George Francis Xavier

Wenn Schweiz auf Indien trifft

 
Ich begleitete zwei Schweizer Kapuziner nach Indien. Wir besuchten verschiedene Kapuziner Provinzen und schliesslich auch meine Familie. Drei Wochen lang hatte ich die Gelegenheit, hautnah die Unterschiede zwischen Schweizern und Indern zu beobachten. Es war sehr interessant. Ich werde hier einige Erfahrungen schildern.
 

Rauchen an öffentlichen Plätzen wurde in Indien landesweit ab dem 2. Oktober 2008 verboten. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Indien die Heimat von 12% der Raucher weltweit. In der Schweiz hingegen, ist das ganz anders. In den fünf Jahre seit ich in der Schweiz wohne, begegne ich sehr vielen Rauchern und Raucherinnen an öffentlichen Plätzen. Jeden Tag ist es eine grosse Anstrengung für mich, die Ansammlung der rauchenden Studenten und Studentinnen, direkt vor dem Eingang der Uni zu brechen und ins Gebäude zu gelangen. (Ich bin allergisch gegen Staub und Rauch) Diesen Anblick gibt es in Indien nicht zu sehen. Es war für uns lustig Raucher in Indien auf der Strasse zu finden. Jedes Mal, wenn wir jemand in der Öffentlichkeit rauchen sahen, machten mich meine Schweizer Kapuziner Mitbrüder darauf aufmerksam. Ja, die Menschen brechen Regeln. Aber in den drei Wochen Indien haben wir keine Frauen rauchend gesehen.
Die Termine in Indien werden nicht so pünktlich eingehalten, wie in der Schweiz. Der Chauffeur kam zu spät, das Abendessen kam zu spät, wir kamen pünktlich und einige schauten uns an, als ob wir zu früh gekommen wären, und wenn wir unglücklich im Auto sassen und wenig sprachen (wegen der Unpünktlichkeit), sassen die Anderen da, als ob nichts geschehen wäre. Als ich mich bei einem indischen Bruder darüber mich beschwerte, dass er zu spät kam, ignoriert er einfach und sagte, dass es nur 15 Minuten später waren. Ich kenne die Peinlichkeit in der Schweiz verspätet zu sein und den Zug zu verpassen. Ich kenne die zusätzlichen Anstrengungen, die ich mache, um pünktlich die Termine einzuhalten. Meine normalen Tage in der Schweiz sind voll von Erinnerungen und Alarmen in meinem Handy. In Indien fehlt diese elektronische Erinnerungen. Verspätungen und Verpassen von Terminen wird einfach freundlich toleriert.
Meine Schweizer Mitbrüder haben für alles und jedes in Indien Danke gesagt. Ich bin mir aus der Schweiz gewohnt mehrmals Danke zu sagen, für jeden Dienst und jeden Wunsch. Einige haben gewagt, mich zu fragen, ob es mit uns alles in Ordnung sei: «Warum danken sie für alles? Sag ihnen mal, dass wir über ihrem Besuch sehr glücklich sind, und sich einfach wie zuhause fühlen sollen.» In einem Mantra der Taittiriya Upanishad lässt es sich nachlesen: ‹Atithi Devo Bhava’ Übersetzt: Der Gast ist Gott gleichwertig. Das sagt uns Inder, dass es unsere Pflicht sei, Gäste zu betreuen. Zu viel Dank in Indien gibt einen Eindruck, als ob sich die Gäste nicht wie zu Hause fühlen.
Die Gebete und Musik in den Kirchen in Indien werden laut gespielt. Für meine Schweizer Mitbrüder, die zum ersten Mal Indien besuchten, war es eine ganz andere Erfahrung. Sie sassen in der Kirche mit Ohrstöpsel. Die natürliche Frage, die mir von den anderen gestellt wurden, ob alles in Ordnung sei mit ihnen? Ich sagte, ja, aber sie wollen nicht alles zu hören, sie sind sehr wählerisch. In Indien glauben die Kirchgänger, dass sie laut beten sollen, damit ihre Gebete erhört werden und sie somit aus ihrer Armut gerettet werden. Je lauterer sie beten, desto mehr besteht die Chancen, dass ihre Gebete erhört werden. Unsere Armut, unser Leid und unsere Unsicherheit ziehen uns in die Kirche. Ich erinnere mich an einen meiner Schweizer Freunde der mir sagten, dass es die Tradition ist, die ihn in die Kirche zieht. Es ist die Tradition der Wohltätigkeitsorganisation der Kirche, das ihn motiviert Kollekte zu geben. In Indien kommen die Leute in die Kirche um zu nehmen statt zu geben.
Meine Schweizer Mitbrüder fragten meine Eltern während des Abendessens, ob sie mich vermissen würden, falls sie mich nach dem Studium in der Schweiz behalten werden. Die Antwort war ein Lächeln in positiven Sinn. Sie hatten ein sehr strahlendes Lächeln. Es war nicht aufgrund der Antwort, sondern auf die Frage. Warum? Sie sagten mir, als ich ins Kloster ging und an verschiedene Orte für Studien geschickt wurde, sowie als ich auf Mission geschickt wurde, hatte sie niemand gefragt, ob sie mich vermissen würden. Sie meinten, die Schweizer seien so sanft und liebevoll. Sie wollten wissen, ob alle Schweizer wie diese ‹Gentlemen’ seien? Ja, sagte ich. Worauf die Antwort war; «Du, mein Sohn, du lebst im Paradies.»

7. März 2016 | 15:28
von George Francis Xavier
Lesezeit: ca. 3 Min.
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