© Bratpfannen | pixabay.com
Daniel Kosch

Achtung vor dem Wort (#Wertedebatte 3)

«Achtung vor dem Wort – seinem Gebrauch in strengster Sorgfalt und in unbestechlicher innerer Wahrheitsliebe -, das ist auch die Bedingung des Wachstums für Gemeinschaft und Menschengeschlecht. Das Wort missbrauchen heisst Menschen verachten. Das unterminiert die Brücken und vergiftet die Quellen.»

Dieser Tagebucheintrag des schwedischen Uno-Generalsekretärs und Mystikers Dag Hammerskjöld aus dem Jahr 1955 fiel mir wieder ein, als ich «nach geschlagener Schlacht» über den Wahlkampf in den USA nachdachte. Was wurde da nicht alles gesagt und geschrieben.

Nach einem hässlichen Wahlkampf

Was haben sich Hilary Clinton und Donald Trump nicht alles vorgeworfen und unterstellt. Wie oft ging es nicht um die Sache, sondern um das Schlechtreden des anderen. Und jetzt, nach der Wahl, spricht die Nicht-Gewählte vom Wert der Demokratie. Der Gewählte findet anerkennende Worte für die Nicht-Gewählte, die er vor wenigen Tagen noch ins Gefängnis werfen wollte, falls er gewählt würde. Und die Medien berichten von seinem freundlichen Telefongespräch mit dem Regierungschef jenes Mexiko, von dem Trump die USA vor kurzem noch durch den Bau einer Mauer abgrenzen wollte.

Da und dort habe ich nach dieser Wahl den Ausspruch gehört, «die Sache werde nicht so heiss gegessen, wie sie gekocht wurde». Man kann es hoffen. Aber die Worte und ihre Wirkung können nicht zurückgenommen werden. Und wer sich mit Kochen auskennt, weiss um die Risiken zu grosser Hitze: Die Polenta brennt an, die Suppe kocht über, das Gemüse zerfällt, das Essen wird ungeniessbar, statt dass es fein duftet, steigt einem Rauch in die Nase. Und dann braucht auch noch das Abwaschen viel mehr Zeit, weil sich das Angebrannte nur mit grossem Aufwand entfernen lässt.

Weniger heiss kochen

Achtung vor dem Wort, Sorgfalt in der Wortwahl, Differenzierung und Wahrheitsliebe haben leider auch in der Schweizer Politik gegen populistische Zuspitzung, schwarz-weiss Karikaturen und polemische Abwertung Andersdenkender einen immer schwereren Stand. Aber vielleicht bewirkt der Rückblick auf den streckenweise geschmacklosen und abschreckenden Wahlkampf in den USA ein Umdenken: Wer Politik als ständigen Wahlkampf oder gar als Schlammschlacht inszeniert, «unterminiert die Brücken und vergiftet die Quellen» die unser Gemeinwesen braucht, um tragfähige Lösungen zu entwickeln.

Auch in unserer Gesellschaft würde weniger anbrennen, wenn wir uns darauf verständigen könnten, die Dinge weniger heiss zu kochen.

(Zitat: Dag Hammerskjöld, Zeichen am Weg, Stuttgart 2011, 138)

© Bratpfannen | pixabay.com
11. November 2016 | 07:41
von Daniel Kosch
Lesezeit: ca. 1 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!