Heinz Angehrn

Das Weihnachtsgeschenk

des Vatikans kam dieses Jahr einige Tage zu früh: Die Erklärung «Fiducia supplicans» der Glaubenskongregation vom 18.Dezember natürlich. Alle schreiben darüber, die Konservativen zetern, die Progressiven sind nicht befriedigt. Ich erlaube mir grundsätzlich zuzuordnen:

Segnungen von gleichgeschlechtlichen Paaren sind ab nun möglich und erlaubt. Gut.
Es soll dabei aber keine Eheschliessung simuliert werden. Gut. Denn: Der Begriff «Ehe» als kirchlicher Name einer heterosexuellen Gemeinschaft auf Dauer darf ruhig unangetastet bleiben.
Es soll kein Hochzeitsgottesdienst (gemeint ist wohl: mit Eucharistie) simuliert werden. Gut. Denn: Ein solcher Ritus setzt voraus, dass zunächst moral(theologisch) der Begriff «schwerwiegende Störung der sittlichen Ordnung» beseitigt würde. Der steht aber noch so im Katechismus. Die Betroffenen lassen sich aber einen Ausschluss von der Kommunion nicht mehr bieten.
Der Ortsbischof darf entscheiden. Schwierig. Wenn da ein radikaler Wechsel passiert? Besser wäre: Die nationalen Bischofskonferenzen entscheiden, sie kennen die Stimmung im Land.

Wir erinnern uns: Noch im Jahr 2015 forderte der damalige Churer Bischof Vitus Huonder den Pfarrer von Bürglen (UR), Wendelin Bucheli, zum Rücktritt und zur Rückkehr in sein Bistum Lausanne-Genève-Fribourg auf, weil er die Beziehung eines Frauen-Paares in seiner Pfarrei gesegnet hatte. Der Freiburger Bischof Charles Morerod stimmte damals Huonders Forderungen zu, die aber dubioserweise (wohl wegen des grossen Protest der Pfarrei Bürglen und wegen des Medieninteresses) nie umgesetzt wurden. Und: Im November 2022 wurde Bucheli gar zum Dekan des Dekanats Uri gewählt und im Januar 2023 von Bischof Joseph Bonnemain in dieser Funktion bestätigt.

Wir erinnern uns weiter: Im März 2015 äusserte Huonder sich in einer Predigt vor Priestern wie folgt (Zitat NZZ): «Um des Heils der Menschen willen müsse der Priester oft «Dinge zurückweisen, von denen er – durch Gottes Offenbarung – weiss, dass sie ins Verderben führen». Gemeint ist damit auch ein offenerer Umgang mit der Homosexualität, wie ihn Bucheli und zahlreiche weitere katholische Pfarrer praktizieren. Für Huonder steht dies in klarem Widerspruch zur Bibel. Wenn diese sage, etwas sei ein Greuel vor dem Herrn – gemeint ist die Homosexualität –, «dürfen wir die Menschen nicht in der Meinung lassen, wenn es ‹aus Liebe› geschehe, sei es gut und es könne durch eine sogenannte Segnung gleichsam saniert werden.»

Wir erinnern uns nochmals weiter: Hier bei kath.ch äusserte sich der damalige Präsident der Bischofskonferenz, der St.Galler Bischof Markus Büchel, wie folgt (Auszüge): «In einer pastoralen Verantwortung muss ganz genau geprüft werden, wie eine derartige Segnung gestaltet wurde und wie der Seelsorger genau gehandelt hat. Ich gehe davon aus, dass ich den Seelsorger anhöre, wenn er etwas in diese Richtung unternommen hat … Die Seelsorgenden sollen offen und pastoral verantwortungsvoll mit homosexuellen Menschen umgehen und diese nicht diskriminieren. Die Kirche ist herausgefordert, pastorale Wege zu suchen, um zu zeigen, dass diese Menschen der Kirche nahe stehen und zu ihr gehören. Wie ein Priester auf eine entsprechende Anfrage reagiert, das ist seiner pastoralen Klugheit überlassen und auch, wie er den Segen erteilt. Es geht aber nicht, dass das homosexuelle Paar wie ein Brautpaar mit einer grossen Hochzeitsgesellschaft in der Kirche auftritt. Das wäre die Simulation einer Ehe.»

Das alles kam mir beim Lesen von «Fiducia supplicans» in den Sinn. Und es gilt ja: Roma locuta, causa finita. Wie überraschend. Wie erfreulich. Und wie seltsam, in so kurzer Zeit einen derartigen Sinneswandel zu vollziehen. Wenn das nur auch in anderen Fragen möglich wäre. Das Priestertum der Frau, von JP II kategorisch auch in so einem Text ausgeschlossen, etwa.

Ein Danaergeschenk? Glaube ich nicht.

Bildquellen

  • : pixabay.com
24. Dezember 2023 | 16:30
von Heinz Angehrn
Lesezeit: ca. 2 Min.
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6 Gedanken zu „Das Weihnachtsgeschenk

  • stadler karl sagt:

    Die damalige Segnung eines gleichgeschlechtlichen Paares durch den Pfarrer von Bürglen steht noch in sehr guter Erinnerung. Ich habe damals zu diesem Ereignis einen Leserbrief in der Lokalpresse geschrieben. Ich hatte den Eindruck, dass die angeblichen Ängste des Bischofs, diese Segnung könnte zu liturgischen Verwechslungen führen mit der sakramentalen Eheschliessung gemäss kirchlicher Lehre in der einfachen durchschnittlichen Bevölkerung hierzulande nicht im Ansatz berechtigt waren. Man konnte sich austauschen mit Leuten, die vielleicht gar nicht besonders sich mit dem Thema beschäftigten oder an Stammtischen das Thema anzhiehen: Ich fand schlicht niemanden, der in seiner Wahrnehmung dazu neigte, da sei eine kirchliche Ehe geschlossen worden. Die Menschen wissen auch hierzulande im ländlichen Uri zwischen staatlicher “Ehe für Alle” , sakramentaler kirchlicher Eheschliessung und einer rituellen Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren sehr wohl zu unterscheiden. Es gibt übrigens auch Konservative, die am lehramtlichen Ehebegriff festhalten wollen, die sich aber an einer kirchlichen Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren in keiner Weise stören.

  • Hansjoerg sagt:

    Ich bin froh, leben wir in der Schweiz. Hier hat das Volk am 26. Sept. 2021 mit grosser Mehrheit der Ehe für alle zugestimmt. Ich bin zudem froh, dass bei uns staatliche Regeln stärker zu gewichten sind als religiöse Regeln.
    Nun hat die kath. Kirche einen kleinsten Schritt in die richtige Richtung getan. Die heute immer noch offiziell gelehrte Sexuallehre steht dennoch völlig neben den Schuhen und kann von keiner normalen Katholikin eingehalten werden.
    So wird im Katechismus immer noch offiziell verkündet:
    – dass zwei geschiedene Menschen, die eine neue Liebe gefunden haben, als permanente Ehebrecher zu verurteilen sind
    – dass Sex vor und nach der Ehe verboten ist, ebenso das Zusammenleben von nicht Verheirateten
    – dass Verhütung des Teufels und ebenfalls verboten ist
    – dass Masturbation verboten und eine schwere Sünde ist

    Der Vorteil all dieser Vorschriften ist, es betrifft nur die Katholikinnen und Katholiken, weil staatliche Regeln höheres Gewicht haben.

  • Thomas Markus sagt:

    «Sie kennen die Stimmung im Land» – so realpolitisch, so fragwürdig auch. Statt gelegen oder ungelegen Finger in die Luft und gelegentlich?

  • Heinz Angehrn sagt:

    Thomas Markus, das mag wohl stimmen, dass ich da sehr pragmatisch argumentiere. Aber überlegen wir uns rein theoretisch: Eine Bischofskonferenz, etwa irgendwo in Afrika oder im Mittleren Westen der USA, ist überraschend progressiv gestimmt und entscheidet positiv. Und dann: Wer kontrolliert den reaktionären Pöbel, der vor den Kirchen und Kapellen wartet, um die Feiernden zu beleidigen oder zu bedrohen?
    Erst wenn ein Land Homophobie sanktioniert, herrscht (relative) Sicherheit. Erst dann sollten die Bischöfe positiv entscheiden.
    (In Negrentino im letzten Mai herrschte Friede. Glücklich, in diesem Land zu wohnen.)

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