Karin Reinmüller

Erst Frauenstreik – und dann das

Am 14. Juni war bekanntlich Frauenstreik, und ich zum ersten Mal seit langem wieder auf einer Demo. Unter den überwiegend weiblichen Menschschenmassen in Zürich habe ich gelernt: In der Schweiz wird gut gelaunt und mit Sonnencreme demonstriert, sehr angenehm! Weniger angenehm, dass es heute noch nötig ist, sich für Lohngleichheit und Anerkennung typischer «Frauenarbeit» einzusetzen.

Dass das nicht nur die Schweiz betrifft, erlebe ich gleich am nächsten Tag: Pünktlich zum Frauenstreik (ziemlich sicher unabsichtlich) ist nämlich in Deutschland das neue «Jesuiten»-Heft mit dem Thema «Kirche der Frauen»* herausgekommen – eine an sich feine Zeitschrift, die ich bis jetzt nicht als blutdrucksteigernd erlebt habe. Aber für alles gibt es ein erstes Mal:

Da wird von einer Pfarrei in Deutschland berichtet, die seit einigen Jahren, mangels Hauptamtlicher, ehrenamtlich geleitet wird, und zwar von drei Frauen. Ich sag mal, das Geschlecht der Gemeindeleiterinnen ist das am wenigsten Erstaunliche an diesem Bericht. Denn schon Christine de Pizan fand im 15. Jahrhundert deutlich weniger Männer als Frauen in den Kirchen – was vermutlich nicht daran lag, dass diese Männer sich zu Hause um die Kinder kümmern und den Gerstenbrei kochen mussten. Und ehrenamtliche = unbezahlte Tätigkeiten sind typische Frauenaufgaben. Nicht zuletzt, weil Männer immer noch besser verdienen als Frauen. Nur deshalb macht es finanziell Sinn, wenn in einer Familie Frau Teilzeit arbeitet, sich um Kinder und/oder Ehrenamt kümmert, während der Mann sich in Vollzeit mit Überstunden seinem beruflichen Vorankommen widmet.

Nicht falsch verstehen, bitte: Ich finde es super, dass diese Frauen die Sache in die Hand genommen haben und ihre Gemeinde leiten. Aber sie sind, so «fortschrittlich» ihre Positionen in der Kirche in Deutschland scheinen (wo auch hauptamtliche nicht-geweihte GemeindeleiterInnen selten sind) genau in diesen Positionen eingebunden in ungerechte gesellschaftliche Strukturen. Und damit wären sie vielleicht besser geeignet als manch anderer, eine Eucharistiefeier zu leiten: Die Aufforderung «Tut dies zu meinem Gedächtnis!» hat Jesus an eine illustre Gruppe von Menschen gerichtet, die überwiegend gesellschaftlich nicht auf der Gewinnerseite standen. Wird Zeit, dass wir als Kirche anfangen, solche Menschen auszubilden und zu beauftragen, für ihre Gemeinden.

*online unter https://www.jesuiten.org/wer-wir-sind/zeitschriften/publikation-jesuiten/

und wo sind die Boni für ehrenamtliche Arbeit? Frauenstreik 2019 Bild: Karin Reinmüller
17. Juni 2019 | 20:34
von Karin Reinmüller
Lesezeit: ca. 1 Min.
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4 Gedanken zu „Erst Frauenstreik – und dann das

  • Sylvia Stam sagt:

    Das ist ein typisches Beispiel für das, was Daniel Bogner im Interview anlässlich des Frauenstreiks sagt: “Dadurch wird der Eindruck erweckt, man tue jetzt etwas für die Frauen. Aber die konstitutive Ungleichheit bleibt vorhanden. Es bleibt die Frage, womit gerechtfertigt werden kann, dass nicht Qualifikation und Kompetenz, sondern Weiheamt und Geschlecht zählen. Es sind dies alles Notlösungen innerhalb eines monarchischen Duldungsrahmens.”
    https://www.kath.ch/newsd/bevor-die-frauen-die-kirche-boykottierten-hat-die-kirche-die-frauen-boykottiert/

  • luigi clerici dr theol, nairobi sagt:

    Leider Gottes werde die kath. Weltkirche bis zum Jueungsten Tag – falls ihr an den noch glauben wollt – hoechst wahrscheinlich nicht zur protestantisch vielfaeltigen Regierungsform hinueber wechseln,

    meint der sonst so initiative argentinische Nachfolger von Ehemann und Vater Petrus vom galilaeischen See. Da duerft ihr wieder auf das halbe Tausend widerspenstiger schwarzer Bischoefe fluchen die das verhindern.

  • Karin Reinmüller sagt:

    @luigi clerici: Stimmt – ich möchte der katholischen Kirche eine Entwicklung, wie ich sie bei der anglikanischen Kirche (wo glaube ich auch gerade in Afrika die Frauenordination abgelehnt wird) sehe, ersparen. Deshalb die Idee, Menschen, die eine Gemeinde/Gemeinschaft leiten, für diese Gemeinde zu beauftragen, dort auch der Eucharistie vorzustehen.

  • Karin Reinmüller sagt:

    @Sylvia Stam: Genau. Wobei in diesem Fall dazu kommt, dass die Kirche da an sich etwas sehr Passendes macht: Menschen, die (zum Beispiel als Ehrenamtliche) gesellschaftlich nicht auf der angesehendsten Seite stehen, zu Führungsaufgaben zu befähigen, ist meiner Meinung nach genau auf der Linie der katholischen Soziallehre. Nur müssten wir noch einen Schritt weitergehen und auch im Gottesdienst sichtbar machen, dass sie die Gemeinde leiten.

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