Bruder Klaus und Gefährten

«Wahrheit» in der Überforderung

Ergänzend zum Visionsgedenkspiel publiziert die Kulturkommission Obwalden das Obwaldner Kunstheft 2017-2, das sich ausschliesslich der Pilgervision widmet, dem zentralen Element des Visionsgedenkspiels. Das radikal einfache Heft enthält nebst der Pilgervision und Screenshots aus den Videos von Judith Albert, Innerschweizer Kulturpreisträgerin 2016, einzig ein Nachwort, das der Schreibende beitragen durfte. Gerne zitiere ich einen Ausschnitt daraus, der sich mit der Frage beschäftigt, wie wahr, wie authentisch die Visionen des Niklaus von Flüe überliefert sind.

Mit allen Sinnen in eine Welt eintauchen, die uns überfordert

«Als rationale Menschen des 21. Jahrhunderts wollen wir wissen, wie authentisch, wie wahr diese Überlieferungen sind. Im Grunde ist diese Frage nicht beantwortbar. Das fängt damit an, dass eine visionäre Erfahrung bei weitem übersteigt, was sich in Worten ausdrücken lässt. Dennoch konnte Niklaus von Flüe aus der Überfülle überströmender Erfahrungen nur weitererzählen, was er in Worte fassen und als zusammenhängende Geschichten weitererzählen konnte. Und die Mitmenschen, die seine visionären Erfahrungen schriftlich festhielten, schrieben nur auf, was sie verstanden hatten. Trotz dieser Einschränkungen ist die ‘innere Wucht’ (Manfred Züfle) der Visionen des Niklaus von Flüe bis heute überwältigend und von seltener Dichte.

Die Begegnung mit der Pilgervision, die uns das Visionsgedenkspiel ermöglicht, ist deshalb reicher, intensiver, vielfältiger und in dem Sinne näher an seiner ‘realen’ Erfahrung, als was uns die schriftliche Fassung als summarische und chronologische Schilderung vermitteln kann. Die szenische und theatralische Umsetzung der Pilgervision ist nicht eine Einladung, diese Vision rational begreifen zu wollen, sondern eine Aufforderung, mit allen Sinnen einzutauchen in eine Welt, deren Fülle, Vielfalt und Tiefe uns überfordert.

Erst so, in der Überforderung, können wir diese Infragestellung aller menschlichen Vernunft erahnen. Eine grössere Annäherung ist als Betrachter nicht möglich.»

Roland Gröbli

 

Literatur

Gröbli, Einig Wesen (1990/31995), 236; Obwaldner Kunstheft 2017-2, herausgegeben von der Kulturkommission Obwalden. Druck und Verlag: Druckerei von Ah, Sarnen.

 

Inszenierter Chorgesang am Visionsgedenkspiel. (© Sibylle Kathriner)
1. September 2017 | 00:15
von Bruder Klaus und Gefährten
Lesezeit: ca. 1 Min.
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