Markus Baumgartner

Die erste palästinensische Pfarrerin im Heiligen Land

Sally Azar ist eine Ausnahmefigur der protestantischen Kirche: Die 27-jährige ist palästinensische Christin und arbeitet als erste Pfarrerin der evangelisch-lutherischen Kirche in Jerusalem. Die Pionierin hofft, dass ihre Rolle andere Frauen dazu inspiriert, einflussreiche Positionen im religiösen und politischen Leben anzustreben. Sally Azar spricht fliessend Arabisch, Englisch und Deutsch. So kann sie zwischen unterschiedlichen Kulturen vermitteln.

Nach einem längeren akademischen Weg hat sich die Palästinenserin Sally Azar ihren Lebenstraum erfüllt: «Ich bin die erste weibliche Pfarrerin in Palästina», sagte die 27-jährige in einem Interview mit Anadolu. Sally Azar wuchs in der evangelisch-lutherischen Kirche in Jerusalem auf und besuchte die Schmidt-Schule in der Nähe der Jerusalemer Altstadtmauern. Sie ist die Tochter von Erzbischof Sani Ibrahim Azar von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land. Ihr Vater beeindruckte sie seit ihrer Kindheit durch seine Rolle: «Ich bin in der Kirche aufgewachsen und habe meinen Vater immer als Pfarrer gesehen. Ich fand das immer sehr schön. Ich wollte so sein wie er. Ich liebe Theologie und wollte daher Pfarrerin werden.»

Ordination nahe der Grabeskirche

Ihr Vater hat sich nicht in ihre Entscheidungen eingemischt, erklärt Sally Azar: «Wir sind drei Töchter zu Hause, von denen jede ein anderes Fach studiert. Eine möchte Ärztin werden, die andere möchte Sozialarbeit studieren. Was mich betrifft, ich habe mich für Theologie entschieden.» Sie hat vier Jahre im Libanon studiert, bevor sie ein Aufbaustudium in Göttingen in Deutschland absolvierte und ein Vikariat in Berlin machte. Sally Azar wurde Ende Januar 2023 in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jerusalem zur Pfarrerin ordiniert. Die Ordination fand nur einen Steinwurf von der Grabeskirche entfernt statt, wo Jesus Christus begraben und wieder auferstanden sein soll. Sally Azar sagte zur «Times of Israel», sie habe «sich von biblischen Frauen inspirieren lassen, die etwas in der Gesellschaft verändern wollten». Und ergänzt: «Meine positive Einstellung und mein Sinn für Humor helfen mir, Herausforderungen mit Zuversicht anzugehen und auch in schwierigen Zeiten das Beste aus der Situation zu machen.»

Predigt über die Liebe

Vor Monatsfrist predigte Sally Azar am Jahresfest des Jerusalemsvereins über die Liebe aus dem 1. Korintherbrief Kapitel 13: «Paulus spricht von Agape, der Liebe, die am deutlichsten in Gottes Liebe zu den Menschen im Leben, Tod und der Auferstehung Jesu Christi verkörpert ist. Diese Liebe ist in erster Linie keine Emotion, sondern eine Handlung. Sie sucht nicht das eigene Wohl, sondern das Wohl dessen, der geliebt wird.» Diese Worte sind für die Pfarrerin in der aktuellen Situation in Israel eine besondere Herausforderung. Sally Azar weiter: «Das Bild der Liebe, das Paulus der Kirche vor Augen stellt, hat nichts Sentimentales. Eine solche Liebe ist aktiv, robust, widerstandsfähig und langmütig. Das gläubige Leben besteht darin, Zeugnis in Wort und Tat von der Vorrangigkeit der Liebe, dem Charakter der Liebe und der Ausdauer der Liebe abzulegen.» Für das praktische Miteinander in Israel wünscht sie sich Frieden. Voraussetzung sei das gegenseitige Zuhören – viele hätten Mauern in den Herzen aufgebaut. Sally Azar ist so etwas wie die personifizierte Hoffnung, schreibt «Die Zeit»: In einer Region, in der jeden Tag Raketen fliegen, Bomben fallen, Menschen festgehalten und getötet werden, ist ihr Ansatz ein radikaler: beide Seiten zu sehen. Sie spricht ernst, eindringlich und bittet die evangelischen Christen, weniger zu urteilen, sondern den Schmerz der Menschen auf beiden Seiten zu sehen: «Als christliche Gemeinschaft können wir uns darauf konzentrieren, diese Hoffnung und Liebe weiterzugeben.»

Sally Azar_Screenshot YouTube
23. April 2024 | 05:33
von Markus Baumgartner
Lesezeit: ca. 2 Min.
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Ein Gedanke zu „Die erste palästinensische Pfarrerin im Heiligen Land

  • Hansjoerg sagt:

    Sally Azar möchte als evangelische Pfarrerin andere Frauen dazu inspirieren, einflussreiche Positionen im religiösen und politischen Leben anzustreben. Ein schönes Ziel und ein wesentlicher Beitrag zum Leben innerhalb einer Gemeinschaft.

    Innerhalb der kath. Kirche ist das leider alles nicht möglich, weil die alten Männer in Rom an ihrer Macht festhalten, und Frauen nicht gleichwertig und nicht gleichberechtigt behandeln.

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