Virtuelle Begegnungen
Kirche kommuniziert

Wird der Gottesdienst der Zukunft virtuell gefeiert?

Wir sprachen mit Irène Messerli über die fortschreitende Digitalisierung in der Kirche. Sie ist Kommunikationsexpertin, Co-Inhaberin und Geschäftsleiterin von Bernet Relations und Gastgeberin der alle zwei Monate stattfindenden Social Media Gipfel. Sie hat die Schweizergarde im Vatikan bei Fragen zu Social Media, Krisenkommunikation und Medienarbeit beraten und beschäftigt sich täglich mit den Herausforderungen der Unternehmenskommunikation.

Irene Messerli | zVg

Kommunikation in der Kirche: Warum sind soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter so wichtig in der Unternehmenskommunikation?

Irène Messerli: 7.61 Millionen Menschen sind in der Schweiz online – weltweit 4 Milliarden. Online-Communities entwickeln sich weiter und nehmen an Bedeutung zu. Menschen interagieren immer stärker online. Will man als Organisation Menschen erreichen, muss man dorthin, wo sie sind. Darum ist die Online- und Social-Media-Kommunikation ein Teil der Unternehmenskommunikation. Neben dem Senden ist auch das Zuhören bedeutender geworden. Unternehmen und Organisationen, und mit ihnen auch die Kirchen, können heute auf diesen Online-Dialog kaum mehr verzichten.

Die Kirche erkennt den Wert sozialer Medien erst langsam. Was können kirchliche Institutionen von «digital natives» (Menschen, die mit digitalen Medien gross wurden) lernen?

Digital Natives wurden in eine digitale Welt geboren. Sie sind mit der Technik des digitalen Zeitalters aufgewachsen. Die Vernetzung von Off- und Online ist für sie normal, sie bewegen sich darin je nach Bedürfnis und Lebenssituation mit einer gewissen Leichtigkeit. Von dieser Leichtigkeit können Institutionen lernen. Ein erster Schritt ist, dass man sich für die Bedürfnisse dieser jüngeren Generation interessiert. Für die Art und Weise, wie sie sich austauscht, vernetzt und interagiert. Durch das Engagement auf Social Media füllt man keine Kirche. Kirchliche Institutionen können diese Kanäle aber nutzen, um mit Menschen in Kontakt zu kommen, die sie sonst nicht erreichen.

Mehr als 50 Millionen Menschen erreicht der Papst über Twitter und Instagram. Ist Franziskus ein moderner Influencer?

Viele Menschen interessieren sich für den Papst und hören ihm zu. Was er sagt, hat eine Wirkung auf die Menschen und darum kann man ihn als Influencer bezeichnen. Dass er seine Worte auch auf den sozialen Medien an die Menschen richtet, zeigt, dass er die Rolle dieser Kanäle in der Kommunikation erkannt hat. Den Entscheid für diesen Schritt hat allerdings bereits Papst Benedikt XVI im Jahr 2012 gefällt.

Kann der Einsatz sozialer Medien, (z.B. WhatsApp in der Seelsorgearbeit), von Nutzen sein?

Grundsätzlich ermöglichen soziale Medien Raum für Dialog. Zudem schaffen sie Nähe zum Gesprächspartner und allenfalls eine Zeitersparnis. Das kann für die Seelsorge eine Chance sein. Die Frage ist, wie erreicht man in dieser Öffentlichkeit Menschen, die sich in einer schwierigen Lebenssituation befinden, ohne dass ihre Situation öffentlich wird? Kirchliche Institutionen müssen bereit sein für den Dialog, verschiedene Kontaktmöglichkeiten anbieten, wie Menschen an sie herantreten können. Das hat viel mit Vertrauen, Sichtbarkeit und Positionierung zu tun. Mit dem Gefühl, dass man kirchlichen Institutionen entgegen bringt. WhatsApp soll nicht ein Ersatz sein für die persönliche Begegnung. Aber ein Kanal, den man zusätzlich anbieten und so Brücken schlagen kann. Als Institution muss man den Mut haben, neue Wege zu gehen und daraus zu lernen.

Wird der Gottesdienst der Zukunft virtuell gefeiert?

Möglicherweise erreichen virtuelle Gottesdienste Menschen, die nie in eine Kirche gehen. Auch die Radio- oder Fernsehpredigt ist bei einem gewissen Publikum ja bereits beliebt. Orts- und zeitunabhängig Themen aufnehmen, die die Menschen bewegen, haben gute Chancen, zu Hause auf dem Sofa gesehen zu werden. Für diejenigen, die die Kirche als Raum der Begegnung schätzen – vielleicht auch abseits des Gottesdiensts – ersetzt es den Besuch wohl kurzfristig nicht.

Braucht die Kirche im Zuge der Digitalisierung andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

Wie andere Organisationen braucht auch die Kirche Mitarbeitende, die medienkompetent sind, sich in der Online-Welt bewegen können und nahe bei den Menschen und ihren Themen sind. Mitarbeitende, die bereit sind zu zuhören, zu lernen und sich weiter zu entwickeln. Und wie in anderen Organisationen gibt es auch in der Kirche viele engagierte, offene und versierte Kommunikatoren. Und andere, denen diese Kanäle noch etwas fremd sind.


Am 01. November 2017 referierte Dr. Charles Martig, Geschäftsführer des katholischen Medienzentrums, am Social-Media Gipfel zum Thema «Community Management».

 

Virtuelle Begegnungen | © pixabay.com CC0
9. März 2018 | 08:40
von Kirche kommuniziert
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