Sibylle Hardegger

Wallfahrt anders als erwartet... III

Man muss sich entscheiden. Immer und immer wieder im Leben. Links oder rechts. Vorwärts oder rückwärts. 
Mein Magen erholt sich langsam, aber ich bin noch nicht bereit für den Sattel. Ich gebe mich noch einen Tag der vorbei fliegenden Landschaft hin, die mich dem Ziel Trondheim näher bringt. Welches Ziel habe ich? Im Moment, ist nur der Sattel mein Ziel. Dafür habe ich trainiert, darauf habe ich ein halbes Jahr gefiebert. Ja, es ist nicht einfach, diesen Umweg anzunehmen. Aber der Weg führt ans Ziel, ja der Weg führt ans Ziel. Wie ein Mantragebet wiederhole ich mir diese Gewissheit. 
Und dann kommt es doch noch anders. 
Es ist um die Mittageszeit. Zwei der noch 4 Radwallfahrer sind etwas zurück geblieben. Auf meinem Handy verfolge ich sie und bin etwas beunruhigt, weil die «Punkte» sich nicht mehr bewegen. Hoffentlich kein Unfall, denke ich nur. Und es beginnt zu schütten – einmal mehr. Dann rufen sie den Begleitbus an und dieser fährt los, um beide Radfahrer aufzupicken. Es zeigt sich, dass ein Wallfahrender an diesem Tag nicht mehr weiter fahren kann. Also schwinge ich mich an seiner Statt aufs Rad und fahre zusammen mit dem zweiten zurückgebliebenen Radwallfahrer die noch zu fahrenden ca 40 km. Es schüttet in Strömen und die Strasse geht rauf und runter. (Es sind immer diese Erfahrungen, die das Vorurteil Schweden sei flach und es gäbe keine Berge, ausser Kraft setzen!)
Zu zweit stemmen wir die Strecke in guter Zeit. Ich bin erstaunt, habe ich doch kaum Kalorien getankt an diesem Tag. Vielleicht gehts dann morgen wieder. Völlig durchnässt und schlotternd kommen wir an diesem Abend nicht auf einem Zeltplatz an, aber in einem Bildungshaus. Mit Dusche, WC, hinein ins Trockene und wir schlafen auf einer richtigen Matraze. Zum ersten Mal kann ich auch beim Essen wieder mithalten. Trotz des strömenden Regens ein kleiner Lichtblick. 

12. Juli 2014 | 11:18
von Sibylle Hardegger
Lesezeit: ca. 1 Min.
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