Walter Ludin

Wie viel Urwald steckt in unserer Wurst?

Waren die Hühner, deren Fleisch wir essen, in ihrem Leben glücklich? Wie glücklich waren die Schweine? Es ist vorbildlich, dass immer mehr Fleischkonsumenten sich solche Fragen stellen. Immer häufiger fragen sich viele, womit die Tiere gemästet wurden.
Die Problematik des (importierten) Kraftfutters stand im Zentrum der diesjährigen Kampagne von Fastenopfer und Brot für alle. Direkt skandalös wirkte auf viele das Plakat mit genussvoll Grillierenden im Vordergrund und dem zerstörten (Amazonas)Urwald im Hintergrund. Wie weit bestehen solche Zusammenhänge tatsächlich? Oder ist die Anklage übertrieben?
Wirklich «Schweizer Fleisch»?
Zuerst die plakative Antwort von Greenpeace: «Die Fakten zeigen, dass Agrar- und Fleischlobby und die Politik die Realität massiv beschönigen. Denn die Fleischproduktion ist hochgradig abhängig von importiertem Kraftfutter. So ist die mit Steuermillionen geförderte Marke ›Schweizer Fleisch’ ein Etikettenschwindel. Die Schweiz hat schlicht zu wenig Ackerflächen, um ihren zu hohen Tierbestand zu unterhalten.»
Allerdings: Es ist unmöglich, genau abzuklären, wie viel Urwald in einer Wurst stecken …. Dazu erklärte mir Fastenopfer auf Anfrage: «Es scheint wohl schwierig, den ›Regenwaldanteil’ auf eine Wurst ›herunterzubrechen’, zumal diese ja aus unterschiedlichen Tieren bestehen, welche unterschiedlich gefüttert werden.
Auch geht es uns im Plakat ja nicht darum, mit dem Finger auf Individuen zu zeigen, die eine Wurst essen, sondern vor allem darum, den Aspekt der Klimagerechtigkeit darzustellen: Unser Konsum hier hat Einfluss dort. Menschen im globalen Süden bekommen den Klimawandel bereits heute massiv zu spüren. Das Ziel des Plakates ist es, das Thema Klimagerechtigkeit von einer abstrakten Frage, die weit weg ist, zu einer ganz persönlichen, emotionalen Auseinandersetzung zu machen.
Wir wünschen uns, dass die Leute sich vermehrt fragen: Woher kommt das Fleisch, das ich esse? Was waren die Produktionsbedingungen dafür? Wir plädieren deshalb für einen bewussten, massvollen und lokalen Fleischkonsum.»
Soweit die Stellungnahme von Fastenopfer.

Futter aus Brasilien
Nun vereinfacht zusammengefasst einige Zahlen aus Studie der ZHAW Institut für Umwelt und natürliche Ressourcen Wädenswil, die Greenpeace in Auftrag gegeben hat: https://www.greenpeace.ch/de/publikation/63781/der-futtermittel-schwindel/  

Einige Informationen dazu:

  • Seit den 1990er-Jahren steigt die Menge der importierten Futtermittel stetig an und liegt heute bei 1,4 Millionen Tonnen. Davon sind rund 80 Prozent Kraftfutter mit hohem Energie- und Proteingehalt. Ungefähr die Hälfte der Ackerfläche, die für die Futtermittelproduktion benötigt wird, liegt im Ausland.
  • Beim Kraftfutter aus dem Ausland handelt sich vor allem um Soja. Obwohl die USA mengenmässig immer noch das wichtigste Produktionsland sind, boomt die Sojaproduktion vor allem in Brasilien und in Argentinien.
  • Brasilien baut Soja für den Weltmarkt an. Rund 90 Prozent der Produktion werden exportiert. Die Anbaufläche hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten verdreifacht und macht Brasilien damit zum zweitgrössten Produzenten und grössten Exporteur der Welt. Diese Entwicklung geht auf Kosten von Ökosystemen, die für die Biodiversität, die Menschen und das Klima essentiell sind. Dabei bauen nur fünf Prozent der brasilianischen Landwirtschaftsbetriebe Soja an, die meisten davon sind aber industrielle Grossunternehmen.
  • Mehr als 50 Prozent des in die Schweiz importierten Sojas zur Tierfütterung stammen aus dem Amazonas- und dem Cerrado-Biom, den Lungen des Planeten und dem Wasserturm Brasiliens», so Alexandra Gavilano. 

Und nun: Kein Fleisch essen
Die Hilfswerke haben in der Fastenzeit keineswegs aufgerufen, kein Fleisch zu essen. Sie motivieren aber dazu, sich die Frage zu stellen: «Darf’s es bitzli weniger sein?»
Ein persönliches Bekenntnis: Auch wenn ich die Vegetarier bewundere (aber weniger die Veganer, die es meiner Meinung nach übertreiben …), bringe ich es nicht übers Herz, ganz auf Fleisch zu verzichten. Aber ich versuche es hin und wieder mit einer Reduktion: Wenn ich nur eine Bratwurst esse – wenn ich Lust auf zwei hätte – ist das Problem zwar nicht gelöst. Aber mein potentieller Fleischkonsum wurde um die Hälfte reduziert. Nur ein Beispiel. Auf andere Reduktionsbemühungen gehe ich hier nicht ein, damit es nicht nach Selbstruhm aussieht ….

7. Juni 2021 | 10:13
von Walter Ludin
Lesezeit: ca. 2 Min.
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