Heinz Angehrn

Die alten weissen Männer

die seien an allem Unheil schuld, das je über die Menschheitsfamilie gekommen ist und noch kommen wird, so eine neue Saga, die weite Verbreitung gefunden hat und in manchen Frauenkreisen bejubelt wird. Überhaupt – gemäss dieser Saga – ist zu Gewalt, Diskriminierung, Unterdrückung und Übergriffigkeit jeder Art nur eine species von Menschen fähig, die die eben a) männlich, b) hellhäutig und c) fortgeschrittenen Alters ist. Nun haben wir in den letzten Jahren, getrieben von Genderwahn und sensibelster Correctness, schon viele solcher Thesen gehört, doch so dumm und unlogisch wie diese war noch keine!

Man(n) könnte sie darum abtun und einfach vergessen, aber Sarkasmus und Ironie scheinen mir das bessere Mittel sein, damit umzugehen. Es sei auch erwähnt, dass dieser Text ursprünglich als Editorial zu einer Nummer zum Thema «Feminismus» gedacht war, jedoch als zu provokativ ad acta gelegt werden musste. So erscheint er nun hier. (Und Wilhelm II. und seine Generäle sind doch der bestmögliche Hintergrund … wir hätten natürlich auch eine Kardinalsversammlung nehmen können …)

Verifizieren wir die These zunächst am erstmöglichen Mann, der uns in den heiligen Schriften begegnet, an Adam. Denn das, was wir Erbsünde bzw. Erbschuld nennen, ist ja wohl Ursprung und Anfang allen Unheils und Übels überhaupt. Doch da wird es schon schwierig. Erstens macht die in Genesis 2f erzählte Geschichte das Suchen nach dem wahren Schuldigen recht mühsam: hinter Adam stand ja seine Eva (lautet nicht ein Spruch: hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau, denken wir nur an Frau Blocher und an Hillary) und noch weiter dahinter der/die/das Böse schlechthin, sich diesmal tückisch als Schlange tarnend. Zweitens ist Adam zwar ein Mann (zumindest ab der geschilderten Operation am ursprünglichen Es, der/die/das da war), aber weder alt noch weiss, sondern erst gerade der Wüstenerde des Vorderen Orients entkrochen. Folgerung: Die These scheitert schon am erstmöglichen historischen Ort.

Wenn nicht hier, dann aber in der Weltgeschichte. Wladimir Putin – ein Volltreffer. Donald Trump – dito. Doch listen wir weiter auf, werden wir nachdenklich. Kim Jong-un, junger Asiate; Baschar al-Assad, mittelalterlicher Araber; Idi Amin, Baby Doc Duvalier, beide schwarz; Margaret Thatcher, wenigstens weiss … Hilfe, sie waren gar nicht alle alt, weiss und männlich, diese Täter/innen. Und Reinhard Heydrich und Adolf Eichmann mit Jahrgang 1904 bzw.1906 – viel zu jung. Die These erweist sich, wie schon eingangs vermutet, als ideologischer Unsinn. Der Katechismus-belesene Theologe muss zudem anmerken: ganz zu schweigen davon, dass der Teufel, Mephisto oder wir ihn nennen wollen, ein gefallener Engel ist. Zitat dazu (328): «Dass es geistige, körperlose Wesen gibt, die von der Heiligen Schrift für gewöhnlich Engel genannt werden, ist eine Glaubenswahrheit.» Geistig und körperlos, ergo kein Mann.

Doch es ist und war immer so einfach, die Sündenböcke lauthals zu benennen und dann dem Scheiterhaufen zuzuführen. Und da es im Verlauf der Menschheitsgeschichte schon Frauen (die Hexen), das Volk der Juden (in linken Kreisen schon wieder genannt!) und allerlei andere Minderheiten wie die Freimaurer (was die eigentlich verbrochen haben, bleibt unserem Intellekt schlechthin verborgen) getroffen hat, soll nun mal die grosse Minderheit der alten weissen Männer an den Pranger. Geschrei, grosse Befindlichkeit, intensive Sich-Zusammenfinden-Runden der übrigen Gruppen haben Hochkultur. Der Schuldige ist gefunden. Wieder mal.

Wie dumm, dass Immanuel Kant, Pierre Teilhard de Chardin, Karl Rahner, Angelo Roncalli und Hélder Camara weisse alte Männer waren. Doch die zählen nicht, liegen wohl abseits der Gauss’schen Glockenkurve.

Bildquellen

  • : pixabay.com
16. März 2023 | 06:00
von Heinz Angehrn
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!

2 Gedanken zu „Die alten weissen Männer

  • Hansjörg sagt:

    Wenn die stereotype Bezeichnung exemplarisch auf eine Gruppe zutrifft, so ist das auf die alten weissen Männer in der kath. Kirche in Rom. Gut, sie sind nicht alle weiss und sogar in komische, farbige Kleider gehüllt, ähnlich einer LGBTQ Fahne.

    Aber sie sind alte Männer, in einer geschlossenen Blase, am wirklichen Leben vorbei, alt geworden. Dennoch bestimmen sie die Regeln über rund 1,2 Mia. Katholische Menschen.
    Sie gestehen Frauen keine Gleichberechtigung und keine Gleichwertigkeit zu, sie lassen eine Gruppe von Menschen aufgrund der biologischen Merkmale nicht alle Berufe ausüben. Das könnte man auch Rassismus nennen.
    Sie verbreiten eine Sexuallehre aus dem letzten Jahrtausend und verteufeln z.B. Geschiedene, die in einer neuen Beziehung leben als permanente Ehebrecher. Auf die Aufzählung von weiteren Sexualregeln, die in die Privatsphäre der Menschen eingreifen sei hier verzichtet.

  • stadler karl sagt:

    Ein sehr schöner Beitrag, Herr Angehrn! Doch mein Applaus wird kein Gehör finden, weil ich selber weiss und männlich bin und in vorgerücktem Alter stehe und damit als befangen gelte.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst diese HTML-Tags und -Attribute verwenden:

<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.