brennende Reifen in Hebron
Bettina Flick

Tage des Zorns in Palästina

Zurzeit befinde ich mich als Menschenrechtsbeobachterin im Heiligen Land, in Hebron.

Wir haben es alle in den Nachrichten gehört: Trump hat offiziell Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt. Auf palästinensischer Seite wurden daraufhin drei «Tage des Zorns und der Entrüstung» ausgerufen. Heute ist der erste dieser Tage. Die Schulen und Geschäfte sind geschlossen. Es finden überall Demonstrationen statt. Manche dieser Demonstrationen arten aus in gewalttätige Auseinandersetzungen. Während ich dies schreibe, tönt Geschrei aus der Stadt hierher zu uns in die sichere Wohnung in Hebron. Ich hoffe sehr, dass die Unruhen nicht überborden und dass nach diesen drei Tagen alles wieder vorbei ist.

Heute Morgen war ich in Jerusalem in der Altstadt bei den Kleinen Schwestern Jesu. Gern schaue ich an diesem Ort vorbei, bete eine Weile in der Kapelle und unterhalte mich mit der Schwester, die gerade beim Ikonen-Lädchen sitzt. Meistens sind es mutmachende Gespräche, gern erzählt sie positive Geschichten aus ihrer langen Zeit im Heiligen Land. Heute habe ich sie sehr traurig angetroffen und voll Sorge. Eine Weile sassen wir schweigend da und tranken zusammen Tee. Das Leid der Menschen hier scheint nicht enden zu wollen. Nein, Angst vor einer dritten Intifada habe sie nicht, meint meine Gesprächspartnerin, dafür seien die Menschen zu sehr geschwächt und müde. Niemand hier wolle kämpfen, wolle Krieg, Tote oder Verletzte. Nur die Jungen würden ihr Sorge machen. Bei so viel Unsicherheit, so hoher Arbeitslosigkeit, so viel alltäglicher Gewalt würden manche Jugendliche gerade darauf warten, Gewalt anzuwenden.

Gewalt ist nie eine Lösung. Sie erzeugt nur neue Gewalt.

Manchmal stosse ich mich an den Psalmen, in denen der Betende Gott um Vergeltung bittet und den Feinden das Übelste wünscht. Heute denke ich an diese zornigen Worte in der Bibel. Vielleicht haben die «Tage des Zorns» und diese zornigen Bibelverse ja auch eine gute Wirkung: Die Wut und Enttäuschung herausschreien, mit der Empörung auf die Strasse gehen und gesehen werden in der Demütigung, kann das nicht auch reinigende Wirkung haben? Möge die Wut, die in diesen Tagen von Palästinenserinnen und Palästinensern auf den Strassen gezeigt wird, diese Wirkung haben: Von innen her reinigen und dadurch wieder Kraft geben für den Alltag, der oft so drückend schwer ist. Mögen die Demonstrationen friedlich bleiben!

Ich wurde von HEKS-EPER und Peace Watch Switzerland als Ökumenische Begleiterin nach Palästina und Israel gesendet, wo ich am Ökumenischen Begleitprogramm (EAPPI) des Weltkirchenrates teilnehme. Die in diesem Artikel vertretene Meinung ist persönlich und deckt sich nicht zwingend mit denjenigen der Sendeorganisationen. Falls Sie Teile daraus verwenden oder den Text weitersenden möchten, kontaktieren Sie bitte zuerst Peace Watch Switzerland unter eappi@peacewatch.ch.

 

brennende Reifen in Hebron | © Bettina Flick
7. Dezember 2017 | 16:36
von Bettina Flick
Lesezeit: ca. 2 Min.
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