Kein Zugang zum Heimatdorf © zVg
Walter Ludin

Wie erlebten Palästinenser die Ankunft der Zionisten?

Die palästinensische Bevölkerung habe vor und während der Gründung des Staates Israel (1947/48) ihre Heimat freiwillig verlassen. Sie sei durch die arabischen Staaten (via Radio) dazu aufgefordert worden. Diese These hörte ich auch von einem lieben Bekannten, einem kürzlich verstorbenen Professor für Altes Testament. Stimmt sie?

Als ich kürzlich wieder einmal ein Buch des bekannten palästinensischen Theologen Elias Chacour durblätterte, fand ich aus erster Hand eine ganz andere Realität beschrieben (E. Chacour: «Und dennoch sind wir Brüder»; 1988.) Es lohnt sich, einige Abschnitte zu lesen:

Chacour, melkitischer Priester, erinnert sich, wie ihm sein Vater von den Nazis erzählte. «Unsere jüdischen Brüder» seien von ihnen verfolgt worden. Sie hätten ihre Heimat verloren und seien nun nach Palästina gezogen. «Wir müssen besonders freundlich sein und ihnen das Gefühl eines Zuhauses geben.»

Als dann – überraschenderweise schwer bewaffnet – Zionisten in ihr Dorf Biram kamen, meinte der Vater von Elias: Kein Problem: «Sie können das Land bebauen, das neben unseren eigenen Feldern brach liegt.»

Als dann jüdische Soldaten ins Dorf kamen, bereitete ihnen die Bevölkerung ein Willkommensfest. Doch eine fröhliche Stimmung wollte nicht aufkommen. Denn die Gäste hatten auch beim üppigen Essen dauernd ihre Gewehre schussbereit in ihrer Nähe. Schliesslich erzählte der freundliche Kommandant – und nicht arabische Radiostationen – das Dorf sei in Gefahr: «Ihr werdet für ein paar Tage in die Hügel hinausziehen müssen. Schliesst alles ab und übergebt uns die Schlüssel. Ich gebe mein Wort, dass nichts zerstört wird.»

Die Bevölkerung litt unter freiem Himmel unter den heissen Tagen und den kalten Nächten. Nach zwei Wochen ging eine Delegation zurück ins Dorf. Sie wurde von bewaffneten Soldaten zurückgehalten: «Der Ranghöchste schwang drohend sein Gewehr und bellte: ‹Was macht ihr hier? Verschwindet! Ihr habt hier nichts mehr zu suchen.›

Die Soldaten richteten ihre Gewehre auf die Dorfbewohner und lösten die Sicherheitsbügel. Einer von ihnen knurrte böse: ‹Dieses Land gehört uns. Verschwindet jetzt!›»

So weit die schrecklichen Berichte. Nur noch eins: Trotz des erlittenen Unrechts hasste Elias Vater die Eindringlinge nicht. Er betonte immer wieder, sie seien Brüder; wie sie Söhne Abrahams.

Ich werde später nochmals auf Chacours Buch eingehen. Für heute aber lade ich alle Lesenden ein, die zitierten Fakten auf sich einwirken zu lassen. Wie würden wir reagieren, wenn – sagen wir mal – die Italiener kämen und behaupteten, ihr Volk hätte vor 2000 Jahren hier gewohnt? Sie hätten heilige Schriften, die ihnen versprechen, dass das Land auch heute ihnen gehört.

Kein Zugang zum Heimatdorf © zVg
7. Mai 2021 | 07:40
von Walter Ludin
Lesezeit: ca. 2 Min.
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8 Gedanken zu „Wie erlebten Palästinenser die Ankunft der Zionisten?

  • Pia Tschupp sagt:

    Und was erleben die Palästinenser/-innen heute? Nach mehr als siebzig Jahren? Mitten in einer Pandemie? Vor ein paar Tagen hat mich eine erstaunliche Doku erreicht. Ein ungewöhnlich guter ARD-TV-Bericht (32 Minuten) ist es über die Corona Impfungen in Israel und Palästina mit authentischen Hintergrundinformationen über die Besatzung des Westjordanlandes. Die Autorin ist eine junge israelische Frau mit arabischen Wurzeln. Es wird berichtet über die Impf-Apartheid in Israel/Palästina, ebenso darüber, wie Palästinenser/-innen in Scharen täglich die Sperranlage überqueren, um in Israel zu arbeiten. Der Bericht zeigt auch die Ignoranz und das Desinteresse vieler Israelis an den Verhältnissen im besetzten Palästina. Gegen Ende der Sendung kommt die bekannte Haaretz-Journalistin Amira Hass zu Wort.
    https://www.youtube.com/watch?v=D2iJd9qXds0 “Impf-Weltmeister in Gefahr: Mutationen aus Palästina?”

  • stadler karl sagt:

    Nachdem mein Kontrahent Walter Ludin eine Buchlektüre zu diesem Thema empfiehlt, erlaube ich mir ebenfalls, der Leserschaft zwei Titel beliebt zu machen. Beide wurden verfasst vom bekannten israelischen Historiker und Publizist Tom Segev. Keine Sorge, er spricht die Israelis nicht heilig, aber ebensowenig die Palästinenser. Ich meine, eine Lektüre würde sich lohnen.
    Tom Segev, Es war einmal ein Plästina.Juden und Araber vor der Staatsgründung Israels. (Siedler, München 2005)
    tom Segev, Die ersten Israelis. Die Anfänge des jüdischen Staates. (Siedler, München 2008).
    Und Frau Tschupp, das Impfthema eignet sich denkbar schlecht, den Staat Israel erneut einseitig und verzerrt in die Pfanne zu hauen. In Israel kann und konnte sich jeder und jede, von allem Anfang an, unabhängig seiner Herkunft oder Zugehörigkeit zu einer Ethnie, gegen Corona impfen lassen, falls die Impfbereitschaft gegeben ist. Das behauptet nicht etwa die Regierung, sondern nicht zuletzt Kreise, die der jetzigen Regierung politisch überhaupt nicht gewogen sind. Was die autonomen Gebiete betrifft, die von der PA verwaltet werden, gerade auch, was die Gesundheitspolitik anbelangt, so müssen Sie den schwarzen Peter den palästinensischen Verantwortlichen zuschieben. Die haben sich einer Zusammenarbeit mit Israel in Sachen Impfung verweigert und die sind laut Oslo Abkommen II auch explizit zuständig für die Gesundheitspolitik in den Autonomiegebieten. Und Sie finden gewiss auch israelische Araber, die das ebenfalls so sehen würden.

  • Ekkehart Drost sagt:

    Lieber Herr Stadler, leider schreiben Sie völlig unbedarft und mit offenkundiger Sympathie für ein Land, das als einzige Demokratie ein anderes Land seit 54 Jahren besetzt hält. Dieser Fakt ist kein “antisemitisches Hirngespinst”, sondern beruht auf zahlreichen UN-Resolutionen. Und was die Impfungen betrifft, so hat nicht nur Frau Tschupp völlig Recht, sondern auch die eindrucksvolle ARD/ZDF-Dokumentation (also nicht RussiaTV!!):https://www.ardmediathek.de/video/strg_f/impf-weltmeister-in-gefahr-mutationen-aus-palaestina/funk/Y3JpZDovL2Z1bmsubmV0LzExMzg0L3ZpZGVvLzE3NDYxODE/
    Mit freundlichem Gruß aus Deutschland, Ekkehart Drost – Vor knapp zwei Jahren habe ich in Bern einen Voprtrag gehalten: Palästinensisches Leben unter israelischer Besatzung, über meine Erfahrungen als Menschenrechtsbeobachter im Auftrag des Weltkirchenrates in den Jahren 2011 und 2013, jeweils für drei Monate.

  • stadler karl sagt:

    Lieber Herr Drost
    Auf die zahlreichen UN-Resolutionen würde ich an Ihrer Stelle eher mit Zurückhaltung rekurrieren. Gewiss, es gibt viele solche, die zurecht erlassen wurden. Aber es gibt auch viele, gerade diejenigen des UN-Menschenrechtsrates, die auf sträflichste Weise politisch instrumentalisiert wurden und wahrscheinlich weiterhin werden, die ganz klar Züge von Antisemitismus in sich bergen und der UN-Menschenrechtspolitik mehr schaden als nützen. Ich mag jetzt gar nicht den Einwand hören, dass Israel-Kritik erlaubt seien muss, ohne des Antisemitismus bezichtigt zu werden. Natürlich ist Israel-Kritik legitim. Aber nur, wenn sie ausgewogen, nicht einseitig verzerrt und um Wahrheit bemüht ist, genau, wie das bei Kritik anderer Staaten auch verlangt wird. Und was NGO’s anbelangt, so sind auch manche von diesen in Sachen Israel-Kritik in keinster Weise über jeden Zweifel erhaben. Und noch einmal: Jede israeliche Staatsbürgerin und Staatsbürger, unbesehen der ethnischen Zugehörigkeit und Herkunft, konnte sich von Anfang impfen lassen, sofern die Bereitschaft dazu vohanden war. Das werden Ihnen auch die regierungskritischten Israelis bestätigen.

  • Ekkehart Drost sagt:

    Sehr geehrter Herr Stadler, leider werden Ihre Annahmen auch durch Wiederholungen nicht wahr. In meiner Antwort auf Sie bezog ich mich ausdrücklich auf die „unterschiedlichen“ Impfquoten zwischen Israel und dem besetzten Palästina. Sie vermeiden es (bewusst?), auf den ARD/ZDF-Dokumentarfilm, dessen Link aus der ARD-Mediathek ich Ihnen mitgeschickt habe, einzugehen. Dass Israel nach der IV. Genfer Konvention als Besatzungsmacht verpflichtet ist, u.a. für das medizinische Wohl der Besetzten zu sorgen, pfeifen die Spatzen längst von den Dächern. Man muss nur manchmal die Ohren aufmachen, um auch Zwischentöne zu vernehmen, die einem selbst nicht so genehm sind. Dazu gehört bei Ihnen offenbar auch die Unkenntnis über das von der Knesset im Juli 2018 verabschiedete „Nationalstaatsgesetz“ (https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-07/nationalstaatsgesetz-israel-benjamin-netanjahu-parlament-entscheidung), auf das sich die renommierte US-Organisation Human Rights Watch in ihrem neuesten Bericht stützt, wenn Israel, der „angeblich einzigen Demokratie im Nahen Osten“ die wenig schmeichelhafte Überschrift zugesprochen wird: A Threshold crossed https://www.hrw.org/sites/default/files/media_2021/04/israel_palestine0421_web_0.pdf
    Sie können diese Kritik genau wie die israelische Regierung vielleicht als Fake News abtun – weltweit summiert sich diese Kritik an Israel. https://www.youtube.com/watch?v=6TLe4J7Dvd0&t=2s
    Vielleicht schauen Sie auch mal auf die Website des Weltkirchenrates mit seiner Unterorganisation EAPPI https://www.heks.ch/was-wir-tun/palaestinaisrael/projekt-605323: Seit dem Beginn des Programms im Jahr 2002 haben unzählige Berichte über die Besatzung ihren Weg an die Öffentlichkeit gefunden. Sagen Sie bitte nicht: Wir haben es nicht gewusst.
    Mit freundlichen Grüßen
    Ekkehart Drost

  • stadler karl sagt:

    Unzählige Berichte, nicht zuletzt auch solche von manchen NGO’s, Herr Drost, haben den Weg an die Weltöffentlichkeit gefunden, die leider sehr oft aus dem Zusammenhang gerissen sind und die Ereignisse nicht im Kontext der Gesamtereignisse wiederzugeben bemüht waren oder sind, daher zu gefährlichen Unwahrheiten und Halbwahrheiten verkommen. Und was das Genfer-Abkommen betrifft: Sie können dieses Abkommen zitieren, so oft Sie wollen. Tatsache ist, dass im Oslo-Abkommen II, das viel jünger ist, zwischen Israel und Palästinensern vereinbart wurde, dass in den Autonomiegebieten, die im zivilen Bereich über weite Strecken nicht von Israel, sondern von der PA verwaltet werden, insbesondere auch der Gesundheitsbereich von der PA verwaltet werden soll. Diesbezüglich vertreten Sie übrigens keineswegs eine einhellige Meinung der Völkerrechtler. Und dass genau diese PA, als die Impfstrategie aufkam, kein Interesse zeigte an einer diesbezüglichen Zusammenarbeit mit Israel, obwohl vorgängig bei der Bekämpfung von Covid 19 eine vorbildliche Zusammenarbeit bestand, die sogar bei den UN-Instanzen positive Erwähnung fand, wird natürlich von den “Beobachern” nicht erwähnt. Aber wenn in sozialen Medien palästinensische Stimmen kursieren, Israel wolle mit allfälligen Unterstütungsleistungen im Impfbereich den Palästinensern nur Schaden zufügen, daher sei Zurückhaltung geboten, erstaunt die Situation nicht. Dies, obwohl Israel erwiesenermassen selbst nur ein sehr grosses Interresse daran haben kann, dass auch in den Autonomiegebieten und in Gaza die Pandemie eingedämmt werden kann.
    Es ist jetzt schon abzusehen, wie die “Berichte” demnächst lauthals die “Verbrechen Israels” anprangern werden, wenn die derzeitige Eskalation wieder zur Rruhe kommen wird. Der Umstand, dass das terroristische Hamas-Gesindel, dem vielerorts das Wort geredet wird und das einen Frieden mit Israel scheut wie der Teufel das Weihwasser, weil die eigene Machtbasis gefährdet wäre, wahllos zivile Gebiete Israels unter Raketenfeuer nimmt, wird dannzumal wieder einmal hier auf dieser Website kaum Erwähnung finden.

  • stadler karl sagt:

    Bei Berichten auch aus kirchlich-religiösen Quellen, nicht nur katholischen, ist im übrigen nicht weniger Vorsicht geboten wie bei andern Berichten. Solange nicht jüdisch-israelische Quellen ebenso konsultiert werden, weiss man nie, wie weit objektiv Berichte erstattet werden. Aber wenn israelische Stimmen a priori nur als Lügen abgetan werden, wird sich daran kaum etwas ändern. Eines von unzähligen Beispielen: Der Bericht der päpstlichen Stiftung “Kirche in Not”, zur weltweiten Lage betreffend die Religinsfreiheit verfasst, u.a. auch Israel betreffend. Genauso wird halt immer wieder aus den verschiedensten Ecken einseitig und verzerrt Stimmung gegen den Staat Israel erzeugt, zum Teil von sehr renommierten Presseorganen, von NGO’s, in völkerrechtlichen Gremien usw. Und es ist bezeichnend, dass seit Bestehen des UN-Menschenrechtsrates (2006) mehr als 50% der Verurteilungen wegen Menschenrechtsverletzungen nur Israel betrafen. Wenn man bedenkt, was in dieser Zeit weltweit alles abgegangen ist und recherchiert, welche Staaten alles in dieser Zeit in diesem Gremium Einsitz nahmen, dann versteht man die welt nicht mehr.
    Und es ist wirklich erstaunlich, wie fokussiert manche Teile der zivilen Gesellschaft sind, gerade Israel immer wieder in die Pfanne zu hauen. Und noch einmnal: Niemand behauptet, der Staat Israel beginge nicht auch grosse Ungerechtigkeiten und sei über alle Kritiken erhaben.

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