Buch-Cover © Walter Ludin, 2019
Walter Ludin

Fragemente der Hoffnung. Sowie: Öko-Moral

Fulbert Steffensky: Fragmente der Hoffnung. Radius-Verlag 2019. ISBN/GTIN 978-3-87173-600-1. 189 S., CHF 27.90.

Sein Buch sei ein «Leipziger Allerlei», bemerkt Fulbert Steffensky leicht selbstironisch gegenüber dem Rezensenten. Mag sein, doch alle Zutaten schmecken hervorragend, so unterschiedlich sie auch sind. Jeder der meist recht kurzen Beiträge enthalten neue Perspektiven und ungewöhnliche Denkanstösse. Sie sind in einer klaren Sprache mit einem poetischen Einschlag geschrieben. Und nicht zuletzt: Es ist höchst erstaunlich, wie nahe der 85-Jährige dem Leben von heute steht. Nie entsteht der Eindruck, der «alte weisse Mann» kenne sich im Jetzt nicht mehr aus. Mögen viele sich an seinem schmackhaften «Allerlei» erfreuen.

Zitat

«Ich frage mich, was unsere Kinder und Enkel von uns zu erzählen haben. Können sie sich daran erinnern, dass ihre Pfarreien die Kirchentüren geöffnet haben für die Mütter und ihre Kinder aus Syrien? Können sie sich daran erinnern, dass ihre Eltern demonstriert haben für die Aufnahme der Männer aus Nigeria, die ihren Folterknechten entkommen konnten?

Vielleicht haben sie auch andere, bittere Erfahrungen. Vielleicht müssen sie sich sagen: Unsere Väter haben zwar gelesen, dass Tausende Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken sind, an Bord verdurstet oder in Dieselabgasen erstickt sind. Aber die Zahlen haben ihr Herz nicht erreicht …»

Fulbert Steffensky: Fragmente der Hoffnung. S. 124 im Kapitel Gastfreundschaft

Michael Kopatz: Schluss mit der Öko-Moral. Wie wir die Erde retten, ohne ständig daran zu denken. oekom-Verlag 2019. ISBN/GTIN978-3-96238-131-8. 240 S. CHF 30.90.

Der Titel des Buches ist irritierend und ebenso irreführend.  Es geht keineswegs darum, den Klimawandel zu leugnen und darum ein umweltgerechtes Verhalten als überflüssig zu erklären. Der Ökologe Michael Kopatz skizziert zwar unzählige mögliche Verhaltensweisen. Er ist sich aber bewusst, wie wenig diese bewirken – im Vergleich zu den notwendigen Massnahmen, die gewaltig gross. Darum fordert er, sich unbedingt auf der öffentlichen und politischen Ebene zu engagieren, durch Wahlen, Kontakte mit Politikern, Demos, Unterschriftensammlungen usw. Erst wenn die Politik die notwendigen Vorgaben macht, wird sich genügend ändern.

Ein Beispiel: «Generelle Appelle an die Vernunft von Autofahrern sind absolut wirkungslos.» Sie dürfen nicht an die Stelle politischer Entscheide treten: etwa der Stopp neuer Strassen, die Erhöhung der Benzinpreise, Vorschriften für die Höchstwerte von Abgasen usw.

Auch wenn viele Beispiele vor allem Deutschland betreffen, ist das Buch für Schweizer Umweltbewegte fast Pflichtlektüre.

Zitate

Verzicht auf Plastikhalme

«Ich bin fest davon überzeugt, dass das Engagement für solche Verordnungen (Verbot der Plastikhalme durch die EU) wichtiger ist, als beim Besuch in einem Café auf den Strohhalm zu verzichten. Man kann aber gerne beides tun.»

Michael Kopatz: Schluss mit der Öko-Moral. S. 144

Windkraft gegen Vögel?

«Tatsächlich kommen (wegen den Windrädern) jährlich zwischen 10 000 und 100 000 Vögel um. Hunderttausend Vögel sind viel. Aber die Zahl relativiert sich, wenn man bedenkt, dass pro Jahr schätzungsweise 18 Millionen Vögel an Glasscheiben zu Tode kommen. Hohe Verlustzahlen entstehen an Freileitungen und beim Vogelschlag an Strassen und Bahnstrecken. Doch davon ist bei den ›Vogelfreunden»’ keine Rede.

Michael Kopatz: Schluss mit der Öko-Moral. S. 178

Buch-Cover © Walter Ludin, 2019
23. Dezember 2019 | 17:43
von Walter Ludin
Lesezeit: ca. 2 Min.
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2 Gedanken zu „Fragemente der Hoffnung. Sowie: Öko-Moral

  • stadler karl sagt:

    18 Millionen Vögel kommen an Glaswänden jährlich zu Tode? Weltweit? Das wusste ich nicht. Mancherorts sieht man ja wahrscheinich aus diesem Grunde Raubvogel-Kleber an solchen Wänden. Jedenfalls ist das inakzeptabel zu viel! Aber man könnte es als ein weiteres Beispiel deuten, wie Interessen unserer “Kultur-Ästhetik” sich keineswegs immer mit Umweltschutzanliegen unter einen Hut bringen lassen. So wenn landschaftsschützerische Argumente gegen mehr oder weniger saubere, erneuerbare Energiegewinnung ins Feld geführt werden? Oder wenn im Kontext heimatschützerischer Argumentation einem Privaten verwehrt wird, eine Photovoltaik-Anlage in geplanter Grösse auf einem Gebäudedach zu installieren und er angehalten wird, diese um eine Anzahl Panels verkleinert anzubringen, was zu einer erheblichen Leistungsverringerung führt. Und dies alles bloss, weil angeblich der Zwischenraum zwischen Dachrand und Anlage zu schmal ausfallen würde. Das besagte Gebäude, das in keiner Weise unter Heimatschuz steht, befindet sich stark abseits, derart, dass im Grunde der Unterscchied gar niemandem auffallen kann.

  • Michael Bamberger sagt:

    Wenn Sie ganz ehrlich sind, kommen Sie in familiären Umfeld nicht um folgendes des angeblichen Christentums-Begründers herum:

    “So jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, auch dazu sein eigen Leben, der kann nicht mein Jünger sein.” (Lukas 14:26)

    So viel zum “lieben Jesuskind”

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