Heinz Angehrn

Fremdstimmen zum Unfug

Damit nicht immer nur der Schreiberling zur Sprache kommt, Stimmen aus den NZZ-Ausgaben der letzten Tage (02.09. Interview R.Scheu/F.A.Meyer S.28f mit dem Titel «Ich bin doch nicht im falschen Leben, bloss weil ich schnelle Autos mag»; 03.09. L.Scherrer S.10. mit dem Titel «Erlaubt ist, was uns nicht stört»):

«Je elitärer die Universität, also je wohlbehüteter die studierenden Wohlstandskinder, desto doktrinärer und autoritärer treten sie auf.» (F.A.Meyer)

«Heute haben die Rebellen des einzig Guten, Wahren allerdings keine gemeinsame ideologische Prägung, sondern lediglich eine gemeinsame Sozialisation an den Universitäten. Sie sind von einem Erziehungsfuror getrieben, sie möchten ihre Befindlichkeit und ihre Nöte zur Richtschnur der ganzen Gesellschaft machen. Was sie tatsächlich verbindet, ist die Sorge um den eigenen Machterhalt. Denn Meinungsmacht bedeutet Positionsmacht – und umgekehrt. Je mehr ihre Macht infrage steht, desto dünnhäutiger und aggressiver reagieren sie – Sensibelchen, die sich damit als Spiesser entlarven.» (F.A.Meyer)

(Aber natürlich ist der Herr Meyer mit seinen 76 Jahren mehr als ein Greis, er ist quasi ein Untoter …)

«Tatsächlich offenbaren Progressive in ihren Revieren immer wieder eine seltsame Mischung aus Widerstandspathos, lokalpatriotischem Herr-im-Haus-Gebaren und Willkür.» (L.Scherrer)

«Das Beunruhigende ist …, dass sich Teile der demokratischen Linken als Erfüllungsgehilfen oder Claqueure für radikale Gruppen betätigen, die von Demokratie und Rechtsstaat ebenso wenig halten wie von Gewaltfreiheit … Legitimiert werden diese kaum verhohlenen Aufrufe zur Selbstjustiz mit Behauptungen, wonach die Meinung der Betroffenen keine Meinung, sondern Sexismus, Rassismus oder schlecht ein ‘Verbrechen’ sei. Wobei nicht die Gesetze, sondern die Gefühle der Aktivisten bestimmen, was rassistisch, sexistisch, hetzerisch und verbrecherisch ist.» (L.Scherrer)

Und der Schreibende ist wirklich dezidiert der Meinung, dass die Zürcher Politiker/innen solchem gewalttätig-aggressivem Mob zugedient haben, wie sie den «Marsch fürs Läbe» verboten haben.
Wie der Titelsetzende schrieb: Erlaubt ist, was die Gralshüter des einzig Wahren nicht stört. Die «Feinde der offenen Gesellschaft», sie hocken heute nicht nur in reaktionär-faschistoiden Ecken, sondern im wohl behüteten Mainstream dessen, was gerade «mehrheitsfähig» ist.

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9. September 2020 | 06:00
von Heinz Angehrn
Lesezeit: ca. 1 Min.
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Ein Gedanke zu „Fremdstimmen zum Unfug

  • stadler karl sagt:

    Da ist Ihnen recht zu geben. Die Demo der Abtreibungsgegner aus polizeirechtlicher Begründung nicht zuzulassen, bloss weil linksextreme “Antifaschisten” diese womöglich gewalttätig gestört hätten, ist ein Entscheid, der sehr zu denken gibt. Ungeachtet, wie man über die rechtliche Regelung der Abtreibungsfrage denkt: Solange die Abtreibungsgegner ihrerseits in friedlichem Rahmen ihre Demo durchführen wollen, ist ihnen das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu gewährleisten und sind zuerst jene Kräfte zurückzudrängen, die bestrebt sind, ihnen nicht genehme Meinungskundgebungen gewalttätig zu stören oder gar zu verhindern. Diesbezüglich hat Frank A. Meyer in dem von Ihnen erwähnten Interview recht, wenn er sagt, dass letztlich vieles verhandelbar sein darf, nur die Demokratie und der Rechtsstaat, die Voraussetzungen für eine offene Gesellschaft, ihre tragenden Fundamente, nicht.
    Auf der anderen Seite sollte sich Meyer auch nicht so betupft geben, wenn jugendliche Klima-Aktivisten manchmal mit der Tür ins Haus stürmen wollen und das politisch kurzfristig Machbare ein wenig aus den Augen verlieren. Ich glaube nicht, dass dies, wie Meyer meint, aus einem absoluten Wahrheitsanspruch heraus passiert, oder aus einer Arroganz gegenüber den einfachen Leuten, die täglich krampfen und unter Anstrengung ihren Pflichten nachgehen müssen. Aber dass wir alle – keineswegs nur der Westen – uns ökologisch im Laufe der Jahrzehnte mehr oder weniger in eine Sackgasse hineinmanöveriert haben und die Politik, aber auch wir in unseren privaten Lebensformen, uns radikaler verändern sollten, das ist letztlich eine Erkenntnis, die Wissenschafter ebenfalls seit Jahrzehnten, zumindest seit den 90er Jahren, weltweit regelmässig offen legen.
    Vielleicht ist es halt schon ein wenig so, dass jugendliche Menschen, beseelt von visionären Vorstellungen und Hoffnungen, mehr dazu neigen, andere Vorsellungen abrupt abzulehnen und in den Wind zu schlagen. Die Geschichte würde viele Beispiele bereithalten, die zum Teil leider, was nie gutgeheissen werden sollte, auch in gewalttätigen Auseinandersetzungen ihren Ausdruck fanden.
    Aber bei den gesitteten, anständigen und mit Verdiensten ausgezeichneten Bürgern geht es ab und zu keineswegs weniger furchterregend zu. Wenn einige einflussreiche Meinungsmacher der SVP Schweiz im Parlament einen Antrag einreichen, einen Bundesrichter, der gar aus ihren Reihen stammt, anlässlich der Erneuerungswahlen nicht mehr zu wählen, bloss weil er offenbar an Urteilen mitwirkte, die nicht mit der politischen Linie der Partei in Einklang zu bringen sind, da ahnt man, wie weise die Verfassungsgeber der USA gewesen sein mussten, die Mitglieder des Supreme Court auf Lebenszeit ernennen zu lassen, allerdings auch, warum derartige Ernennungen politisch so heiss umkämpft sind.

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