Hans Leu

Was geschah auf dem Berg Tabor ?

Transfiguration (T-Fig) ist ein Phaenomen der humanen
Subjekt-Objekt-Beziehung; genauer genommen: «subjektiv
bedingte Veraenderung der Objekt-Schau». Wird die
Veraenderung positiv bewertet, dann wird sie als Ver-
klaerung gefeiert, in der negativen Bewertung wird sie als
Enttaeuschung, Ernuechterung bejammert. Nicht das
Objekt wird vorerst veraendert sondern das Bild des
Objekts. Das sehende Subjekt gewinnt ein neues Bild vom Objekt. Diese T-Fig kommt in der Bibel haeufig vor und
ist im Alltag der Menschen stets gegenwaertig.
Wenn nun 2017 der 6. Aug (das Fest der Verklaerung
Jesu auf dem Berg Tabor) auf den 18. Son A im Kirchen-
jahr faellt, dann wird dieser Sonntag liturgisch gestrichen
zugunsten des Festes der Verklaerung. Dies ist insofern
logisch, als dass ja die T-Fig den grossen biblischen Ereignissen zugrunde liegt: Am Fest Epiphanie, bei der
Taufe Jesu am Jordan, bei der Verklaerung auf Tabor – Menschen erkennen, was in und hinter Jesus aufscheint,
zum Vorschein kommt…  und es ist wie eine Entdeckungs-
reise.
Das Abenteuer «T-Fig» gehoert in die Biographie eines
jeden Menschen aber auch in die Geschichte von Gruppen
und Institutionen. Die Menschheit, aber auch die Kirche,
die CH und die einzelnen Menschen sehen heute Kosmos, Welt, Natur, Technik anders als je zuvor. Ein Nach-Konzil-Glaeubiger (1966) sieht die Kirche anders als ein Vor-
Konzil-Glaeubiger (1963) nicht zuerst weil die Kirche sich
veraendert hat sondern noch mehr, weil seine Sichtweise,
nicht nur sein Standpunkt, sich veraenderte. Die Augen
sind im erblickenden Erkennen sehr entwicklungsfaehig.
Manche sprechen von «tiefer sehen». Da wir in einem
Netz von T-Fig-Prozessen leben, wird die Frage spannend,
wie der Mensch, die Gruppe, die Institution dieses Netz
managen. Es ist der Kirche hoch anzurechnen, dass sie
diesen T-Fig-Prozesss, den die Glaeubigen Jesu gegen-
ueber erleben, feiert. Damit wird dieser entwicklungs-
psychologisch und entwicklungspolitisch so wichtige
Prozess ins Bewusstsein gerufen und somit der Verantwortung uebergeben.
Unser Urner-Mitbruder W. Tell hat sich schon lange nicht mehr veraendert, er ist stabil; daran koennen auch die
PNOS-Aktivisten nicht viel aendern. Aber das Bild, das Wissen, die Schau betreffes W. Tell hat sich mit der Zeit ebenso veaendert, wie die Sicht auf das Ruetli und die
Sicht der Rolle der CH im 2. Weltkrieg. Das sind fantas-
tische T-Fig-Prozesse, die uns beinahe ueberfallen.
Im richtig guten T-Fig-Prozess gibt es eine dreifache Veraenderung: es aendert sich das beobachtete Objekt,
das aufmerksame Subjekt und in ihm die Sichtperspektive,
die Wahrnehmungs-Kapazitaet, so dass es (positiv) zu
einer Verklaerung kommt oder (negativ) zu einer Ent- taeuschung (das Objekt haelt nicht was es , wirklich oder vermeintlich, versprach). Das deutsche Wort «Verklaerung» ladet ein zur Bewunderung, das «lateinisch-englische» Wort «T-Fig» laesst Bewunderung und Enttaeuschung zu.
Wohin fuehrt uns dieser T-Fig-Prozess in den naechsten Jahren in bezug auf Jesus Christus und die Kirche? Die profetischen Kuenstler/innen moegen es uns aufdecken.

T-Fig ist Ergebnis geistiger Entwicklung
10. August 2017 | 18:21
von Hans Leu
Lesezeit: ca. 2 Min.
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