümmert seinen Weg zu gehen, sobald man diesen als sauber und richtig erkennt. Denn meist kommt es doch weit besser heraus, als man es sich zuvor in seinen Ängsten dachte.»

So wurde dieser Mann sozusagen zu einem FRIEDENSHELDEN.

 

Diese Zuversicht wünsche ich auch den politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen von heute: die Überzeugung, dass man nicht tödliche Waffen produzieren muss, damit wir überleben können.

http://www.flexibles.ch/Nachhaltigkeit/Ralf%20Winkler/vf_nh_ralf_winkler.html

Bildquellen

  • Neben Kriegshelden gibt es auch Friedenshelden @ Walter Ludin: Bildrechte beim Autor
Neben Kriegshelden gibt es auch Friedenshelden @ Walter Ludin
7. September 2019 | 21:12
von Walter Ludin
Lesezeit: ca. 3 Min.
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