Heinz Angehrn

Wahrhaftigkeit zum (vorläufig) Letzten

Es ist Ihnen, Herr Stadler, zunähst zuzugestehen, dass die Verwendung des Terminus problematisch ist. Denn – aber ist das nicht in der gesamten Philosophie und Ethik jenseits der reinen Mathematik und Logik so? – Termini wie Wahrheit oder eben Wahrhaftigkeit können von unterschiedlichen weltanschaulichen Positionen besetzt und dann auch als Kampfbegriffe gegen eine irgendwie geartete Gegenseite verwendet werden. (Wittgenstein lässt grüssen!)

(Ein eher böses PS: Gerade an der hier im Blog von Kollega Ludin immer wieder angezettelten Polemik gegen den Staat Israel und seinen verzweifelten Kampf um Überlegen und Lebensberechtigung und den dann seinen Beiträgen folgenden Reaktionen kann das Gesagte genau bestens illustriert werden.)

Ich verwende hier den Begriff Wahrhaftigkeit möglichst exakt im neutestamentlich-christlichen Sinn, also als Bestandteil der Rede des Rabbi Jesus vom Gottesreich, das in und mit ihm angebrochen ist. Zu diesem neuen Leben in den Sinnzusammenhängen der Herrschaft Gottes gehört ein Umgang der Menschen miteinander, der folgenden gesellschaftlich bis heute beliebten Taktiken eine klare Absage erteilt, ja sie als Bestandteil des «alten Menschen», der abgelegt werden soll, entlarvt:

Lüge und Verleumdung, aus egoistischen oder von Rache erfüllen Beweggründen, im individuellen Leben
Polemik, Agitation und Propaganda als ihre Geschwister im sozialen Leben
und eben als schlimmstmöglicher Höhepunkt: das bewusste Verschweigen bzw. Verschleiern zugunsten des Wohlergehens der eigenen Institution

«Euer Ja sei ein Ja, Euer Nein ein Nein». / «Ihr seid das Licht der Welt, ihr seid das Salz der Erde.» / «Es gibt nichts, was von außen in den Menschen hineingeht, das ihn unrein machen könnte; sondern was aus dem Menschen herauskommt, das ist’s, was den Menschen unrein macht.» / «Bei Euch aber soll es nicht so sein».
(das soll genügen als Belegtexte)

Nochmals: Es ist etwas anderes, wenn Politiker und Potentaten sich nicht um solche Werte scheren, als wenn es die Vertreter (bewusst nur männlich) der christlichen Kirche tun. Und die Reihe ist lang und geht immer noch weiter: Tebartz-van Elst, Woelki, aber auch alle die Wissenden in Schweizer Ordinariaten, die weggeschaut und weggehört haben, und dass systematisch über Jahrzehnte.

Bildquellen

  • : pixabay.com CCO
5. Februar 2021 | 13:15
von Heinz Angehrn
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3 Gedanken zu „Wahrhaftigkeit zum (vorläufig) Letzten

  • Antwort an Herrn Stadler zu seiner Aussage: „man sollte den Terminus “Wahrhaftigkeit” eigentlich aus unserem Vokabular streichen“
    Ein sehr interessantes Thema, das Herr Angehrn dargestellt hat.
    Als Buchhalterin und Treuhänderin würde ich diesen Terminus niemals aus dem Vokabular streichen. Eine nicht wahrhaftig, ehrlich geführte Buchhaltung führt nicht zu einem ehrlichen Ergebnis, was zu falschen Entscheidungen und Folgefehlern führt. Zum Erfolg führt meines Erachtens nur die Wahrhaftigkeit in allen Arbeiten und Lebensbereichen! Also, bleiben wir bei der Wahr-Haftigkeit, das Wahre bleibt haften, schafft Vertrauen und wir hätten alle viel weniger Probleme und enttäuschte Mitmenschen. In Zeiten der Verschwörungstheorien ist es besonders wichtig, zur Realität zu stehen auch wenn das Ergebnis, zum Beispiel in einer Buchhaltung, negativ ist. Wenn das Negative nicht erkannt und dargestellt wird, kann es sich nicht zum Positiven wenden. Genau das sollte doch unsere Aufgabe sein. Und deshalb auf keinen Fall den Terminus Wahrhaftigkeit aus dem Vokabular streichen, das ist keine gute Idee.
    Liebe Grüsse
    Heidi Mehr

  • Lieber Heinz, warum gehst du mit einem altgedienten Kollegen wie mir so aggressiv um. Falls du meine Israel-Blogs aufmerksam läsest, würdest du sehen, dass ich keineswegs gegen Israels Existenzberechtigung bin. Sondern vor allem gegen die völkerrechtswiderige Besetzung von palästinensischem Boden – diese verhindert eine Zweistaatenlösung, die ein Fundament für friedliches Zusammenleben wäre.
    Und: Wenn zum Beispiel Krankenwagen mit Hochschwangern auf dem Weg ins Spital stundenlang zurückgehalten werden, hat dies mit der Sicherheit Israel gar rein nix zu tun. Ist aber klassisches Mobbing, um die Urbevölkerung aus ihrem Land zu vertreiben. Warum übersiehst du solche Praktiken, um die es mir im Blog vor allem geht? Ich kann mir nicht vorstellen, dass du damit einverstanden bis….

  • Heinz Angehrn sagt:

    Lieber Walter
    Es tut mir zunächst leid, wenn meine Ironie “aggressiv” wirkt. Und da wir in etwa 80% alle Kirchenthemen einig sein dürften, verstehe ich ja, wenn Du gekränkt bist. Aber ich habe Dir hier schon etliche Male mein Befremden über Deine Einäugigkeit in der Beurteilung der Palästinenserfrage mitgeteilt. Die von mir zitierte “Wahrheit” gebietet es festzuhalten, dass es die britische Kolonialmacht war, die nach dem Krieg willkürliche Striche über die Landkarte (wie andernorts auch) zog, ohne die historischen Ursprungsbedingungen (wohin gehören denn Bethlehem oder Hebron, wenn nicht zu erez Israel?) zu respektieren. Sie gebiet es auch festzuhalten, dass kaum dass die dem Holocaust Entronnenen ihr bisschen Land beziehen konnten, die vereinigte Nachbarschaft sie definitiv zu eliminieren versuchte. Und das ging so weiter bis zum Jom Kippur-Krieg.
    Ich staune einfach, wie locker sich viele vor den Karren von Iran und Hizbollah spannen lassen. Solche “Wahrheit” hätte die Nazis echt gefreut!
    In Nachdenklichkeit.
    Heinz

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