Karin Reinmüller

Warum ein Gottesdienst kein Theater ist

Apostelgeschichte, immer noch dran in den Sonntagslesungen. Diesmal aus Kapitel 8, eine erstaunliche Geschichte von Menschen, die zwar getauft sind, aber noch nicht den Heiligen Geist haben. Um den weiterzugeben, fehlt dem Missionar Philippus anscheinend die Autorität, es müssen extra zwei Höhergestellte aus Jerusalem zwecks Geistübertragung per Handauflegung anreisen. Hm. Zum Glück enthält dieselbe Apostelgeschichte auch eine Episode (Kap. 10), in der sich derselbe Geist an Menschen verschenkt, die noch nichtmal getauft sind, sondern sich einfach von einer Predigt begeistern (genau!) lassen.

Berechenbarkeit gehört offenbar nicht zu den Kernkompetenzen Gottes. Kreativität schon eher: Getrieben vom Wunsch nach Beziehung zu Menschen tut der Geist, was jeweils dafür nötig ist. Wenn sich in meiner Spiritualität in den vergangenen Monaten etwas verändert hat, dann das: Ich bin hungriger geworden. Hungriger nach Beziehung zu einem Gott, der in seiner ganzen Un-Vorhersagbarkeit immer gut ist. Und meistens anders.

Ich vermute, dieser Hunger ist es, der mich wütend macht, wenn ich lese, dass Gottesdienste «angemessen» mit «anderen kulturellen Veranstaltungen wie Theater, Konzerte, Lesungen» vergleichbar wären. (Simon Spengler, https://www.zhkath.ch/ueber-uns/news-medien/online-kommunikation-soziale-medien/newsletter-vom-15-mai/view ) Völlig unabhängig von aktuellen Gottesdienstdiskussionsorg.. – na ja, lassen wir das, auch unabhängig davon, dass Kirchen keine Supermärkte oder Restaurants sind: In einem Gottesdienst geht es nicht um ein kulturelles Erlebnis, sondern darum, es mit Gott zu tun zu bekommen. Und diejenigen, die (wie ich berufsbedingt häufig) vorne stehen, sind weder Schauspielerin noch Erste Geige, und schon gar nicht Wirt, sondern Gottsuchende, wie alle, die da sind. Der am wenigsten hinkende Vergleich wäre für mich, dass ein Gottesdienst so etwas ist wie die letzte Woche hier erwähnte Tischlein-Abgabastelle – wo man bekommt, was man braucht, auch wer kein Geld hat, kann kommen.

Weil Gott kreativ ist in seiner Beziehungs-Suche zweifle ich nicht daran, dass es Menschen gibt, die es in einer Theateraufführung oder Lesung mit ihm zu tun bekommen haben, oder auch im Fussballstadion. Ich mag ihn bloss nicht nur dort suchen.

Bild: Rob Laughter auf unsplash
17. Mai 2020 | 15:37
von Karin Reinmüller
Lesezeit: ca. 1 Min.
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6 Gedanken zu „Warum ein Gottesdienst kein Theater ist

  • Walter Ludin sagt:

    Viele Intellektuelle (ich kann sie gar nicht aufzählen) vergleichen die Gottesdienste mit einer gut inszenierten Theatervorstellung. Sicher ist : das Ganze muss über die Rampe zum “Publikum” kommen. Nur so kommt es zur “Betroffenheit”.

  • Gottessuche bleibt unbeschränkt möglich. Welcher Sprache sich dann Gottes Geist bedient, um gefunden zu werden, steht nicht in unseren Händen. Je älter ich werde, frage ich mich, wie ich Gottes fremdes Wort verstehen (lernen) kann. Im spielerischen Raum des Theaters wird mich die Präsenz der Schauspieler*innen frappieren, welche diese in ihrer Rolle entfalten. Ein jüngeres Beispiel findet sich unter https://neu.schauspielhaus.ch/de/journal/18090/corona-passionsspiel-was-ist-das
    Ähnlich kann sich eine liturgische Präsenz in Gottesdiensten entfalten, wenn die Beteiligten mitfeiernd zum Ausdruck geben, was sie auf ihrer Gottsuche bewegt – sei es zuhörend, meditierend, mitbetend oder durch Lob oder Klage mitsingend. Solcherart Präsenz ist in meinen Augen durchaus auch ein kulturelles Erlebnis.
    Und in der Zeit des Verzichts auf Gottesdienste in grösserer Gemeinschaft, wird es umso wichtiger, Gott mitten im Leben zur Sprache kommen zu lassen. Darum scheint mir in dieser Zeit ein eigentliches liturgisches (auch eucharistisches) Fasten angesagt. Und dass wir vorerst einander sowohl im unmittelbaren Umfeld wie auch durch soziales Engagement weltweit beistehen (lernen) , wird unser künftiges Feiern von Gottes Nähe in grösserer Gemeinschaft hoffentlich bald glaubwürdiger machen.

  • Karin Reinmüller sagt:

    Ja, Gottesdienst als “heiliges Spiel” ist ein für mich passender Begriff. Das meint keine Theater-Vorstellung, wo einige spielen und viele zuschauen, sondern eher etwas wie ein Psychodrama – alle spielen mit, auch wenn sie nicht auf der “Bühne” stehen, jede hat eine Rolle und füllt sie mit sich selbst aus.

    • Zwei letzte Hinweise zur hier angesprochen Thematik

      … zur Bestätigung der Sichtweise vom “heiligen Spiel” können wir auf Romano Guardini zurückgreifen, der in seiner Veröffentlichung VOM GEIST DER LITURGIE schon 1918 ein Kapitel über LITURGIE ALS SPIEL verfasst hat. 2011 hat dann Gunda Brüske in hervorragender Weise diese Sicht in ihrer Vorlesung LITURGIE – KEIN KINDERSPIEL! dargelegt = https://www.liturgie.ch/images/liturgie/veranstaltungen/PDF/LiG2011_Liturgie_Kinderspiel_Brueske.pdf

      … zur Aufarbeitung im Kreis (nicht nur) von (uns) Liturgiewissenschaft*erinnen lohnen ist auch die Publikation der beiden Herausgeber Arno Schilson (+ 2005) und Joachim Hake: Drama ‘Gottesdienst’. Zwischen Inszenierung und Kult, Stuttgart 1998 (Kohlhammer Verlag)

    • Michael sagt:

      Ich empfinde diese Rolle aber oft als Statistenrolle, höchstens noch als Mitglied im Backgroundchor. Ich denke, wir alle müssen mehr kreative (im Sinne des Heiligen Geistes) Formen finden, um Gottesdienst zum wirklichen Gemeinschaftserlebnis werden zu lassen …

  • Rudolf Pacik sagt:

    Viele gestreamte Gottesdienste der Corona-Zeit vermitteln den Eindruck, als käme es doch nur auf den Priester an. Dass die – wenn auch kleine – Gemeinde Trägerin der Feier ist, kommt kaum in den Blick.

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