Heinz Angehrn

Alp-Trilogie II: Auf dem Areopag

Und wo und wie wird sie sich positionieren, die kleingeschrumpfte und ihrer (Finanz)Macht beraubte Minderheitenkirche katholischer Provenienz? Historische Beispiele und auch aktuelle Vorbilder sind vorhanden:

a) Sie kann zur klassischen Sekte mutieren, also den Anspruch erheben, dass nur ihre Mitglieder, und damit sind dann nur die Mitglieder gemeint, die sich in allem und bis ins kleinste Detail an die Weisungen der Führer halten, zum Heil gelangen, gerettet werden vor ewigen Strafen und vor Gott als Gerechte bestehen. Das wäre eigentlich die nun zahlenmässig massiv verkleinerte alte alleinseligmachende Kirche, die wiederauferstehen würde. Die Kleriker würden die Rolle einnehmen, die in anderen Sekten die Gurus/Guras (man erlaube mir den Spass) haben, sie wären also nicht hinterfragbare letzte Instanzen, auch das wäre nichts als eine Rückkehr zum Dogma von 1870. Ich denke, dass das eine solche Kirche wäre, wie sie die Pius- und Petrusbrüder und ihre geistigen Anhänger in der Hierarchie schon lange erhofft haben: Die katholische Insel der Seligen, fern ab der heidnischen und sündigen säkularen Welt. Abgestossen wären die lästigen Flügel, die Anpassungen an die Welt der Neuzeit forderten, vorbei die Diskussionen um die Ämterfrage.

b) Sie kann sich – ihrer Kleinheit und relativen Bedeutungslosigkeit bewusst – in die Welt hinaus begeben, in kleinen Gemeinschaften an allen möglichen Brennpunkten menschlichen Lebens das Arbeits- und Freizeitverhalten der Umgebung mitleben und mitprägen und so unspektakulär und weder fordernd noch richtend Zeugnis ablegen für die religiösen und ethischen Werte, die ihr wichtig sind. Sie kann dabei überprüfen, welche organisatorischen und juristischen Prinzipien, die in der Phase der Gross- und Volkskirche notwendig waren, jetzt noch von Bedeutung oder umgekehrt für den neuen Auftrag eher hinderlich sind. Das historische Modell für diesen Weg wäre wohl der Jesuitenorden und sein Hinausgehen in andere Kulturen und Weltanschauungen zu Beginn der Neuzeit und auch im Gefolge der Aufklärung.

c) Sie kann aber auch voll in den Wettbewerb der Ideen und in die Methoden der Massenkommunikation und der Werbung einsteigen und relativ aggressiv die Botschaft in die Welt hinaus tragen, dass ihre religiösen Grundlagen dem Individuum sowohl im Privaten wie im Geschäftlich-Materiellen hilfreich sind. Sie wird dabei bewusst den Kontakt und Austausch mit anderen christlichen Gruppierungen und Kirchen suchen, weil auf diesem medialen Weg zunächst mehr Gemeinsamkeiten als Differenzen vorhanden sind. Trotzdem werden einer solchen katholischen Kleinkirche Spiritualität, Gottesdienst und Sakramente sehr wichtig sein, weil so das eigene Profil geschärft werden kann. Auch dieses Modell hat schon Vorblder: In den 80er Jahren suchte unsere Kirche bewusst den Austausch mit Bewegungen wie «Campus für Christus» und trug deren Kampagnen teilweise mit.

Ich bin gespannt, ob der/die hier Mitlesende noch weitere Wege und Varianten erkennen kann. Der Schreibende gesteht ein, dass er in Modell a) nicht mehr dabei wäre; dass ihm Modell c) irgendwie Unbehagen bereitet; und er – darum das Bild von Paulus auf dem Areopag – Modell b) bevorzugen würde.

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19. April 2020 | 06:00
von Heinz Angehrn
Lesezeit: ca. 2 Min.
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Ein Gedanke zu „Alp-Trilogie II: Auf dem Areopag

  • stadler karl sagt:

    Als älterer Jahrgang vernmöchte ich mich persönlich am ehesten für das Modell b zu erwärmen. Vielleicht vermöchteein solches Modell am ehesten eine Wirkung des Salzes oder einer bekömmlichen würzigen Beigabe für das menschliche Geschehen auf Erden zu entfalten.
    Bereits im jüngeren Alter war es schwierig, Sinn und Empfänglichkeit zu entwickeln für Kampagnen, Events oder Erlebniskultur im Bereich des Religiösen. Es stellte sich immer ein wenig ein fader Beigeschmack von Marketing oder Flashmob ein, wobei dies dann unter dem Titel “Evangelisation” oder “Verkündung” abgehalten wurde. Darum haben mich jeweils später auch die Grossveranstaltungen in aller Welt von Johannes Paul II nie so richtig beeindruckt. Es soll ja sicher nicht bestritten werden, dass religiöses Empfinden sehr wohl auch mit Erlebnis, intensiver Erfahrung und Begegnung zu tun haben kann oder das eine religiöse Veranstaltung auch etwas sinnlich Ansprechendes, nicht nur ein staubtrockenes Ereignis sein soll. Aber diese strategisch-stabsmässige Organisaiton von solchen Gross-Ereignissen passen, natürlich nur aus meiner persönlichen Sichtwiese, viele werden dies wahrscheinlich andes sehen, nicht so richtig zu einem religiösen Geschehen.
    Hingegen schaue ich auf youtube oft musikalische Flahsmob-Veranstaltungen. Und diese gefallen mir sehr. Insbesondere, wenn die Kamera jeweils auch die Gesichter der zufällig anwesenden Passanten einblendet, wo vielfach eindrücklich zu sehen ist, wie sich deren Gesichtsausdruck spontan aufhellt und von Freude und Überraschung gekennzeichnet ist.

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