Einfaches Leben in Zelten © zvg
Walter Ludin

Wann ist ein Massaker ein «Massaker»?

«Ihre zeitlichen Intervalle mit antiisraelischen Gift-Anschlägen werden ja immer kürzer.» So liebevoll hat unser lieber Kari auf meinen letzten Blog zum Thema Israel-Palästina reagiert. Damit er Recht bekommt, habe ich nun das Intervall verkürzt.

Wenn ein Massaker kein Massaker ist …

In einem seiner Kommentare zu meinem Blog über das Massaker von Deir-Yassin, das im Rahmen der Kämpfe zur Staatengründung Israels stattgefunden hat, leugnet Kari, dass es ein solches gab. Ganz anders tönt es in einem informativen Artikel des britischen Socialist Workers von 2018:

Hier heisst es über die damaligen Angriffe auf das erwähnte Dorf: «Die angreifenden Milizionäre gingen von Haus zu Haus, warfen Granaten hinein und brachten alle um, die sie dort vorfanden. Gefangen genommene Einwohnerinnen und Einwohner Deir Yassins wurden in einer Reihe aufgestellt und starben im Kugelhagel der Maschinengewehre, ganze Familien wurden vor ihrer Haustür umgebracht.»

«Wie ein russisches Pogrom»

Und weiter: «Nach dem Morden wurden die Leichen gestapelt und verbrannt. Eine Gruppe von 25 Männern und Jungen wurde triumphierend auf Lastwagen durch die Strassen von Jerusalem gefahren und anschliessend in einem Steinbruch umgebracht. Als Mordechai Gichon, Offizier der jüdischen Armee Haganah, zu der Ortschaft kam, erinnerte ihn die Szene an die Verfolgung der Juden im 19. Jahrhundert in Russland: ›Wenn man in einen Zivilistenort kommt und überall liegen Leichen herum, dann sieht es aus wie ein Pogrom’, sagte er Jahrzehnte später. »Wenn die Kosaken in jüdische Stadtviertel einbrachen, dann dürfte das wohl ähnlich ausgesehen haben wie hier.’(Quelle: Artikel »Testimonies From the Censored Deir Yassin Massacre« aus der israelischen Tageszeitung Haaretz).»

Weiter wird im Artikel des Socialist Workers nachgewiesen, wie israelische Kämpfer sich vorerst ihrer (Schand!)Taten rühmten, diese aber später abstritten. Ein Beispiel: «Obwohl er immer leugnete, dass dieses Massaker überhaupt stattgefunden hat, erklärte der Kommandeur der Lehi, Yehoshua Zettler, in einem Interview mit Shoshani im Jahr 2009: ›Ich würde nicht behaupten, dass wir sie mit Samthandschuhen angefasst haben. Sie rannten wie die Katzen davon. Wir haben in jedes einzelne Haus Sprengstoff geworfen und sie liefen, so schnell sie konnten. Eine Sprengung und weiter, eine Sprengung und weiter, innerhalb weniger Stunden war die halbe Ortschaft ausgelöscht.’»

Uns so was soll kein Massaker sein?

Und grundsätzlich betr. Kommentare zu meinem Blog: Im Gegensatz zu meinen Kritikern, die mir dauernd Lügen vorwerfen, bezichtige ich niemanden der Lüge. Man hat halt andere Sichtweisen! Aber doch: Wem kann man in unserem Zusammenhang mehr glauben: einem kommentierenden Urner oder einem hohen jüdischen Militär, der sich seiner Beteiligung an einem Massaker rühmt?

«Opfer wurden Täter»

Zum Schluss noch zwei Sätze, die ein sehr besonnener Jude geschrieben hat: der US-Amerikaner March H. Ellis, renommierter Professor in New York:

«-Im Zentrum des Kampfes um Glaubwürdigkeit als Jude liegen das Leiden und die Befreiung des palästinensischen Volkes.

  • die Einsicht, dass sie selbst eben das getan haben, was mit ihnen vor langer Zeit geschehen ist, also von Opfern zu Tätern geworden sind.» (vgl. den vorherigen Vergleich mit einem russischen Pogrom; um nicht Beispiele aus einer andern Zeit zu erwähnen…)

Als Nicht-Jude würde man es nicht wagen, den letzten zitierten Satz zu formulieren. Aber wer kann behaupten, dass er nicht zutrifft?

Keine Kari-Kommentare?

Am Ende seiner beiden umfangreichen Kommentare zu meinem letzten Palästina-Blog schreibt Herr lic. iur. et lic. phil. Stadler Karl: »Ich werde mich in Zukunft nicht mehr auf kath.ch bewegen und diesen Blog auch nicht mehr kommentieren. Man gilt ja ohnehin als Hinterwäldler und als unsolidarischer Schwätzer gegenüber den Benachteiligten.»

Auch wenn Karis wortreichen Entgegnungen mich öfters genervt haben, würde ich es bedauern, wenn er hier verstummte…

Einfaches Leben in Zelten © zvg
7. Februar 2021 | 22:04
von Walter Ludin
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9 Gedanken zu „Wann ist ein Massaker ein «Massaker»?

  • Pia Tschupp sagt:

    Vor (nur) 6 Jahren hat der Reisejournalist Andreas Altmann in seinem Buch “Verdammtes Land/Eine Reise durch Palästina” geschrieben: ” Wer im Weg steht, wird vertrieben. Wenn er Glück hat. Hat er wenig Glück, wird er verhaftet. Auch Kinder. Hat er noch weniger Glück, wird er “behandelt”, mit schwerer Körperverletzung. Und die Glücklosesten verschwinden. Als Tote. Alles Unrecht, alles illegal nach internationalem Recht.”
    Da mögen die aktuellen Nachrichten vom Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) in Den Haag etwas Hoffnung aufkommen lassen. Hoffnung auf Gerechtigkeit. Denn im nun vorliegenden Fall geht es darum, wer Kriegsverbrechen begangen hat und zwar von israelischer als auch von palästinensischer Seite. Und keineswegs um die pauschale Verurteilung des Jüdischen Staates, wie Tachles heute berichtet.
    So sind die ersten Reaktionen aus Israel auf den Entscheid des ICC schroff ablehnend. Und Premierminister Benyamin Netanyahu bezeichnet den Beschluss als “puren Antisemitismus”.
    Ob es gelingen wird, die Weichen neu zu stellen?

  • Antisemitismus ist halt keine Meinung bzw. andere Sichtweise. Ich weiss nicht ob es das betreffende Massaker so gegeben hat (Ihre Quelle ist zudem eine Parteizeitung – solche haben erfahrungsgemäss eine Agenda/politische Aussrichtung und sind eher wenig objektiv. Dass es sich dabei noch um ein Parteiblatt einer Partei handelt die in UK der extremen Linken zugeordnet wird macht es auch nicht gerade besser….) aber es streitet auch niemand ab, dass die Israelis alles fehlerfrei machen würden, Missstände dürfen und müssen benannt werden! Ihre Darstellungen hingegen sind jedoch oft verzerrend und haben mehr als eine tendenziöse Schlagseite, die nicht daran glauben lassen Sie seinen an Ausgewogenheit interessiert sind. Mehrere Artikel die hier von ihnen erschienen sind atmen einen latenten Antisemitismus, weshalb ich gutnachvollziehen kann warum Hr. Stadler darauf antwortet und es ist tatsächlich schade, dass sie es geschafft haben, dass er entnervt aufgibt. Dreist ist zudem als Blogautor auch hier den Raum zu nutzen um gegen einen bestimmten Kommentator zu ätzen.
    Beides ist insbesondere für eine kirchliches Medium wie kath.ch eigentlich unwürdig.

    • Wohl über die Hälfte der Fachleute, die ich in meinen Blogs zitiert habe, sind (israelische) Juden. Wohl alles “Antisemiten”. Hört doch endlich mal auf mit dem Todschlag-Argument “Antisemitismus”. Und nehmt endlich die Fakten zur Kenntnis, wie hier z.B. Pia Tschupp in ihrem Kommentar skizziert.

  • Pia Tschupp sagt:

    Ja, Herr Ludin, Sie stellen die Frage “Wann ist ein Massaker ein Massaker?” in den Raum. Statt klärender Antworten tun sich mir bisher lediglich weitere Fragen auf:
    “Wann ist ein Verbrechen ein Kriegsverbrechen”?
    “Wann ist ein Verfahren ein Strafverfahren?”
    “Wann ist die Besetzung eine Besatzung?”
    “Wann ist Semitismus ein “purer” Semitismus?”
    “Wann, wann, wann … ?”

    Erlauben Sie mir, auf den heutigen Artikel von Andreas Zumach “Ende der Straflosigkeit in Israel und Palästina?” hinzuweisen. Erschienen in der Online-Zeitung Infosperber. http://www.infosperber.ch

    Möge er unsere Sinne schärfen und den Blick weiten.

  • Michael Bamberger sagt:

    Liebe Frau Tschupp,

    was glauben Sie, warum Verschwörungstheoretiker (wie z.B. Daniele Ganser) bei Infosperber eine derart breite Bühne bekommen? Geben Sie Ganser und Infosperber im Browser ein und machen Sie sich selbst ein Bild.

    Dann lesen Sie bitte noch hier:

    “Das Magazin vom Tages-Anzeiger bezeichnete 2018 Infosperber als «ein Forum für Altlinke mit Faible für Verschwörungstheorien.»”

    “Der Amerikanist und Verschwörungstheorieforscher Michael Butter reiht Infosperber ein in die alternative Medien wie KenFM, Telepolis, NachDenkSeiten oder Rubikon, die alle eine Gegenöffentlichkeit zu den traditionellen Qualitätsmedien und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk bilden würden. Sie bedienten Verschwörungstheorien wie die von der „Lügenpresse“ und verkauften diese als seriöse Nachrichten.”

    “Die Medienwoche schrieb 2020, dass Infosperber viel Zuspruch in sogenannten «Alternativmedien» und unter Verschwörungstheoretikern finde, worauf die Redaktion von Infosperber reagierte.”

    (Quelle: Wikipedia)

  • Pia Tschupp sagt:

    Ich danke Ihnen sehr für Ihre Hinweise, lieber Herr Bamberger.
    Sie haben Recht. Bewegt sich jemand ausserhalb des (wohlgeschützten) Mainstream, so muss er sich schon mal warm anziehen. Und dies gilt insbesondere auch für Journalist*innen.
    Den Artikel von Herrn Zumach habe ich wieder gelesen: Einmal unter dem Aspekt der Verschwörungstheorie und einmal unter dem Aspekt des Antisemitismus. Eine ganz neue Erfahrung für mich.
    Nach wie vor kann ich die Ausführungen dieses erfahrenen Politbeobachters empfehlen. Was Recherche, Ausgewogenheit, Hintergrundwissen, kritische Auseinandersetzung und persönliche Haltung anbelangt, schätze ich.
    Was sich das Infosperber-Team auf seine Fahne geschrieben hat (“sehen, was andere übersehen”), ist erfüllt: Die Leserschaft abholen, informieren, hinter die Kulissen blicken und reflektieren lassen. Auch – und vor allem – zu kritischem Nachdenken und meinungsbildenden Diskussionen anregen.
    Die Vielfalt der Infosperber-Autoren vermag ein breites Spektrum anzubieten. Andere Ansichten, andere Betrachtungsweisen, andere Meinungen. Mir passt dieses Menu – als Ergänzung zu den Mainstreammedien.
    Was da “ersperbert” und für uns aufbereitet wird, Tag für Tag, das nährt. Und ist nicht immer nur Schonkost. Selten mal Fastfood.
    En Guete!

  • Michael Bamberger sagt:

    Liebe Frau Schupp,

    Mit “wohlgeschützt” meinen Sie wahrscheinlich, dass Qualitätsmedien in Abhängigkeitsverhältnissen stünden, welche für “alternative” Medien nicht zuträfen, oder nicht?

    Dass dem keinesfalls so ist, verdeutlichen folgende Beispiele unter unzähligen:

    – Seymour Hersh vom New Yorker deckte 1969 die Kriegsverbrechen der US-Armee im Massaker von My Lai im Vietnamkrieg auf. Und 2004 brachte er den Folterskandal um das Abu-Ghuraib-Gefängnis im Irak in die Medien.

    – Es waren die Investigativ-Journalisten Bob Woodward und Carl Bernstein der Washington Post, welche 1973 den Watergate Skandal enthüllten, der Nixon 1974 zu Fall brachte.

    – Es war das Spotlight Journalisten-Team des Boston Globe, welches Anfang 2002 das entsetzliche Ausmass klerikalen Kindsmissbrauchs sowie dessen Vertuschung durch die kirchliche Hierarchie zutage brachte und damit zum Auslöser der sukzessiven Demaskierung dieses weltweiten Missbrauchsskandals wurde.

    – Ein Konsortium von über 86 investigativer Journalisten von 38 Zeitungen, Radio-und Fernsehstationen aus 46 Ländern brachte die Offshore-Leaks 2013 ans Licht, 2014 die Luxemburg-Leaks, 2015 die Swiss-Leaks und 2016 die Panama Papers.

    Wann hat je ein “alternatives” Medienblatt belastbare Fakten in solchem Masse aufgedeckt, welche von Qualitätsmedien angeblich verschwiegen worden wäre, und welche Qualitätsmedien wären denn das?

    • Infosperber als Teil der “Lügenpresse”? Was soll der Quatsch? Autoren sind erfahrene Journalisten der Deutschschweiz. Ich schätze ihre Berichte und Einschätzungen sehr. Allerdings bei einigen Coronabeiträge habe ich Fragezeichen.
      Mein Vorschlag: Abonniert doch den Newsletter (täglich oder wöchentlich), gratis: https://www.infosperber.ch/
      Und dann unterhalten wir uns hier wieder darüber.

      • Roland Xander sagt:

        Bedenklich, bedenklich, sehr geschätzter Herr Ludin, dass Sie für Infosperber so viel Werbung machen, gerade in Zeiten wie diesen, wo Verschwörungstheorien von größtem Nachteil für die Gesellschaft sind. Wenn man Weltwoche und Infosperber nicht liest, bleibe einem vieles erspart.

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