Sektglas und Kommunisten-Sichel auf einem Trabi.
© Vera Rüttimann 1990
Vera Rüttimann

Tag der Deutschen Einheit: Das falsche Datum

Heute wird zum 26. Mal der Tag der Deutschen Einheit gefeiert. Für mich liegt an diesem Tag stets etwas Besonderes in der Luft, auch nach mehr als einem Vierteljahrhundert nach dem Ende der Teilung Deutschlands. Doch während die einen den 3. Oktober als «Einheitstag» feiern, kommt bei anderen die Frage auf: Wieso eigentlich wird die Wiedervereinigung am 3. Oktober gefeiert, und nicht am 9. November, dem Tag des Mauerfalls, wie einst auch  die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, gefordert hatte? Der 3. Oktober wurde von der Bundesregierung als Festtag installiert.

Es gibt ein anderes Datum, das mir und vielen in der DDR kirchlich engagierten Leuten am nächsten steht und das Herz wärmt: Der 9. Oktober 1989. An diesem Tag waren in Leipzig rund 70.000 DDR-Bürger auf die Strasse gegangen und hatten unter der Losung «Keine Gewalt» friedlich für eine demokratische Erneuerung der DDR demonstriert. Schon war eine «chinesische Lösung» zu befürchten, doch Armee und Polizei griffen nicht ein. Der 9. Oktober gilt daher als Wendepunkt der Montagsdemonstrationen. Er führte zum Sturz der SED und schliesslich zur Wiedervereinigung 1990. Es war eine Revolution, die zu einem nicht unwesentlichen Teil aus der Kirche kam. Auch Christian Führer, Pfarrer der Nikolaikirche in Leipzig, sprach sich vehement für den 9. Oktober als nationaler Gedenktag aus. Immerhin feiern die Leipziger an diesem Tag jeweils ihr «Lichtfest» zur Erinnerung an die Ereignisse von damals.

Den 3. Oktober 1990 verbrachte ich trotzig an einer Anti-Einheitsfeier im Prenzlauer Berg. Ich war damals 21 und politisch rot bis dunkelrot gefärbt. Ich trauerte dem «3. Weg» hinterher, der Idee einer reformierten DDR und eines moralisch erneuerten Sozialismus. Das erwies sich jedoch als Illusion. Ein reformierter Kapitalismus, das wäre für mich der 2. Teil der Revolution in der DDR. Der lässt jedoch noch immer auf sich warten.

 

Sektglas und Kommunisten-Sichel auf einem Trabi. © Vera Rüttimann 1990
3. Oktober 2016 | 16:17
von Vera Rüttimann
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