Heinz Angehrn

Demokratie versus Alleinherrschaft

Eine uralte Frage, schon von den Griechen ausdiskutiert, stellt sich gerade heute wieder, wenn wir nur die folgenden zwei recht aktuellen Exempel beobachten:
– das Verhalten des noch amtierenden Präsidenten der USA im gerade laufenden Wahl-Auszählungs-Prozedere
– die Äusserungen sowohl reformorientierter wie konservativer Katholiken/innen, wie es mit unserer Kirche weitergehen soll
die Frage nämlich, welches eine angemessene Organisationsform für menschliche Gemeinschaften ist.

(Einschub I: Ich gestehe, dass ich schon als noch grün hinter den Ohren pubertierender Kantischüler im ersten Jahr fasziniert war, wie unser Geschichtslehrer Ivo Tschirky uns von der Diskussion im alten Griechenland erzählte. Fair war nämlich, dass er bis auf die Anarchie allen möglichen Formen auch Positives abgewinnen konnte und uns an der Diskussion beteiligte. So legte ich mich mit zarten 16 Lenzen auf die Oligarchie als beste Staatsform fest. Ich bin bis heute dieser Meinung geblieben, habe dies aber verfeinert: die Oligarchie der Intelligenzia. Und da ich wegen dieser Idee immer wieder angefeindet wurde, verdeutliche ich mein Konzept: 25 Philosophieprofessoren, 25 Mathematikprofessoren und alle lebenden Friedensnobelpreisträger, halb Männlein, halb Weiblein.)

Die Monarchie wäre an und für sich ja eine gute Sache, da schnell und effizient entschieden werden könnte. Doch meint Monarchie eben Erb-Monarchie, und da könnten sowohl strohdumme als auch moralisch verwerfliche Erstgeborene auftreten. Folglich: Idee gescheitert. Die Demokratie ist, so wird gesagt, die beste aller schlechten Staatsformen. Was ist aber von ihr zu halten, wenn die Mehrheit des Volkes unethische (siehe Minarett-Initiative) oder ökologisch schädliche (bald zu erwarten bei den Initiativen zur Landwirtschaftspolitik) Entscheide fällt? Folglich: Idee samt obiger These fragwürdig. (Nicht zu vergessen, dass einmal über 40% der Deutschen die NSDAP wählten.)

Die katholische Kirche löst das Problem bekanntlich mit einer Gerontokratie der Zölibatären. Viele alte Männer entscheiden, wie es mit ihr weitergehen soll und wählen regelmässig einen aus ihrer Mitte zum seit 1870 Unfehlbaren. Gute Idee, wenn man möglichst nichts ändern will. Schlechte Idee, wenn man an die Zukunft des Christentums denkt. Spannend die Reaktionen, wenn der Gewählte – wie zur Zeit gegeben – sich nicht an die Spielregeln der Jahrhunderte halten will!

(Einschub II: Ja wer sollte jetzt zum neuen Bischof von Chur gewählt werden? Ein Philosoph? Ein Jurist? Ein Charismatiker? Ein Doktrinär? Ich beneide Euch nicht, liebe Wahlmänner. Denkt an die Euch Anvertrauten. Und erinnert Euch der Worte des Religionsgründers: «Bei euch soll es nicht so sein».)

Letzteres gilt übrigens für alle, die höchste Verantwortung tragen. Deshalb zum Ende meine Beurteilung auf einer Skala von +5 zu -5:
Merkel +4 / Schweizer Bundesrat als Kollegialregierung +3 / Macron +1 / Kurz 0 / Johnson alias Theoden -1 / Putin -2 / Orban und Erdogan -4 / Trump -5.

(Einschub III: Lese gerade die gesamten «Songs of ice und fire». Viel zum Thema drin in diesem Epos!)

7. November 2020 | 06:00
von Heinz Angehrn
Lesezeit: ca. 2 Min.
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Ein Gedanke zu „Demokratie versus Alleinherrschaft

  • stadler.karl sagt:

    Es ist keineswegs sicher, dass es eine gute Wahl wäre mit je 25 Philosophieprofessoren und Professorinnen und mit ebenso vielen aus der mathematischen Disziplin. Das tönt ja ganz nach Politeia! Nein, wo denken Sie hin! Im Beraterstab gewiss, ja, aber als ausschliessliches Entscheidungsgremium? Das käme nicht gut.
    Also wenn ich kein Aussenstehender und im Bistum Chur Domherr wäre, ich würde Sie für Chur als möglichen Kandidaten ins Spiel bringen, auch wenn Sie zum Bistum St. Gallen gehören: Sie haben Erfahrung in der seelsorgerischen Knochenarbeit; Ihnen steht der Sinn für Kultur offen; Sie sind am welltichen Geschehen sehr interessiert; Sie zeichnen sich nicht durch ein ausgeprägtes legalistisches Denken aus; Sie verklären weder rechte noch linke Visionen in der Politik und ich könnte mir vorstellen, dass Sie über Spürsinn verfügen für kirchenpolitisch Machbares in dem Sinne, dass diejenigen, die in den 50er, 60er Jahren oder früher sozialisiert wurden, nicht verzweifeln müssten und die später Hinzugetretenen nicht jegliche Zukunfts-Hoffnung verlieren würden.
    Ein schwieriges Amt wäre es gewiss. Und es will ganz scheinen, dass derzeit in der hiesigen Ortskirche wieder ein verstärkter Kulturkampf herrscht. Die einen möchten den Verkündungsauftrag dahingehend verstanden wissen, dass Kirchgemeinden und Pfarreien bald einmal als kirchlich-theologische Politagenturen fungieren, die den Gläubigen nicht zutrauen mögen, dass diese die Prinzipien christlicher Ethik und Soziallehre eigenständig in ehtische Argumente umformen können im Hinblick auf konkret anstehende Wahl- und Abstimmngsvorlagen. Es ist sehr zweifelhaft, ob dies mit der Kernaufgabe der Kirche wirklich etwas zu tun hat.
    Auf der andern Seite verschickt der Delegierte des apostolischen Administrators des Bistums Chur den Seelsorgerinnen und Seelsorgern ausgerechnet auf Allerheiligen/Allerseelen hin den Auszug eines Dokumentes des Sanctum Officium mit dem Namen “Samaritanus bonus” vom 14. Jui 202, das sich nicht zuletzt auch mit Sterbehilfe befasst. Dabei wird in diesem Auszug fett hervorgehoben, was die Seelsorgerinnen/Seelsorger bei der Begleitung von todkranken Personen, die sich mit einer Sterbehilfeorganisation in Verbindung setzten, nicht dürfen: Ihnen in Aussicht stellen oder Hoffnung machen, dass ihnen die Sakramente der Busse und Versöhnung gespendet werden, falls sie von ihrem ureigensten existentiellen Entscheid der Selbsttötung nicht abrücken. Gemäss diesem Dokument der Glaubenskongregation verweigert die Kirche gestützt auf CIC, can 843 § 1; can. 915; ca. 987; can.1007 todkranken Menschen, die einen so existentiellen Entscheid getroffen haben, zentrale Sakramente, wie diejenigen der Vergebung und der Versöhnung, und dies am Ende ihres Lebens. Das schmerzt, wenn man selber im Freundeskreis liebe Menschen kannte, die freiwillig aus dem Leben schieden, oder etliche, die man in schwierigen Situationen vertreten hatte. Gerade an Allerheiligen, wo man selbst als Aussenstehender Verstobene, die man gut kannte, in der Erinnerungen aufleben lässt. Und es schmerzt umso mehr, als diese Normen alle irgendeinmal von Menschen erdacht und gesetzt wurden. Das Argument des ius divinum ist in diesem Zusammenhang nicht zu hören. Nein, es ist wie früher: Entweder man beugt sich unter das Joch dieser CIC-Normen oder man hat schlicht nichts zu erwarten, trotz ständigem Gerede von Barmherzigkeit.

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